In Mecklenburg-Vorpommern ist bald Landtagswahl. Ein Verein wirbt massiv für die AfD. Die AfD sagt, sie wisse nicht, wer dahinter steckt. Wer rausfinden will, welche Leute sich im Geheimen für die Partei einsetzen, erlebt einige Überraschungen.
Die
AfD in Mecklenburg-Vorpommern erhält in diesen Tagen geheimnisvolle
Unterstützung im Wahlkampf. Ein Verein lässt große Plakate aufstellen,
auf denen es heißt: „Mehr Schutz für Familie und Eigentum! Jetzt AfD
wählen“. Und: „Damit Deutschland nicht zerstört wird! Jetzt AfD wählen“.
Der Verein hat eine zehnseitige Zeitung produziert, die seit ein paar
Tagen an die Haushalte des Bundeslandes verteilt wird; sie heißt
„Extrablatt für die Landtagswahl“, enthält zahlreiche
Anti-Merkel-Artikel und empfiehlt, die AfD zu wählen. Auf Youtube lässt
der Verein Werbung schalten: „Wir empfehlen: Jetzt AfD wählen“. Wer
steckt dahinter? Das müsste der Verein leicht beantworten können; will
er aber nicht. Wer sich ein bisschen mit ihm beschäftigt, ahnt bald,
warum.
Der Verein heißt „Verein zur Erhaltung der
Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Er ist nicht neu.
Schon vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg
hatte er sich für die AfD eingesetzt, damals nannte er sich noch
„Vereinigung“ statt „Verein“; er bezahlte Plakate und gab auch für beide
Länder ein „Extrablatt“ heraus. Im Impressum stand dort als
Chefredakteur der fränkische AfD-Politiker Josef Konrad – ein
Medienprofi, der in Leipzig einen Verlag betreibt und AfD-Publikationen
herausgibt. Was hatte die AfD mit der Werbeaktion zu tun? Der Verdacht
kam auf, es sollte auf diese Weise eine illegale Parteispende getarnt
werden. Die AfD hätte dann gegen das Transparenzgebot verstoßen, das das
Parteiengesetz festschreibt.
Die „Bild“-Zeitung berichtete von
zwölf anonymen Millionären, die der AfD die Werbung spendiert hätten.
Davon wollte die AfD freilich nichts wissen. Die Spitzenkandidaten in
den Ländern, in denen gewählt wurde, beteuerten, nichts von der Aktion
gewusst zu haben. Die Plakate seien plötzlich einfach dagewesen. Damals
sagte die Rechtsprofessorin Sophie Lenski dem „Spiegel“, der Verdacht
einer verschleierten Zuwendung liege in dem Fall sehr nahe. Leider
genüge es in der Praxis, dass die Empfänger ihre Unkenntnis über die
Zuwendung behaupteten.
Impressum ohne Name und Person
Jetzt
wieder das Gleiche. Der Spitzenkandidat der AfD in
Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, sagte der F.A.S. vor zehn Tagen,
er habe absolut keine Ahnung, wer hinter der Werbeaktion stecke.
„Lustig, dass Sie fragen.“ Denn gerade erst seien ihm selbst die Plakate
auch aufgefallen. Sie hätten ihn überrascht, es habe vorher keinerlei
Absprachen darüber mit ihm gegeben. Aber woher kommt dann das Geld für
die Kampagne, welche Leute organisieren sie, und warum so geheim? Nichts
liegt näher, als das bei dem Verein zu erfragen, der „Herausgeber“ des
„Extrablattes“ ist und dessen Internetadresse unten aufgedruckt ist auf
die riesigen Wahlplakate: rechtundfreiheit.de. Auf dieser Internetseite
haben sich in den vergangenen Tagen einige Dinge getan.
Vor zehn
Tagen stand im Impressum kein Name einer Person. Verantwortlich für den
Inhalt sei besagter „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und
bürgerlichen Freiheiten“, hier versehen mit dem Zusatz „e.V.“,
eingetragener Verein. Wer steckte dahinter? Im Vereinsregister fand sich
kein Eintrag. Die Domain der Internetseite war allerdings auf einen
bekannten Namen registriert: auf Josef Konrad, den „Extrablatt“-Macher
aus den zwei vorigen Wahlkämpfen. Auch seine Leipziger Telefonnummer
stand dabei.
Am Telefon sagte Konrad am 11.August, er habe in der
Tat die Seite betreut im Wahlkampf von Baden-Württemberg; jetzt sei er
aber gar nicht mehr zuständig. Er wisse nicht, wer jetzt zuständig sei.
Im gleichen Atemzug allerdings ergänzte Konrad, er gebe Namen nicht
heraus. „Sie müssen eine E-Mail dahin schreiben.“ Wer da dann antworte?
„Das sage ich Ihnen nicht.“ Auf die E-Mail-Anfrage antwortete noch am
selben Tag eine „Viktoria Müller, Sekretariat“. Sie schrieb, dass Konrad
seit Ende März nicht mehr für die „Vereinigung“ tätig sei und bat
darum, dass eventuelle Fragen per E-Mail eingereicht würden; sie würden
dann schriftlich beantwortet.
„Herr Paulwitz ist nicht Mitglieder einer Partei.“
Auf
diesem Wege wurde mitgeteilt: Man verstehe sich momentan als „lose
Vereinigung ohne jegliche vereinsmäßige Strukturen. Ein Verein ist in
Gründung.“ Außerdem stehe man „in keinster Weise mit irgendwelchen
Parteien oder deren Vertretern in Verbindung“; auch Absprachen fänden
nicht statt. Im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern engagiere man sich
in der Tat; der Umfang hänge von der Höhe der Spenden ab, die eingingen.
Die Vereinigung verfüge über „6400 aktive Unterstützer, und täglich
werden es mehr“. Auf der Internetseite bezeichnet sich der Verein als
„parteiunabhängig“. Dazu hieß es in der E-Mail, zwar habe man bislang
nur eine Wahlempfehlung für die AfD beschlossen, behalte sich aber vor,
auch andere Parteien oder Politiker unabhängig von ihrer
Parteizugehörigkeit zur Wahl zu empfehlen. Ein Leiter der Vereinigung
oder ein Verantwortlicher für deren Aktivitäten wurde auf Nachfrage
nicht benannt.
Inzwischen war der Zusatz „e.V.“ aus dem Impressum
der Internetseite verschwunden. Zwei Tage nach dem Telefonat mit Konrad
war plötzlich auch sein Name aus der Registrierungsdatenbank getilgt;
als Inhaber der Domain war nun ein Mann namens Michael Paulwitz,
Stuttgart, eingetragen. Dieser Name erschien jetzt auch im Impressum auf
der Seite des Vereins; Paulwitz sei „Betreiber dieser Seite“. Wieder
E-Mail an „Viktoria Müller, Sekretariat“: ob ein Gespräch mit Herrn
Paulwitz möglich sei? „Herr Paulwitz steht nicht telefonisch für
Auskünfte zur Verfügung.“
Michael Paulwitz wird der Neuen Rechten
zugeordnet. Er arbeitet als Publizist; zum Beispiel veröffentlichte er
gemeinsam mit dem Verleger Götz Kubitschek ein Buch in dessen Verlag
(„Deutsche Opfer, fremde Täter“) und trat zu Lesungen bei Vereinigungen
auf, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden, etwa
bei der „Bürgerbewegung Pro NRW“. Er schreibt für die Zeitung „Junge
Freiheit“ und betreibt eine Agentur in Stuttgart. Parteipolitisch ist er
auch schon aufgefallen; allerdings nicht bei der AfD, sondern bei den
Republikanern. Er war unter anderem deren Pressesprecher und trat noch
bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg als Ersatzbewerber für
sie an. Frage an „Viktoria Müller, Sekretariat“: „Ist Herr Paulwitz in
einer Partei Mitglied?“ Die Antwort kam vier Tage später, am vergangenen
Mittwoch: „Herr Paulwitz ist nicht Mitglieder einer Partei.“ Das ist
natürlich erst mal ein bisschen überraschend, wenn jemand lange Jahre
aktives und anscheinend auch nicht unzufriedenes Mitglied einer Partei
war, eben der Republikaner.
Interviews mit den Landesvorsitzenden Jörg Meuthen und Uwe Junge
Überrascht
zeigte sich von dem plötzlichen Mitgliederschwund auch der
Kreisvorsitzende der Republikaner in Stuttgart, Thomas Melber. Am
Telefon sagte er am Donnerstag, seines Wissens sei Michael Paulwitz
durchaus Mitglied der Republikaner, er sei schließlich „mein
stellvertretender Kreisvorsitzender“. Man habe zwar einige Wochen keinen
Kontakt gehabt, aber: „Mitgliederveränderungen gehen eigentlich über
meinen Schreibtisch.“ Melber sagte, er werde mal nachhören bei Paulwitz.
Kurz darauf kam eine E-Mail von Melber: „Habe nachgefragt, ich denke,
Hr. Paulwitz wird sich dann auch bei Ihnen melden.“ Was Paulwitz denn
auf die Nachfrage hin gesagt habe? „Ich denke, er soll sich selbst
hierzu äußern.“ Auf die hoffnungsvolle Entgegnung, dass dies schön wäre,
kam etwas später die Mitteilung von Melber, Paulwitz habe ihn „gebeten,
Ihnen seinen Parteiaustritt zu bestätigen“. Auf die Frage, ob er,
Melber, den Austritt Paulwitzens also bestätige: „Ja“. Zu der Frage,
wann Paulwitz denn ausgetreten sei, schrieb Melber: „Details sollten Sie
mit Hr. Paulwitz selbst besprechen.“ Aber der spricht ja nicht.
Ungewöhnlich
für einen, der auf der Suche nach Spendern und Unterstützern ist. Es
scheint, als wollte Paulwitz nichts Falsches sagen. Oder hat er
vielleicht gar nichts zu sagen, weil er nur ein Strohmann Konrads ist?
Ungewöhnlich ist auch das neue „Extrablatt“, das der Verein diese Woche
herausgebracht hat. Es unterscheidet sich in entscheidenden Punkten von
den zwei vorigen Ausgaben. Zum einen steht im Impressum diesmal nicht
mehr Josef Konrad, aber auch kein anderer Name eines Verantwortlichen –
nur der Verein. Zum anderen kommen in der Gratiszeitung nun keine
AfD-Politiker mehr groß zu Wort.
In den vorigen Ausgaben waren
Interviews mit den Landesvorsitzenden Jörg Meuthen und Uwe Junge
abgedruckt gewesen. Das hatte die Frage aufgeworfen, ob sie wirklich von
der Kampagne überrascht worden waren, da sie doch mit der
Kampagnenzeitung gesprochen hatten. Ihre Erklärung war, dass sie einer
anderen Publikation Konrads Interviews gegeben hatten, nicht aber dem
„Extrablatt“. Das erschien jetzt wohl zu heikel. Spitzenkandidat Holm
wird in einem kleinen Artikel porträtiert; der Text klingt so, als
stelle ein Lehrer seinem Lieblingsschüler ein Einserzeugnis aus: „Seine
Argumente zeugen von guter Information und werden nachvollziehbar
dargelegt.“
Telefonnummer mit Leipziger Vorwahl
Die
Artikel im „Extrablatt“ sind mit Kürzeln gezeichnet, die im Impressum
aufgeschlüsselt werden. Die mit Abstand meisten Texte stammen aus der
Feder von „vm“, ausgewiesen als „Viktoria Müller“. Etwa „Viktoria
Müller, Sekretariat“? Das wäre dann allerdings eine sehr einflussreiche
Sekretärin. Sie kommentiert den Brexit („ein ,No‘ zur
EU-Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen“), die Griechenland-Politik
der EU („Schrecken ohne Ende“), die angebliche Abschaffung der
Meinungsfreiheit („Umso mehr geht es jetzt darum, auch dieser
Unterdrückungskultur bei den nächsten Wahlen eine klare Absage zu
erteilen“). Während die Sekretärin offenbar Artikel um Artikel
runtergeschrieben hat, ist ihr Chef, Profi-Schreiber Paulwitz, mit
keinem einzigen Beitrag im „Extrablatt“ vertreten; der Autor mit den
zweitmeisten Artikeln nennt sich Friedrich Prökelwitz, null Treffer bei
Google.
Ganz hat Konrad seine Spuren aber noch nicht verwischt.
In der Registrierungsdatenbank steht jetzt zwar Paulwitz als Inhaber der
Seite rechtundfreiheit.de. Auch dessen Postanschrift in Stuttgart ist
angegeben. Die Telefonnummer dazu aber hat eine Leipziger Vorwahl; es
ist Josef Konrads Anschluss.
Deutscher Burschenschafter Michael Paulwitz
Erneut ein rechter Aktivist Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter