Die Doppelstadt Dessau-Roßlau ist seit geraumer Zeit immer wieder und immer häufiger Schauplatz rechtsextremer Aufmärsche und Aktivitäten gewesen. Auch am Wochenende zogen wieder Neonazis aus ganz Sachsen-Anhalt durch die Straßen Roßlaus. Unter dem Motto „Gegen linken Terror“ mobilisierten die hiesigen AktivistInnen zum 08.10.2016 in die Schifferstadt. Der Aufmarsch war eine Reaktion zu dem Angriff auf das Wohnhaus eines bekannten Neonazis.
Roßlau. Bahnhof. 12 Uhr: Beginn der Veranstaltung.
Vor Ort sind natürlich die Dessauer Riegen, stadtbekannte Hardliner die immer wieder auffällig geworden sind.
Roßlau stand in den letzten Monaten ohnehin mehr und mehr im Fokus Rechtsextremer. Schon vor ca. einem Jahr waren NPD Stadtrat Thomas Grey und andere Rechte in der Stadt aktiv geworden, als es hieß, dass künftig Geflüchtete in das alte leerstehende Pflegeheim in der Waldstraße ziehen würden.
Die Demos zogen sich über Wochen und Monate. Jeden Dienstag demonstrierten Menschen vor der geplanten Unterkunft. Als der Oberbürgermeister letzten Sommer in der Elbe-Rossel-Halle verkündete, dass das ehemalige Altenheim umfunktioniert werden sollte, sorgte das bereits im Vorfeld und natürlich während der Informationsveranstaltung für Furore. Rechte störten die Veranstaltung mit Gebrüll und Zwischenrufen. Auch der NPD Stadtrat meldet sich zu Wort und buhlt um die Gunst der Roßlauer. Und nicht wenige durfte er dann auch auf seinen „Nein zum Heim“ Demonstrationen begrüßen. Anfangs zeigten sich viele Roßlauer „Bürger“. Einige sichtlich verunsichert von der neuen Situation. Der Bitterfelder und Dessauer Neonazi- Kader sah da natürlich Zuwachs. Die Demonstrationen der Rechten zählten kontinuierliche Teilnehmerzahlen. Schon bald sogar auch mehr als der Gegenprotest. Doch Anfang diesen Jahres verloren auch die Neonazis Mobilisierungspotenzial. Trotzdem konnten sie wohl das Herz einiger Roßlauer „Bürger“ gewinnen. Denn auch am 08.10. zeigten sich angeblich „besorgte Bürger“ zwischen Hardcorenazis aus dem ganzen Land. Diese Beobachtungen bestätigen, dass die rechtsextreme Szene immer mehr Ansehen in der „Mitte der Gesellschaft“ findet. Schlimmer noch, sie verschmelzen langsam. Anders als in anderen Städten ist es in Roßlau nicht die AfD, die das Auffangbecken für xenophobes Gedankengut bietet, sondern die extrem Rechte.
Anfangs beteiligte sich die Brigade Bitterfeld noch stark an dem ziemlich schlechten Schauspiel in Roßlau. Seit einiger Zeit ziehen diese sich jedoch immer mehr zurück. Aber dies ist kein Grund nicht weiter Mimikry in der Stadt zu betreiben...ziemlich schlecht. Wer zwischen Transparenten und schwarz-weiß-roten Flaggen immer noch Grey's pseudodemokratisches Gerede als „Kritik am Asylsystem“ oder „Ängste“ ansieht, ist offensichtlich auf beiden rechten Augen blind.
Ja lieber Ortschaftsrat, liebe Dessau-Roßlauer, ES GIBT EIN NAZIPROBLEM!! Und das nicht erst seit gestern.
Der Marsch an diesem Oktoberwochenende ging schnell vorbei. Schließlich verlief alles vollkommen störungsfrei. Laut MZ dauerte „der Aufmarsch nur 80“...eh „100 Minuten“. Es kam eben auch zu keinerlei Protesten als der Lautsprecherwagen durch die Straßen fuhr und Rechtsrock durch die Boxen leierte.
Der Aufzug bewegte sich ab ca. 13 Uhr vom Bahnhof über die Dessauer Straße zum Anhaltiner Platz. Dort wo auch einige Gegenproteste im Zuge der „Nein zum Heim“-Demos stattfanden, brüllte nun „Kameradin Daniela“ wirres Zeug auf dem Platz, der früher mal Adolf-Hitler-Platz hieß.
In ihrer Rede spricht sie über „die ANTIFA“. Beispielsweise sagt sie, dass allein die Aussage „Deutsche sind keine Menschen“ genügen würde, um sie wegen „Volksverhetzung“ anzuklagen. Sie sieht „die ANTIFA“ als terroristische Organisation, die Verboten gehöre und deren Handeln von der Polizei gedeckelt werde. Die Größte Gefahr ginge vom Linksextremismus aus. Dies würden die Verfassungsschutzberichte klar zeigen, auch wenn diese von „den Medien“ „verzerrt“ wieder gegeben werden würden. Im Anschluss heißt es: „Die ANTIFA fordert den Volkstod[...]“
Die Strategie die die Rednerin verfolgt ist interessant, denn sie beruft sich auf das Grundgesetz. Nennt Paragrafen und beruft sich auf den Verfassungsschutz. Das Wort „Volkstod“ ist wohl aber alles andere als demokratisch oder im Sinne des Grundgesetzes. Ihre Rede ist das perfekte Beispiel, für die Strategie, die Neonazis in Roßlau verfolgen. Sie geben sich demokratisch. Und sie scheinen so auch einiges an Ansehen zu gewinnen. Zumindest echauffieren sich die wenigsten. Der Grund warum rechtsextreme Gewalttaten in Roßlau momentan wohl eher kein Thema sind, liegt wohl darin, dass dies dem Ruf der mittlerweile etablierten Politkader der rechtsextremen Strukturen in Dessau-Roßlau nur schaden würde. Die Neonazis genießen großen Zuspruch in ihrem Antiasylkurs aus alles Teilen der Bevölkerung. Deshalb meldet sich Thomas Grey auf dem Anhaltiner Platz auch noch einmal zu Wort. Er wolle der „Kameradin“ nicht in den Rücken fallen. Aber die Polizei mache nur ihren Job. Er sei sich sicher, dass, „wenn der Systemwandel kommt“, die Polizei auch diese Befehle ausführen würde. Sicher, dass sie – zusammen - „Deutschland wieder säubern“ werden, von denen „die „Deutschland verrecke“ schreien“.
Es ist ein Ton, der in Roßlau schon seit langem schallt. Es ist rechtsextreme Rhetorik die sich unverhohlen in die Tradition der NS-Zeit stellt. Gleichzeitig zeigt man sich demokratisch. Kein rollendes r, kein Wagner. Nein, scheinbar demokratische Reden die „die Heimat“ wahren wollen. Eben nicht mehr rechtsextrem, nur noch rechts. Und „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Seit einiger Zeit darf man in Roßlau vieles wieder sagen. Zu viel.
Die Nazis führten ihren Marsch dann unbehelligt weiter. Über den Marktplatz zur Ziegelstraße, wo sie jeweils noch Kundgebungen hielten und den Aufzug schließlich beendeten. Mitten in Roßlau.