Die geheimen Helfer der AfD

Plakate, die für die AfD werben, aber nicht von der AfD sind: Der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten steckt dahinter.
Erstveröffentlicht: 
21.08.2016

In Mecklenburg-Vorpommern ist bald Landtagswahl. Ein Verein wirbt massiv für die AfD. Die AfD sagt, sie wisse nicht, wer dahinter steckt. Wer rausfinden will, welche Leute sich im Geheimen für die Partei einsetzen, erlebt einige Überraschungen.

 

Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern erhält in diesen Tagen geheimnisvolle Unterstützung im Wahlkampf. Ein Verein lässt große Plakate aufstellen, auf denen es heißt: „Mehr Schutz für Familie und Eigentum! Jetzt AfD wählen“. Und: „Damit Deutschland nicht zerstört wird! Jetzt AfD wählen“. Der Verein hat eine zehnseitige Zeitung produziert, die seit ein paar Tagen an die Haushalte des Bundeslandes verteilt wird; sie heißt „Extrablatt für die Landtagswahl“, enthält zahlreiche Anti-Merkel-Artikel und empfiehlt, die AfD zu wählen. Auf Youtube lässt der Verein Werbung schalten: „Wir empfehlen: Jetzt AfD wählen“. Wer steckt dahinter? Das müsste der Verein leicht beantworten können; will er aber nicht. Wer sich ein bisschen mit ihm beschäftigt, ahnt bald, warum.

Der Verein heißt „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Er ist nicht neu. Schon vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hatte er sich für die AfD eingesetzt, damals nannte er sich noch „Vereinigung“ statt „Verein“; er bezahlte Plakate und gab auch für beide Länder ein „Extrablatt“ heraus. Im Impressum stand dort als Chefredakteur der fränkische AfD-Politiker Josef Konrad – ein Medienprofi, der in Leipzig einen Verlag betreibt und AfD-Publikationen herausgibt. Was hatte die AfD mit der Werbeaktion zu tun? Der Verdacht kam auf, es sollte auf diese Weise eine illegale Parteispende getarnt werden. Die AfD hätte dann gegen das Transparenzgebot verstoßen, das das Parteiengesetz festschreibt.

Die „Bild“-Zeitung berichtete von zwölf anonymen Millionären, die der AfD die Werbung spendiert hätten. Davon wollte die AfD freilich nichts wissen. Die Spitzenkandidaten in den Ländern, in denen gewählt wurde, beteuerten, nichts von der Aktion gewusst zu haben. Die Plakate seien plötzlich einfach dagewesen. Damals sagte die Rechtsprofessorin Sophie Lenski dem „Spiegel“, der Verdacht einer verschleierten Zuwendung liege in dem Fall sehr nahe. Leider genüge es in der Praxis, dass die Empfänger ihre Unkenntnis über die Zuwendung behaupteten.

Impressum ohne Name und Person

Jetzt wieder das Gleiche. Der Spitzenkandidat der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm, sagte der F.A.S. vor zehn Tagen, er habe absolut keine Ahnung, wer hinter der Werbeaktion stecke. „Lustig, dass Sie fragen.“ Denn gerade erst seien ihm selbst die Plakate auch aufgefallen. Sie hätten ihn überrascht, es habe vorher keinerlei Absprachen darüber mit ihm gegeben. Aber woher kommt dann das Geld für die Kampagne, welche Leute organisieren sie, und warum so geheim? Nichts liegt näher, als das bei dem Verein zu erfragen, der „Herausgeber“ des „Extrablattes“ ist und dessen Internetadresse unten aufgedruckt ist auf die riesigen Wahlplakate: rechtundfreiheit.de. Auf dieser Internetseite haben sich in den vergangenen Tagen einige Dinge getan.

Vor zehn Tagen stand im Impressum kein Name einer Person. Verantwortlich für den Inhalt sei besagter „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, hier versehen mit dem Zusatz „e.V.“, eingetragener Verein. Wer steckte dahinter? Im Vereinsregister fand sich kein Eintrag. Die Domain der Internetseite war allerdings auf einen bekannten Namen registriert: auf Josef Konrad, den „Extrablatt“-Macher aus den zwei vorigen Wahlkämpfen. Auch seine Leipziger Telefonnummer stand dabei.

Am Telefon sagte Konrad am 11.August, er habe in der Tat die Seite betreut im Wahlkampf von Baden-Württemberg; jetzt sei er aber gar nicht mehr zuständig. Er wisse nicht, wer jetzt zuständig sei. Im gleichen Atemzug allerdings ergänzte Konrad, er gebe Namen nicht heraus. „Sie müssen eine E-Mail dahin schreiben.“ Wer da dann antworte? „Das sage ich Ihnen nicht.“ Auf die E-Mail-Anfrage antwortete noch am selben Tag eine „Viktoria Müller, Sekretariat“. Sie schrieb, dass Konrad seit Ende März nicht mehr für die „Vereinigung“ tätig sei und bat darum, dass eventuelle Fragen per E-Mail eingereicht würden; sie würden dann schriftlich beantwortet.


„Herr Paulwitz ist nicht Mitglieder einer Partei.“

Auf diesem Wege wurde mitgeteilt: Man verstehe sich momentan als „lose Vereinigung ohne jegliche vereinsmäßige Strukturen. Ein Verein ist in Gründung.“ Außerdem stehe man „in keinster Weise mit irgendwelchen Parteien oder deren Vertretern in Verbindung“; auch Absprachen fänden nicht statt. Im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern engagiere man sich in der Tat; der Umfang hänge von der Höhe der Spenden ab, die eingingen. Die Vereinigung verfüge über „6400 aktive Unterstützer, und täglich werden es mehr“. Auf der Internetseite bezeichnet sich der Verein als „parteiunabhängig“. Dazu hieß es in der E-Mail, zwar habe man bislang nur eine Wahlempfehlung für die AfD beschlossen, behalte sich aber vor, auch andere Parteien oder Politiker unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit zur Wahl zu empfehlen. Ein Leiter der Vereinigung oder ein Verantwortlicher für deren Aktivitäten wurde auf Nachfrage nicht benannt.

Inzwischen war der Zusatz „e.V.“ aus dem Impressum der Internetseite verschwunden. Zwei Tage nach dem Telefonat mit Konrad war plötzlich auch sein Name aus der Registrierungsdatenbank getilgt; als Inhaber der Domain war nun ein Mann namens Michael Paulwitz, Stuttgart, eingetragen. Dieser Name erschien jetzt auch im Impressum auf der Seite des Vereins; Paulwitz sei „Betreiber dieser Seite“. Wieder E-Mail an „Viktoria Müller, Sekretariat“: ob ein Gespräch mit Herrn Paulwitz möglich sei? „Herr Paulwitz steht nicht telefonisch für Auskünfte zur Verfügung.“

Michael Paulwitz wird der Neuen Rechten zugeordnet. Er arbeitet als Publizist; zum Beispiel veröffentlichte er gemeinsam mit dem Verleger Götz Kubitschek ein Buch in dessen Verlag („Deutsche Opfer, fremde Täter“) und trat zu Lesungen bei Vereinigungen auf, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden, etwa bei der „Bürgerbewegung Pro NRW“. Er schreibt für die Zeitung „Junge Freiheit“ und betreibt eine Agentur in Stuttgart. Parteipolitisch ist er auch schon aufgefallen; allerdings nicht bei der AfD, sondern bei den Republikanern. Er war unter anderem deren Pressesprecher und trat noch bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg als Ersatzbewerber für sie an. Frage an „Viktoria Müller, Sekretariat“: „Ist Herr Paulwitz in einer Partei Mitglied?“ Die Antwort kam vier Tage später, am vergangenen Mittwoch: „Herr Paulwitz ist nicht Mitglieder einer Partei.“ Das ist natürlich erst mal ein bisschen überraschend, wenn jemand lange Jahre aktives und anscheinend auch nicht unzufriedenes Mitglied einer Partei war, eben der Republikaner.


Interviews mit den Landesvorsitzenden Jörg Meuthen und Uwe Junge

Überrascht zeigte sich von dem plötzlichen Mitgliederschwund auch der Kreisvorsitzende der Republikaner in Stuttgart, Thomas Melber. Am Telefon sagte er am Donnerstag, seines Wissens sei Michael Paulwitz durchaus Mitglied der Republikaner, er sei schließlich „mein stellvertretender Kreisvorsitzender“. Man habe zwar einige Wochen keinen Kontakt gehabt, aber: „Mitgliederveränderungen gehen eigentlich über meinen Schreibtisch.“ Melber sagte, er werde mal nachhören bei Paulwitz. Kurz darauf kam eine E-Mail von Melber: „Habe nachgefragt, ich denke, Hr. Paulwitz wird sich dann auch bei Ihnen melden.“ Was Paulwitz denn auf die Nachfrage hin gesagt habe? „Ich denke, er soll sich selbst hierzu äußern.“ Auf die hoffnungsvolle Entgegnung, dass dies schön wäre, kam etwas später die Mitteilung von Melber, Paulwitz habe ihn „gebeten, Ihnen seinen Parteiaustritt zu bestätigen“. Auf die Frage, ob er, Melber, den Austritt Paulwitzens also bestätige: „Ja“. Zu der Frage, wann Paulwitz denn ausgetreten sei, schrieb Melber: „Details sollten Sie mit Hr. Paulwitz selbst besprechen.“ Aber der spricht ja nicht.

Ungewöhnlich für einen, der auf der Suche nach Spendern und Unterstützern ist. Es scheint, als wollte Paulwitz nichts Falsches sagen. Oder hat er vielleicht gar nichts zu sagen, weil er nur ein Strohmann Konrads ist? Ungewöhnlich ist auch das neue „Extrablatt“, das der Verein diese Woche herausgebracht hat. Es unterscheidet sich in entscheidenden Punkten von den zwei vorigen Ausgaben. Zum einen steht im Impressum diesmal nicht mehr Josef Konrad, aber auch kein anderer Name eines Verantwortlichen – nur der Verein. Zum anderen kommen in der Gratiszeitung nun keine AfD-Politiker mehr groß zu Wort.

In den vorigen Ausgaben waren Interviews mit den Landesvorsitzenden Jörg Meuthen und Uwe Junge abgedruckt gewesen. Das hatte die Frage aufgeworfen, ob sie wirklich von der Kampagne überrascht worden waren, da sie doch mit der Kampagnenzeitung gesprochen hatten. Ihre Erklärung war, dass sie einer anderen Publikation Konrads Interviews gegeben hatten, nicht aber dem „Extrablatt“. Das erschien jetzt wohl zu heikel. Spitzenkandidat Holm wird in einem kleinen Artikel porträtiert; der Text klingt so, als stelle ein Lehrer seinem Lieblingsschüler ein Einserzeugnis aus: „Seine Argumente zeugen von guter Information und werden nachvollziehbar dargelegt.“


Telefonnummer mit Leipziger Vorwahl

Die Artikel im „Extrablatt“ sind mit Kürzeln gezeichnet, die im Impressum aufgeschlüsselt werden. Die mit Abstand meisten Texte stammen aus der Feder von „vm“, ausgewiesen als „Viktoria Müller“. Etwa „Viktoria Müller, Sekretariat“? Das wäre dann allerdings eine sehr einflussreiche Sekretärin. Sie kommentiert den Brexit („ein ,No‘ zur EU-Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen“), die Griechenland-Politik der EU („Schrecken ohne Ende“), die angebliche Abschaffung der Meinungsfreiheit („Umso mehr geht es jetzt darum, auch dieser Unterdrückungskultur bei den nächsten Wahlen eine klare Absage zu erteilen“). Während die Sekretärin offenbar Artikel um Artikel runtergeschrieben hat, ist ihr Chef, Profi-Schreiber Paulwitz, mit keinem einzigen Beitrag im „Extrablatt“ vertreten; der Autor mit den zweitmeisten Artikeln nennt sich Friedrich Prökelwitz, null Treffer bei Google.

Ganz hat Konrad seine Spuren aber noch nicht verwischt. In der Registrierungsdatenbank steht jetzt zwar Paulwitz als Inhaber der Seite rechtundfreiheit.de. Auch dessen Postanschrift in Stuttgart ist angegeben. Die Telefonnummer dazu aber hat eine Leipziger Vorwahl; es ist Josef Konrads Anschluss.