Das braune Elend

Erstveröffentlicht: 
16.09.2016

Die öffentliche Darstellung der Ereignisse in Bautzen deckt die eigentlichen Täter, nämlich den organisierten Rechtsterrorismus. Ein Kommentar von Friedrich Burschel

 

Wer solche Medien hat, braucht keine „Lügenpresse“ mehr. Die öffentliche Darstellung der Ereignisse in Bautzen grenzt an unterlassene Hilfeleistung und Anstiftung zum Pogrom. Sie deckt die eigentlichen Täter, nämlich den organisierten Rechtsterrorismus in Deutschland.

 

„Polizei: Gewalt ging von Asylsuchenden aus“, „Krawalle in Bautzen: 'Stimmung ist bedrohlich und angespannt'“, „Alkoholverbot und Ausgangssperre für junge Flüchtlinge“ – die Geschichte geht so: Besoffene Flüchtlinge haben Krawall gemacht und bekommen dafür Hausarrest und Alkoholverbot, sie haben angefangen und sind ein Problem.

 

Aber jeder, der die zurückliegenden Monate Revue passieren lässt, auch ohne das braune Elend von Bautzen mit eigenen Augen gesehen zu haben, kann wissen, dass sich seit fast drei Jahren in Deutschland eine mörderische faschistische Bedrohung aufbaut. Organisierte Nazis und ein völkischer Mob finden zusammen. Seit 2014 bis Mitte 2016 hat es 2.500 Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte im ganzen Land gegeben - rassistische Angriffe, Beleidigungen und Demütigungen gar nicht mitgezählt. Diese Stimmung ist mit der Ankunft Zehntausender Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan und etlichen afrikanischen failed states ab Mitte 2015 nochmals gefährlich eskaliert und durch Politik, Behörden und Medien weiter angeheizt worden. Es verwundert nicht, dass, nachdem eine schwere Brandstiftung in Bautzen wie in tausend anderen Städten des Landes weitgehend ohne Konsequenzen blieb, deutsche Nazis sich ermächtigt fühlen, in diesem mörderischen Sinne fortzufahren und auf Geflüchtete loszugehen, die nicht mit der Solidarität ihrer Umgebung oder dem Schutz der Sicherheitsbehörden rechnen können.

 

In Bautzen verabredete man sich via Facebook zum „Ausländerklatschen“. Die Polizei wusste von nichts. Sie kommt erst dazu, als sich die 20 Bedrohten beginnen, gegen einen Mob von 80 (!) Nazis zu wehren: Schon das offiziell bestätigte Zahlenverhältnis beschreibt eine Notwehrsituation.

 

Polizei und Medien interpretieren es anders: Die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge seien – welch‘ Missbrauch des Gastrechts – nicht nur auf die zusammengerotteten teutonischen Herrenmenschen losgegangen, sondern sogar auf die Polizei.

 

Die neunziger Jahre scheinen auf: Auch damals war es üblich,  rassistische Angriffe zu „Auseinandersetzungen unter Jugendlichen“, zu „Krawallen“ und „Schlägereien“ und die Opfer zu Tätern zu erklären; eine Täter-Opfer-Umkehr, die einen pogromartigen Normalzustand zu einem „Integrationsproblem“ erklärt. Das haben „wir“ alles erlebt, und seither sind mehr als 180 Menschen von Rassisten umgebracht worden, eine Nazi-Killer-Zelle konnte ungehindert über Jahre morden und ein heldisches Beispiel setzen für mordbereite Nazis im ganzen Land. Das BKA hat erst im Januar davor gewarnt, dass sich im organisierten Neonazismus Zellen wie der NSU bilden könnten.

 

Angesichts dieses Zusammenspiels von Behörden, Medien, „besorgten Bürgern“ und ihren neuen Freunden, den organisierten Nazis in Deutschland, bleibt nur zu hoffen, dass noch genügend solidarische Menschen in diesem völlig verwahrlosten Sachsen übrig sind, die den Bedrängten von Bautzen und anderswo zur Seite stehen und mit ihnen die Notwehr organisieren.