Seit die Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla den türkischen Journalisten Can Dündar auf twitter beleidigt hat, hagelt es Kritik. Besonders pikant: Dündar wird in Leipzig für seine Arbeit ausgezeichnet.
Leipzig. Der Gegenwind für die Leipziger CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla nach ihrem beleidigenden Tweet über den türkischen Journalisten Can Dündar wird heftiger. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig verurteilte am Montag die Aussagen der Politikerin. „Can Dündar ist eine wichtige Stimme, die in der Türkei nicht gehört werden kann – und der löblicherweise in Deutschland ein angemessener Platz gegeben wird. Dass Frau Kudla diese Stimme offensichtlich zu präsent ist, ist traurig“, so Michelle Trimborn, Sprecherin des ECPMF in einer am Montag verbreiteten Mitteilung.
Am Freitag hatte Kudla auf ihrem Twitter-Account den mehrfach ausgezeichneten Journalisten als „Cansel Dünnschiss“ bezeichnet, nachdem dieser in einem ZDF-Interview vor einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gewarnt hatte. „Wissen wir selbst“, schrieb Kudla. Der Tweet sorgte im Netz für Empörung. Der Deutsche Journalisten Verband (DJV) forderte eine Entschuldigung. „Mit großem Befremden haben wir Ihren Twitter-Eintrag zu Can Dündar zur Kenntnis genommen. Die Art und Weise, wie Sie seinen Namen verunstalten und damit suggerieren, er würde nur Schlechtes von sich geben, ist unserer Meinung nach einer Bundestagsabgeordneten nicht würdig“, heißt es in einem offenen Brief des DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall und der Vorsitzenden des DJV Sachsen, Ine Dippmann, an die CDU-Abgeordnete.
Cansel #Dünnschiss, pardon, Can #Dündar sagt, #Beitrittsverhandlungen mit #Türkei nicht abbrechen. Wissen wir selbst.
— Bettina Kudla (@KudlaLeipzig) September 9, 2016
Was den Vorgang besonders pikant macht: Gemeinsam mit seinem Kollegen Erdem Gül erhält Can Dündar am 7. Oktober in Leipzig den mit insgesamt 30.000 Euro dotierten „Preis für die Freiheit und die Zukunft der Medien“, verliehen von der hiesigen Medienstiftung der Sparkasse, die auch Träger des ECPMF ist. Gül und Dündar waren wegen ihrer Enthüllungen zu Waffenlieferungen der Regierung an Extremisten in Syrien zu Haftstrafen verurteilt worden. Dündar ist derzeit im Exil. Das Zentrum hatte ihn und Gül bereits seit langem unterstützt im Kampf gegen Repressionen durch das türkische Regime.
Eine LVZ-Anfrage ließ Bettina Kudla am Montag unbeantwortet, gegenüber dem ECPMF sagte sie laut der Mitteilung, ihr gehe es im Grunde „nicht um Kritik an dem türkischen Journalisten Can Dündar, sondern um Kritik an dem Beitrag im heute-journal vom 8.9.2016“. Dündars Aussagen seien durch die Länge des Beitrages „überhöht“ dargestellt worden, zudem sei er als Einziger zu Fragen der deutschen Türkei-Politik zu Wort gekommen – nicht jedoch „gewählte Volksvertreter“. Das ECPMF nehme diese Kritik an den deutschen Medien zur Kenntnis, sagte dazu Sprecherin Trimborn. „Beleidigungen sind jedoch sicher kein Weg zu der objektiven politischen Berichterstattung, die Frau Kudla einfordert.“
Von Jürgen Kleindienst