[Aachen] Überfall auf Pax-Bank: Die politischen Bankräuber

Erstveröffentlicht: 
08.08.2016

Aachen/Barcelona. Vor einigen Wochen schrieb Anna [Alle Namen in diesem Artikel wurden vom Editor geändert]  aus einem spanischen Gefängnis, dass niemand sie brechen, dass niemand sie von ihrem Kampf gegen alle Autoritäten und jede Form von Unterdrückung abbringen könne. Ihr Kampf gehe auch im Gefängnis weiter, und dass die Aachener Staatsanwaltschaft sie habe einsperren lassen, bekräftige sie in ihrer Entschlossenheit nur noch weiter.

 

Der Zweck ihres Kampfes rechtfertige Gewalt und rechtfertige auch „Bankenenteignung“ als „legitime Methode“. Anna soll die Anführerin einer Gruppe gewesen sein, die im November 2014 die Aachener Pax-Bank ausraubte und mehr als 300.000 Euro erbeutete.

 

Die Tage vor den Überfällen


Die Spuren einer Bankraubserie in Aachen führt in die linksextremistische Hausbesetzerszene Barcelonas, zu der auch die Austro-Italienerin Anna (35), der Portugiese Arthur (58) und die Niederländerin Ulrike (29) gehören, deren Fotos die Aachener Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) am Montag veröffentlichten. Zwar sitzen Anna und Arthur bereits in Untersuchungshaft, und auch Ulrike könnte bald an Deutschland ausgeliefert werden; doch das LKA erhofft sich Hinweise darauf, was die drei mutmaßlichen Bankräuber mit Aachen verbindet. Denn der drei hat nach derzeitigem Ermittlungsstand Verbindungen in die Stadt, in der sie möglicherweise Banken überfallen haben. Arthur soll zusammen mit Anna und mindestens drei weiteren Mittätern am 19. November 2014 die Pax-Bank ausgeraubt haben, Ulrike soll die Anführerin einer Dreiergruppe gewesen sein, die am 8. Juli 2013 eine Filiale der Aachener Bank ausraubte, die in unmittelbarer Nähe der Pax-Bank liegt. Am 4. Juli 2012 war eine andere Filiale der Aachener Bank in der Innenstadt ausgeraubt worden, auch bei diesem Überfall soll eine Frau die Anführerin gewesen sein. Das LKA schließt einen Zusammenhang mit den beiden anderen Überfällen nicht aus. Da alle drei Taten gut vorbereitet und professionell begangen, Bankangestellte vorher ausgekundschaftet und Fluchtwege offenbar genau festgelegt wurden, gehen die Ermittler davon aus, dass sich Anna, Arthur und Ulrike bereits einige Tage vor und möglicherweise auch nach der Tat in der Region Aachen, Düren, Heinsberg aufgehalten haben könnten. Durch die Veröffentlichung der Fotos erhoffen sie sich Hinweise darauf, wo die drei gewohnt haben, wie sie gereist sind und wer mit ihnen Kontakt hatte.


Die Spur auf der Bierdose

 

In der Zeit nach dem vorerst letzten Banküberfall der mutmaßlichen Serie hörte man wenig über die Ermittlungen, es hatte den Anschein, als fehle den Ermittlern jede Spur. Doch das täuschte. Denn Spezialisten des LKA war es gelungen, bei den Überfällen DNA-Spuren sicherzustellen: beim Überfall 2013 fand sich eine Spur an einer Schreckschusspistole, die sich später Ulrike zuordnen ließ. Und beim Überfall auf die Pax-Bank 2014 von einer weggeworfenen Perücke, die sehr wahrscheinlich die Anführerin der Bande getragen hatte.

 

In deutschen DNA-Datenbanken fand sich zunächst keine Übereinstimmung. Die Aachener Staatsanwaltschaft beschloss, einen Abgleich mit anderen europäischen DNA-Datenbanken zu beantragen, und nach einigen Monaten meldeten sich die spanischen Sicherheitsbehörden: Ja, es gebe eine Übereinstimmung mit der DNA von der Perücke, aber nein, man könne diese DNA selbst keiner Person zuordnen. Doch die spanischen Ermittler hatten einen Verdacht, denn die DNA-Spur in ihrer Datenbank war 2009 nach einer linksextremen Kundgebung in Barcelona an einem weggeworfenen Handschuh gesichert worden.

 

Nach Informationen unserer Zeitung ließ die katalanische Polizei daraufhin Mitglieder der Anarchistenszene Barcelonas beobachten, auch Anna. Als sie im Sommer 2015 eine Bierdose auf der Straße stehenließ, aus der sie getrunken hatte, stellten die Ermittler sie sicher und generierten einen DNA-Abdruck, der mit dem von der Perücke und vom Handschuh übereinstimmte. LKA und Staatsanwaltschaft hatten nun eine konkrete Verdächtige. Sie beantragten einen internationalen Haftbefehl und ließen Anna nach einigem behördlichen Aufwand am 12. April in einem besetzten Haus in Barcelona verhaften. Seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft.

Vergeltungsaktion in Hamburg


Um ihre Auslieferung nach Deutschland zu verhindern, heiratete Anna in der Haft eine Freundin, und tatsächlich wurde ihre Auslieferung noch einmal verschoben. Erst im Juli wurde sie nach Deutschland überführt und wartet nun in der JVA Köln-Ossendorf auf den Beginn ihres Prozesses am Aachener Landgericht, in dem vermutlich auch Arthur zu den Angeklagten zählen wird. Er wartet in Spanien auf seine Auslieferung nach Deutschland. Seit Anna in Haft ist, kam es nach Aufrufen auf einschlägigen Seiten im Internet zu mehreren Solidaritätsbekundungen. Teile der anarchistischen Szene Barcelonas demonstrierten immer wieder vor Gefängnissen, in denen Anna saß, auch in Griechenland und Amsterdam gab es Solidaritätsbekundungen. In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli dann wurden in Hamburg Scheiben und Geldautomaten von zwei Banken zerstört. Auch dies eine Solidaritätsbekundung mit den Bankräubern, wie die Staatsanwaltschaft bestätigt.In einem linksextremen Blog wurde mit Bezug auf die Vergeltungsaktionen in Hamburg kurze Zeit später die folgende Botschaft veröffentlicht: „Es ist uns egal, ob die Gefährtin ,schuldig‘ oder ,unschuldig‘ (...) ist, (...) das sind Kategorien, die wir den aasfressenden Verteidigern des Systems überlassen. Jeder Akt der Enteignung des Feindes, der uns seit Jahrhunderten beraubt, ist nicht nur legitim, sondern wünschenswert.“