Dresden. Mit sehr persönlichen Worten wendet sich Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert an die Einwohner der Stadt. Auslöser sind die Proteste am Tag der Deutschen Einheit, die bundesweit für negative Schlagzeile gesorgt haben. „Einige hundert Menschen haben die Feierlichkeiten genutzt, um ihren Frust und ihre Wut in unglaublicher Art und Weise abzulassen. Nicht nur an der Frauenkirche und dem Theaterplatz, sondern auch am Rathaus und auf der Straße. Nicht die 450 000 Festbesucherinnen und -besucher standen mehr im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Pöbler und Krakeeler“, schreibt das Stadtoberhaupt in einem offenen Brief.
Besonders bestürzend empfand Hilbert, dass bei den Feierlichkeiten in Dresden nicht nur Politiker verbal attackiert wurden. „Was ich nicht ertrage, sind die Beschimpfungen und Beleidigungen an Bürgerinnen und Bürger, die anders aussehen, eine andere Hautfarbe haben, einer anderen Religion angehören oder einfach nur eine andere Meinung haben. Ich ertrage nicht, dass eine Frau mit ihren Kindern an der Hand angeschrien wird, weil sie ein Kopftuch trägt“, schreibt Hilbert. Die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit hätten gezeigt, dass viele der Anhänger von Pegida den Respekt und die Achtung verloren haben.
Weiter heißt es in dem Brief, dass vieles in Deutschland und Dresden verbesserungsfähig sei. „Aber Hetze, Schmähungen, Hass und Rassismus waren und sind keine Gesprächsgrundlage“, so der Oberbürgermeister. Hilbert fordert die Dresdner auf, gegen Hetze und Hass auf die Straße zu gehen. „Ich glaube, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem wir uns die Frage stellen müssen, in welcher Stadt wir leben wollen“, schreibt der Rathauschef. „Wir dürfen unsere Stadt nicht in Geiselhaft von einer Gruppe wie Pegida nehmen lassen, die keinerlei konstruktiven Weg mehr beschreitet. Einer Gruppe, die keine Lösungen anbietet, kein Ziel verfolgt und deren Anführer sich in ihren zweifelhaften medialen Erfolgen feiern. Wir dürfen uns aber auch nicht in Sippenhaft nehmen lassen, für diese Krakeeler, deren Bilder um die Welt gehen. Wir müssen in der Lage sein, ein anderes Bild auszusenden.“
Der Dresdner Oberbürgermeister lädt deshalb am 17. Oktober ab 17 Uhr zu einem Bürgerfest auf den Neumarkt ein – jenem Tag, an dem in Frauenkirche auch der Sächsische Bürgerpreis verliehen wird. „Zeigen wir, dass es anders geht. Dass Dresden eine Stadt ist, in der trotz aller Unterschiede, ob nun in der Herkunft, der politischen oder religiösen Überzeugung, der Liebe zu einem Verein achtsam und respektvoll miteinander umgegangen wird“, schreibt Hilbert. Er selbst werde dafür ein Versprechen brechen. Denn eigentlich wollte der Rathauschef, der sich derzeit bei einer Vater-Kind-Kur befindet, auch am kommenden Montag nur auf sich und seinen Sohn konzentrieren. Doch für das Bürgerfest unterbricht er die Kur. „Das tut mir leid. Aber noch schlimmer wäre es, wenn wir weiterhin zusehen, wie unsere Stadt leidet“, schreibt der Dresdner Oberbürgermeister.