Ballstädt-Prozess: Ungeschwärzte Akten liegen vor

Erstveröffentlicht: 
07.09.2016

Thüringer Verfassungsschutz hat geliefert. Richter Pröbstel appelliert an die Angeklagten ihr Schweigen im Prozess zu überdenken

 

Holger Pröbstel am Dienstag zu Beginn des Verhandlungstags im Ballstädt-Prozess vor der Jugendkammer am Erfurter Landgericht den Anwesenden mit. Zugleich erhielten die Prozessbeteiligten Kopien der aktuellen Unterlagen des Nachrichtendienstes.

 

Das Gericht hatte die Dokumente angefordert und die Nebenkläger diese noch einmal per Klage erstritten, weil Hinweise zu den polizeilichen Ermittlungen nach dem rechtsextremen Überfall auf eine Kirmesgesellschaft im Februar 2014 in Ballstädt von einer Telefonüberwachung des Verfassungsschutzes stammten. Ob die Telefone damals zu Recht belauscht wurden, versucht der Prozess nun zu klären. Erst dann könnten die Inhalte der belauschten Telefongespräche auch in den Prozess eingeführt werden können. 

 

Waffengeschäfte als Anlass der Abhöraktion


An Hand der früher übergebenen Akten des Verfassungsschutzes war diese Prüfung bisher nicht möglich, weil entscheidende Passagen geschwärzt wurden. Das Gericht ließ diesmal erkennen, dass die nun übergebenen Unterlagen nach einer ersten Durchsicht ausreichend für eine Prüfung sein könnten. Ähnlich äußerte sich nach der gestrigen Verhandlung auch die Nebenklage.

 

Anlass der nachrichtendienstlichen Abhöraktion waren damals vermutete Waffengeschäfte zwischen Thüringer und Österreicher Rechtsextremisten. Im Freistaat erfolgten in diesem Zusammenhang Ende August 2013 Razzien in Erfurt sowie in Crawinkel und Ballstädt im Kreis Gotha. Als Zeuge war am Dienstag ein Ermittler der damaligen Soko beim Landeskriminalamt (LKA) geladen. Die Prozessbeteiligten verständigten sich vor seiner Befragung darauf, den Kriminalbeamten nur zur Vernehmungssituation nicht, aber zu Inhalten des Verhörs eines der Angeklagten zu befragen. Einige der Verteidiger gehen davon aus, dass die Telefonüberwachung nicht zulässig war.

 

Weil der Name dieses Angeklagten damals offenbar aus den belauschten Telefongesprächen stammt, hätte gegen ihn nicht ermittelt werden dürfen, argumentieren sie. Die Nebenklage sieht das anders. Der Göttinger Nebenklageanwalt Sven Adam betonte in einer Erklärung, dass ein am vergangenen Verhandlungstag vorgestelltes DNA-Gutachten des LKA vier der insgesamt 15 Angeklagten schwer belastet. Richter Pröbstel nutzte die Gelegenheit, an die Angeklagten zu appellieren, ihr Schweigen im Prozess noch einmal zu überdenken.