Ausgerechnet mit einer Adbusting-Aktion im Berliner Wahlkampf vor Henkels Innensenat am Molkenmarkt kritisieren unbekannte Plakatkünstler*innen der Gruppe „Henkelz Homies“ die Innenpolitik von Grünen und Linken. Vor der Kulisse von „Henkels Home“ legt nun eine sprechblasenförmige Plakatstörer*in dem Spitzenkandidaten der Linken, Klaus Lederer, den Spruch „Polizeigewalt: Auch für uns ein nötiges Übel der Herrschaftssicherung“ in den Mund. Und die radfahrende Figur im Motiv der Grünen sagt: „Legal? Illegal? Allen Innensenator*innen scheißegal.“ Mit dem Kurz-Link bit.ly/kleineresübel verweist die Gruppe zudem auf einen Text im Internet, der bezweifelt, dass die Oppositionsparteien beim Wahlkampfthema „Polizeigewalt“ eine Alternative seien.
Leben in Freiheit, Gleichheit und Solidarität nur ohne Innensenator*innen
Die Künstler*innengruppe möchte mit der Aktion das aktuelle Henkel-Bashing kritisieren: „Nicht Henkel ist das Problem, sondern der Fakt, dass es Innensenator*innen gibt“, erklärt die Gruppe, „Wer es Ok findet, dass Entscheidungen im demokratischen Herrschaftsregime im Zweifelsfall mit Gewalt durchgesetzt werden, muss damit leben, wenn Innensenator*innen ihre Truppen auch zum Schutz von Mafia-Miethaien einsetzen.“ Deshalb reiche die aktuelle, sehr verbreitete Kritik an Henkel nicht aus, um ein Leben in Freiheit, Gleichheit und Solidarität zu ermöglichen.
Henkel-Kritik ist „so berlin!“
Tatsächlich hat Innensenator Frank Henkel, der der Hausherr am Molkenmarkt ist, nicht mehr allzu viele Freunde in der Stadt. Der regierende Bürgermeister Müller (SPD) kündigte an, dass „nur eine Koalition jenseits der Henkel-CDU“ ein besseres Berlin gestalten könne.
Stellvertretend für das konservative Bildungsbürger*innentum distanzierte sich bereits am 13.7.2016 der Chefredakteur des "Tagesspiegels", Lorenz Marold, in einem Kommentar unter der Überschrift „Legal, illegal, Abgeordnetenhauswahl“ von Franky: „ Es gibt kein realistisches Szenario mehr, das die CDU mit Henkel an der Spitze noch einmal zurück in den Senat führt“.
Und populäre Neumitglieder der SPD wie der Schauspieler Clemens Schick erteilen einer erneuten Koalition mit der CDU wegen Franky Henkel eine Absage: „Ich könnte auf unseren Innensenator verzichten“.
Henkel-Kritiker*innen als kurzsichtige Idiot*innen?
So schön diese Ansagen auch sein mögen, sie sagen leider wenig über Henkel aus, sondern viel mehr über die politische Kurzsichtigkeit der Zitierten. Denn Franky war 2008 schon scheiße. Wer es hätte wissen wollen, hätte damals schon erfahren können, dass Franky wie selbstverständlich Mitglied in der schlagenden Studentenverbindung „Sängerschaft Borussia Berlin“ ist.
Und selbst jener „Welt“-Artikel von 2008, der die schlagende Verbindung als „Gesangsverein“ verharmlost, merkt bereits an, dass Frankys „Proll-Image“ und seine Forderungen nach mehr Überwachung, mehr Polizei und mehr Abschiebungen dem Bild der CDU als eine urbane Metropolen-Partei schaden könne.
Grüne Innenpolitik im Henkel-Style?
Doch nicht nur Frankys Politik ist scheiße. Betrachtet man seine aktuellen und historischen Amtskollegen, scheint es egal zu sein, von welcher Partei eine Innenminister*in oder Innensenator*in gestellt wird. So wurden die Notstandsgesetze 1968 mit SPD-Stimmen abgenickt und von einem SPD-Justizminister umgesetzt. In der schwarz-grünen Koalition in Hamburg von 2008-2010 änderte sich nichts am repressiven Vorgehen von Polizei und Politik gegen antagonistische Proteste wie zum Beispiel gegen das Kohlekraftwerk in Moorburg. Selbst wenn die Grünen wie in Bawü den Ministerpräsidenten stellen, erweitern sich die Spielräume für antagonistische Politik nicht. Auch die Freiburger Wagenplätze können ein Lied davon singen, was es bedeutet, wenn die Innenpolitik einer Stadt von grünen Öko-Spießern gemacht wird.
Innenmister als schlagstockschwingende Maskottchen
Das bekannteste Beispiel für dieses Phänomen dürfte der Bundesinnenminister Otto Schily sein. Dieser beginnt seine Karriere bei den basisdemokratischen Grünen, verteidigt RAF-Angehörige vor Gericht und gehört zu den prominentesten Gesichtern, die sich für Bürger*innenrechte und gegen staatliche Überwachung engagieren. Später wechselt er zur SPD, wird 1998 Bundesinnenminister und legt nach dem 11. September 2001 eine beispiellose Serie an Gesetzesverschlimmerungen zur Reduzierung von Freiheit hin. Wie sehr er in der Rolle aufgeht, zeigt sich während Truppenbesuchen bei der Bundespolizei. Hier lässt er sich mehrmals mit Kampfhelm als knüppelschwingendes Maskottchen der staatlich bezahlten Gewalttäter*innen ablichten.
Wie sehr egal es ist, wer Innensenator*in ist, zeigt auch die aktuelle Politik. Momentan besticht in dieser Hinsicht das Wahlprogramm der Berliner Grünen. Selbst der "taz" fällt überrascht auf: „Es könnte in Teilen von der CDU stammen“.
Die Linke als Stütze des Staates?
Wenn die Linke für die innere Sicherheit des Staates, der Verwertungsprozesse und der Privilegierten zuständig sind, läuft allerdings auch alles weiter wie bisher. Was der Berliner Verfassungsschutz in der Ära der rot-roten Koalition im Kontext der NSU-Affäre zu verbergen hat, werden wir vermutlich nie erfahren, da die Akten geschreddert sind. Aber aus den zahlreichen Städten, in denen die Linke im Osten der Republik die Bürgermeister*innen stellt, kommen viele Nachrichten. So zum Beispiel aus dem mecklenburgischen Schwerin. Die linke Bürgermeisterin Angelika Gramkow erlaubte zum 1. Mai 2015 der NPD vor dem Gewerkschaftshaus zu demonstrieren und verbot die Gegenkundgebung.
Die Linke nicht besonders dialogorientiert
Und was Bodo Ramelow, Ministerpräsident in Thüringen, von Antifas hält, kann man sich auf Youtube angucken.
Nachdem jugendliche Antifas ihn am Rande einer Veranstaltung mit seiner ganz normalen deutschen Politik und ihrer Enttäuschung darüber konfrontierten, fiel dem linken Politiker nichts Anderes ein, als ihnen „Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid!“ zu entgegnen. Zudem ist sich Ramelow nicht zu schade, antifaschistische Proteste ganz im Stile Frank Henkels als „Nazimethoden“ zu bezeichnen.
Und kann sich irgendwer daran erinnern, dass der rot-rote Senat oder die rote Regierung in Thüringen irgendeine Demorechtsverschärfung oder eine Ausweitung von Polizeibefugnissen, die ihre Vorgänger*innen durchgesetzt haben, wieder rückgängig gemacht hätten?
Statt Henkel abschaffen: Innensenator*innen abschaffen
Die Beispiele sollten deutlich zeigen, dass von einem neuen Innensenat, egal wer ihn besetzt, nichts Gutes zu erwarten ist. Denn egal, wer regiert: Alle sind auch in einer demokratischen Herrschaft am Ende darauf angewiesen, dass ihre Entscheidungen im Zweifelsfall von den staatlich bezahlten Gewalttäter*innen in Legislative, Exekutive und Judikative durchgesetzt werden. Denn auch demokratische Herrschaft wäre keine Herrschaft, wenn es unter den demokratischen Funktionseliten nicht einen stillschweigenden Konsens gäbe, dass staatliche Gewalt zur Durchsetzung der als Gemeinwohl verklärten eigenen Interessen legitim sei. Wer wirklich möchte, dass Gewalt kein Mittel der Politik ist, muss sich konsequent von der Demokratie und allen anderen Herrschaftsformen verabschieden und nach Alternativen suchen.
Mehr Infos:
Das kleinere Übel:
http://maqui.blogsport.eu/2016/08/01/b-wahl-2016-was-soll-das-kleinere-uebel-sein/
Der Zusammenhang von Polizeigewalt und demokratischer Herrschaft:
http://maqui.blogsport.eu/2016/02/21/polizei-gewalt-als-teil-der-demokratie/
Auch in der Demokratie ist alles doof:
http://maqui.blogsport.eu/2016/07/13/auch-in-der-demokratie-ist-alles-doof/