Dresden: Generalstaatsanwaltschaft ermittelt nach Anschlägen

Erstveröffentlicht: 
27.09.2016

Explosionen vor Moschee und Kongressgebäude / Polizei erhöht Schutz für islamische Einrichtungen / Caren Lay: Nein zum rassistischen Terror!

 

In Dresden sind vor einer Moschee und einem internationalen Kongressgebäude zwei Sprengstoffanschläge verübt worden. Verletzt wurde niemand. Das teilte die Polizei in der sächsischen Landeshauptstadt am Dienstagmorgen mit. Polizeipräsident Horst Kretzschmar sagte: «Beiden Anschläge stehen zeitlich im Zusammenhang. Auch wenn uns bislang kein Bekennerschreiben vorliegt, müssen wir von einem fremdenfeindlichen Motiv ausgehen. Gleichzeitig sehen wir auch eine Verbindung zu den Feierlichkeiten anlässlich des Tages der deutschen Einheit am kommenden Wochenende.»

 

Am Nachmittag wurde bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Ermittlungen zu den Sprengstoffanschlägen übernommen hat. Es wurde ein Verfahren gegen Unbekannt «wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion» eingeleitet, wie die Behörde am Dienstag mitteilte. Da der Verdacht einer politisch motivierten Straftat derzeit nicht ausgeschlossen werden könne, untersucht das Sonderdezernat «Politisch motivierte Kriminalität» die beiden Fälle. Für weitere Angaben zu den Ermittlungen sei es zu früh, sagte ein Sprecher.

 

Zum Zeitpunkt der Detonation befanden sich der Imam mit seiner Frau und den beiden Söhnen in der Moschee. Sie blieben unverletzt. Durch die Druckwelle der Explosion sei die Eingangstür nach innen gedrückt worden, teilte die Polizei mit. Im Gebäude sei Ruß abgelagert worden. Das Gotteshaus gehört zu türkisch-islamischen Religionsgemeinschaft Ditib. Bereits in der Vergangenheit war es zu Attacken auf die Moschee gekommen: Wiederholt war die Moschee bereits mit rassistischen Motiven beschmiert worden. Die Moschee befindet sich im Dresdner Stadtteil Cotta, dass Congress Center Dresden liegt nur wenige hundert Meter vom sächsischen Landtag entfernt.

 

An dem Kongressgebäude fanden Ermittler ebenfalls Reste eines selbstgebauten Sprengsatzes. Durch die Hitze der Detonation zersplitterte die Seite eines Glasquaders, der als Gestaltungselement Bestandteil der Freiterrasse diente. «Die Ereignisse haben natürlich Auswirkungen auf unsere laufenden Einsatzvorbereitungen. Ab sofort arbeiten wir im Krisenmodus! So werden wir in einem ersten Schritt weitere Objekte hinsichtlich ihrer Gefährdung neu bewerten und gegebenenfalls weitere Objektschutzmaßnahmen treffen», so Kretzschmar. 

 

Jahrestag des Oktoberfestattentats


Die Beamten wurden am Montagabend um 21.53 Uhr und um 22.19 Uhr über die Detonationen informiert. Der 26. September ist ein Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags auf das Oktoberfest 1980. Damals war die Bombe, die 13 Menschen in den Tod riss und über 2000 verletzte, gegen 22.19 Uhr detoniert.

 

In Dresden waren in der Nacht über 50 Polizeibeamte im Einsatz, darunter die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes Sachsen, zivile Fahnder, ein Mantrailer sowie Ermittler des operativen Abwehrzentrums der sächsischen Polizei. Die weiteren Ermittlungen hat das Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei übernommen. Noch in der Nacht stimmte Dresdens Polizeipräsident den Schutz islamischer Einrichtungen in Dresden mit dem türkischen Generalkonsul ab.

 

Dass die Polizei die Anschläge erst gegen acht Uhr am Dienstagmorgen meldete, zehn Stunden nach dem Vorfall, sorgt für Verwunderung. Ein Sprecher erklärte das am Dienstag mit den nötigen Ermittlungen. Die Fatih Moschee Dresden postete den Vorfall mit Fotos von der Explosion und ihren Folgen bereits in der Nacht auf Facebook. Zudem sperrte die Polizei Sachsen erst gegen 10.40 Uhr den Tatort ab. Zuvor waren zahlreiche Leute dort unterwegs. 

 

Familie des Imam: «Wir haben Angst»


#Dresden: Vielleicht begreift es die @cdusachsen jetzt: Wir haben kein Problem mit Linksextremismus, sondern eins mit Rechtsterrorismus.

— Michael Leutert (@MichaelLeutert) September 27, 2016
Michael Leutert

Auf Radio Dresden schildert Ibrahim Turan, der zehnjährige Sohn des Imam der betroffenen Fatih Moschee Dresden, wie die Familie den Anschlag erlebt hat. «Wir haben Angst, dass sie weiter angreifen», sagt der Sohn. Er habe abends gehört, wie etwas geworfen worden war, und anschließend durch das Fenster gesehen, wie es vor der Tür begann, zu brennen. Die Angreifer hätten Motorradhelme getragen und seien dann im Auto geflohen. Laut Angaben einer Nachbarin habe es sich um vier Männer gehandelt. Einige der Molotow-Cocktails hätten jedoch kein Feuer gefangen. Die Familie verließ rasch das Haus, Anwohner hätten sie vor der Moschee unterstützt. 

 

Reaktionen: «Nein zum rassistischen Terror»


Auf Twitter reagierten die ersten Politiker entsetzt. LINKE-Chef Bernd Riexinger kritisierte: «Rechtsextremer Terror wird seit Jahren vertuscht und verharmlost. Sicherheitskonzept gegen rassistische Gewalt? Fehlanzeige.» Die LINKE-Politikerin Caren Lay solidarisierte sich mit den Opfern. «Sie greifen unsere muslimischen NachbarInnen mit Bomben an und wollen unsere Weltoffenheit sprengen. Nein zum rassistischen Terror!», twitterte sie. Historische Parallelen zog die Thüringer Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling. «Da wird gerade die Ernte aus dem Wegschauen eingefahren. Das hatten wir schon».

 

Die antifaschistische Sprecherin der sächsischen Linksfraktion, Kerstin Köditz, wies darauf hin, dass mit dem aktuellen Anschlag, der «Gruppe Freital» und der «Oldschool Society» zum dritten Mal in kurzer Zeit eine mutmaßlich rechtsterroristische Gruppierung in Sachsen in Erscheinung getreten sei. «Zudem tagte gestern, unweit des Tatortes am Kongresszentrum, der NSU-Ausschuss des Sächsischen Landtages – womöglich handelt es sich um eine Drohgebärde», gab Köditz zu Bedenken. Die Anschläge seien der «Gipfel einer seit Monaten weithin ungebremsten Radikalisierung von rechts», die sich insbesondere im Raum Dresden beobachten lasse.

 

Besorgt schaute auch der antifaschistische Verein «Atticus», der sich für ein würdiges Miteinander in der Stadt einsetzt, auf die zunehmende Gewalt. «Die fremdenfeindliche Gewalt ist in Sachsen besonders hoch. Politik und Polizei muss nun endlich entschiedener handeln, wollen sie Schlimmeres verhindern», forderte der Vorsitzende Eric Hattke.

 

Sachsen werde «schon jetzt von vielen als 'failed State' bezeichnet, warnte die Sprecherin der Grünen Jugend Sachsen, Anne Kämmerer. Der Nationalsozialistische untergrund (NSU) haben »hier 13 Jahre lang untertauchen« können. Auch in Freital und anderen sächsischen Städten hätten rechte Gruppen jahrelang weitgehend unbehelligt agieren können. 

 

De Maizière erwartet von islamischen Verbänden mehr Auseinandersetzung mit Terror


Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verurteilte die Sprengstoffanschläge von Dresden. Es sei »umso empörender«, da der Angriff auf eine Moschee einen Tag vor dem Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Deutschen Islamkonferenz (DIK) verübt worden sei. Gleichzeitig brachte er die Anschläge mit dem Umgang der islamischen Verbände mit islamistischem Terror in Verbindung. Er könne verstehen, dass viele Muslime in Deutschland keine Lust hätten, sich für jeden Terroranschlag zu entschuldigen, der unter Berufung auf den Islam verübt werde, sagte der Minister am Dienstag. Von den islamischen Verbänden erwarte er aber »mehr«. »Ich halte es für ratsam, die Sicherheitsdebatte künftig wieder intensiver und auch öffentlich zu führen«, fügte er hinzu.

 

Der sächsische CDU-Innenpolitiker, Christian Hartmann, verurteilte die Anschläge. »Es ist nun wichtig, dass die Sicherheitsbehörden ihren Ermittlungen nachgehen können und die genauen Hintergründe klären«, sagte Hartmann. »Die Täter dürfen sich keinesfalls sicher sein, dass sie damit davon kommen.« Mit Blick auf die bevorstehenden Feierlichkeiten am Tag der Deutschen Einheit warnte der Innenpolitiker vor Panik. 

 

Pegida, Bachmann und die Einheitsfeier


Auch Pegida-Chef Lutz Bachmann äußerte sich am Dienstag zu den Vorkommnissen. Auf Facebook mutmaßte er, dass hinter den Anschlägen auch »islamistischen Gruppen (...) wegen Streit untereinander« stecken könnten. Auch eine »false flagg Aktion« hält der rechte Kleinkriminelle für möglich, mit dem Ziel, mittels einer Terrorwarnung die für den 3. Oktober in Dresden geplanten Demonstrationen zu untersagen. Für den Einheitsfeiertag hatte Pegida eine weitere Kundgebung angemeldet. mit Agenturen