Nach Falschmeldung zeigt sich das Besorgtenbündnis bedröppelt
Scrollen statt Trollen: Legida übt den großen Löschangriff Nass und entfernt strafbewehrte Aussagen auf der eigenen Facebookseite. Die Anhänger sollen davon möglichst nichts mitbekommen; nur keine Blöße geben. Einmal mehr zeigt Legida, wie ernst sie es mit der Wahrheit und Meinungsfreiheit halten – und wie wenig sie sich um die Ihren sorgen.
Die beste Nachricht zuerst: Legida läuft nicht am kommenden Montag. Still und leise hat das rechte Bündnis seine Demoanzeige zurückgezogen (für September und darüber hinaus bestehen weiterhin Anmeldungen). Kommuniziert hat das Legida nicht. Es wurde einfach keine Facebook-Veranstaltung erstellt, das werden die Mitlatscher schon bemerken. Würden sie schreiben, dass man den Turnus unterbricht, gäbe es schließlich peinliche Nachfragen. Und auf die hat Legida keine Lust. Aufs Richtigstellen, wenn man mal selbst geirrt – um nicht zu schreiben: in lügnerischer Absicht gehetzt – hat, fehlt offenkundig auch die Lust. Und nicht einmal die Follower werden darüber informiert, dass die mantraartig wiederholte »Kasek ruft zu Mord auf«-Aussage nun ein Strafgeld nach sich zieht.
Bereits vor zwei Wochen hatte Jürgen Kasek, Grünen-Landesvorsitzender und Legida-Kritiker, beim Landgericht Leipzig eine einstweilige Verfügung erwirkt. Dem Legida e.V. ist es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro verboten, Kasek mit dem Angriff auf Ronny U. am 4. Juli 2016 in Zusammenhang zu stellen. Auch die Behauptung, Kasek hätte Porträtfotos von Legida-Ordnern angefertigt und getwittert, ist von der Verfügung betroffen sowie die ihm unterstellte Drohung: »Ich schick Dir meine Antifas vorbei!« Nach dem zunächst offenbar gescheiterten ersten Zustellversuch hat der Gerichtsvollzieher bei Legida die einstweilige Verfügung als Einschreiben überbracht. No-Legida beziffert die Zustellkosten auf 1.800 Euro.
Ein Effekt hat sich sofort eingestellt: Heimlich still und leise haben sich seit Donnerstag auf der Legida-Facebook-Seite alle entsprechenden Beiträge und Kommentare in Luft aufgelöst. Sogar der Ursprungsbeitrag, der den Überfall auf Ronny U. in Beziehung zu Legida – Stunden nach der Demo erst wurde in Großdeuben attackiert – und dann auch Kasek stellt, ist nicht verändert, sondern komplett aus dem Netz genommen worden. Auch das Video von der ohnehin nicht nur angesichts der Teilnehmerzahl peinlichen Demo »Wir gegen Gewalt« ist gelöscht worden. Jeder Hinweis auf die Aktion fehlt (Stand: 29. Juli). Zu sagen hat Legida eh nichts mehr, teilt digital nur noch eine Mischung aus Meldungen von Besorgten und Bekloppten und wenn es passt auch aus der verhassten Lügenpresse. Ob die angekündigten eidestattlichen Versicherungen, Kasek hätte doch mit Antifa gedroht, wirklich noch abgegeben werden, steht in den Sternen.
Wahrheit und Meinungsfreiheit nimmt Legida gern für sich in Anspruch; meist auch miteinander verquickt. Gemeint ist natürlich, dass Legidas Sicht der Dinge unwidersprochen bleibt. Ist das nicht der Fall, dann geht man gar nicht darauf ein, sondern stellt den Ignoriermodus an. Ein Musterbeispiel dafür wurde gerade in Österreich wieder vorgemacht: Eine für den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer werbende Facebook-Seite setzt die Lüge in die Welt, die Caritas würde iPhones an Flüchtlinge verschenken, über 1.600 Leute glauben und teilen das. Bei der Gegendarstellung wird das Posting gelöscht – der Schaden aber ist schon geschehen. So auch im Fall Kasek: Nach der Legida-Behauptung brach der braune Shitstorm bis hin zu Morddrohungen los und blieb nicht digital. In der Nähe seiner Kanzlei hängten Unbekannte ein Transparent mit »Kasek = Auftragskiller« auf. Nach eigener Aussage hat Kasek daher am Donnerstag der Polizei 204 Anzeigen gegen Drohungen und Verleumdungen übergeben. Unter den Angezeigten sollen sich auch der Legida e.V. und der Ex-NPD-Funktionär Enrico Böhm befinden, der jetzt der Nazi-Splitter-Splitter-Gruppe »Wir für Leipzig« angehört.
Ob Tatjana Festerling ihrer Spielwiese Legida bereits überdrüssig ist? Am kommenden Montag jedenfalls läuft sie bei Pegida-München auf. Und im Oktober will sie in Dresden die Schlacht bei den Thermopylen, oder besser: die Comicverfilmung »300«, nachspielen. Zum Tag der Deutschen ist dort Kanzlerin Angela Merkel zu Gast und soll ihr »Blaues Wunder« erleben. Gewohnt gewaltfrei ruft Festerling ihre Rotte Hools – der Sänder der einschlägigen Band Kategorie C. ist angekündigt – an die Elbe: »Ja, Merkel, wenn du am 3. Oktober noch immer im Bundeskanzleramt hockst, dann komm‘ nach Dresden, hier wirst du dein Blaues Wunder erleben! Deine Speichellecker, Hofschranzen und Schoßhündchen im Bundestag und bei der deutschen Presse mögen einen Nichtangriffspakt mit dir geschlossen haben – WIR NICHT! Im Gegenteil, nach deinem nichtssagenden Gequassel in der Kanzler-Pressekonferenz stehen die Zeichen auf Attacke. Also, GröKaZ, trau‘ dich – AHU!« (Rechtschreibung im Original) Funfact: Der 3. Oktober fällt auf einen Montag – was wohl Pe- und Legida dazu sagen?
Trotz Legida-Absage wird es folgende Anti-Legdia-Aktionen geben:
Kundgebung »Intergalaktischer Protest! #LEGIDAchilltnicht – wir schon!«, Richard-Wagner-Platz, 18–22 Uhr
Kundgebung »Schöner leben ohne Naziladen! – a monday without you«, Brühl in Höhe Grundstück Nr. 4, 18–21 Uhr
Fahrraddemo »Summer in the City – Reclaim the streets«, vom Connewitzer Kreuz zum Richard-Wagner-Platz, ab 17.30 Uhr
Vorlesung »John Stuart Mill – Ein liberaler Denker über die Grenzen der Meinungsfreiheit«, Parkplatz vorm Naturkundemuseum, 18.30–20 Uhr
Kundgebung »Leipziger Friedenswache – Leipzig gegen Krieg«, kleiner Wilhelm-Leuschner Platz, 18–20 Uhr
Aufzug »Montagsdemo – Weg mit den Hartz-Gesetzen! Für eine lebenswerte Zukunft weltweit!«, Nikolaikirchhof bis kleiner Willy-Brandt-Platz, 18 Uhr
TOBIAS PRÜWER