Hintergründe zur bundesweiten Freiraum-Demo in Berlin am 14.03.

unitedwestay

Am 14.03.2009 findet in Berlin ab 15 Uhr am Hermannplatz die bundesweite Häuser- und Wagenplatz-Demo United We Stay! statt. Am 06.02.2009 waren zwei GenossInnen in der KTS Freiburg, um über die Wir Bleiben Alle! - Kampagne, Freiräume allgemein, aktuell bedrohte Projekte, die Demo sowie die Actionweeks im Sommer zu informieren.

 

Weitere Infoveranstaltungen folgen u.a. am 09.02.2009 in Tübingen im Epplehaus, am 12.02.2009 in Stuttgart im Grundrisse und am 13.02.2009 in Karlsruhe organisiert von der NextSteffi.

 

Links: Wir Bleiben Alle! | United We Stay!

 

Wir Bleiben Alle! - Kampagne

 

Die Wir Bleiben Alle! - Kampagne ist inspiriert von den Kämpfen ums Umgdomshuset 2006. Im Anschluss an die One struggle  – One fight!-Demo am 08.12.2007, die vom Konzept her ähnlich, geplant war wie die Out of Control-Demo eine Woche später in Hamburg, startete eine Diskussion über den Kampf für Freiräume. Die Demo wurde einerseits positiv aufgenommen wegen der Vielzahl an militanten Anschlußaktionen, aber andererseits von den Bullen massiv angegriffen. Die Autonome VV vom 13.12.2007 beschloss damals eine Kampagne insbesondere für den Erhalt der Riggaer Strasse und der Köpi, sowie Actiondays im Mai 2008, zu initialisieren.

 

Besonders interessant an der Kampagne ist seitdem die Kombination aus kreativen und militanten Aktionen. So wurden z.B. direkt zum Auftakt der Action days vom 27. Mai bis zum 1. Juni 2008 ein Haus besetzt, und im weitern Verlauf 60 Autos angezündet, viele Workshops und Konzerte veranstaltet, mehrmals spontan demonstriert, sowie Ver.di und SAP angegriffen. Die öffentliche Vermittlung war mit einem Infopunkt, einem Live-Ticker, einem Piratenradio sowie zwei großen VVs äusserst erfolgreich. Die Themen Gentrifizierung und Freiräume waren eine Woche lang auch in den kommerziellen Medien präsent.

 

Wichtiger Bestandteil der Kampagne ist weiterhin die interne Solidarität. So steht schon im Vorfeld für jedes bedrohte Projekt eine gemeinsame Tag-X-Infrastruktur. Wird ein Projekt angegriffen, helfen die anderen z.B. bei der Mobilisierung. Auch distanziert sich die gesamte Kampagne nicht von Aktionen einzelner AGs.

 

Freiräume allgemein

 

Freiräume sind nicht nur Häuser und Wagenplätze, sondern auch öffentliche Plätze und Strassen, die emanzipativ (um-)genutzt werden. Natürlich ist auch in Projekten nur in begrenztem Raum ein Ausbruch aus der individualisierten Gesellschaft voller Konsum- und Konformitätsdruck möglich.

 

Seit den 70er-Jahren gibt es regelmäßig Häuserkämpfe in Berlin. 1990 warren insgesamt rund 300 Häuser besetzt. Eine Hochburg der BesetzerInnen war die Mainzerstrasse nach deren Räumung durch 4.000 Bullen es u.a. Solidemos mit mehr als 10.000 TeilnehmerInnen gab. In der Folge gab der Senat dem öffentlichen Druck nach und bot den verbleibenden Projekten ihre Legalisierung an. Etwa die Hälfte nahm das Angebot des Senats an. Die restlichen wurden im Laufe der kommenden zehn Jahre geräumt. Heute geht es größtenteils um den Erhalt der damals legalisierten Projekte. Diese sind bedroht, weil ihre Verträge auslaufen, die BesitzerInnen gewechselt haben, oder die Häuser dem Prozess der Gentrifizierung im Wege stehen. Die Mainzerstrasse z.B. ist heute schick saniert und das letzte Mal in den Schlagzeilen gewesen, als das Kind eines GZSZ-Schauspielers aus dem Fenster gefallen ist.

 

Seit 1996 wirkt die sogennante Berliner Linie der Bullen erschwerend gegen HausbesetzerInnen. Diese weißt die Bullen an jede Besetzung binnen 24 Stunden zu räumen, auch ohne eine Anzeige der EigentümerIn. Zusätzlich wurde es EigentümerInnen mietrechtlich erleichtert zu kündigen und Mieten zu erhöhen.

 

Bedrohte Projekte

 

Bödiker 9

Das Haus wurde im Mai 2007 an Platinum Consult verkauft. Alle Wohnungen wurden am 08.04.2008 fristlos gekündigt. Die Mieten sollen um 200% erhöht werden und die rechtfertigende Sanierung schreitet voran, so ist aus dem Garten bereits ein Parkplatz geworden und alle Innenhöfe und Türen sind Videoinfrarot überwacht. An einer Pforte sollen in Zukunft alle BewohnerInnen gezwungen sein sich auszuweisen, bevor sie das Gelände betreten.

 

Brunnen 183

Das Haus beherbegt unter anderem einen Umsonst-Laden und ist insgesamt ein sehr offenes Haus. Es wurde in den 90er Jahren besetzt. Nach zwei Jahren Besetzung meldete sich eine Erbengemeinschaft als EigentümerIn. Später kaufte ein Paussauer Arzt das Haus, um ein Projekt zum generationenübergreifenden Wohnen zu starten. Die Bezirksverwaltung hat ihm ein anderes Haus angeboten, weil sie die Brunnenstraße 183 erhalten will. Dieses Ersatzobjekt soll jetzt aber doch an Joop verkauft werden. 2006 razzten 600 Bullen das Haus, weil sie und der Eigentümer illegale Untervermietung vermuteten – alle BewohnerInnen mussten ihre Personalien abgeben.

 

Liebig 14

Die Liebigstrasse 14 ist ebenfalls akut bedroht. Sechs Räumungstitel hat der Eigentümer Beulker bereits in erster Instanz erhalten, bei drei weiteren Verfahren stehen die Urteile noch aus. Die BewohnerInnen werden aber in die zweite Instanz gehen. Der Eigentümer allerdings setzt von Zeit zu Zeit auch auf seine eigenen Räumungsmethoden, bisher aber ohne Erfolg. So wollte er z.B. einen Elektriker überreden in der Rigaer 94 Starkstrom statt des normalen Stroms zu verlegen.

 

Liebig 34

Eines der letzten anarcho-feministischen Projetkte in Europa gehört, wie 2000 weitere Häuser, dem Immobiliengiganten Padovicz. Im Januar 2009 haben die BewohnerInnen ein Pachtmietvertrag über 10 Jahre unter Vermittlung der Bezirksverwaltung abgeschlossen. Aufgrund der hohen Mieten, der Kaution und der geringen Aussicht auf eine Vertragsverlängerung ist dies aber nur eine vorübergehende Lösung.

 

Linie 206

Ebenfalls Anfang der 90er besetzt, kaufte im Sommer 2008 ein privater Investor das Haus. Nach einer Demo und weiteren Aktionen nahm er allerdings von seinen Absichten Abstand. Das Projekt will sein Haus jetzt übers Mietshäusersyndikat selbst kaufen.

 

New Yorck im Bethanien

Nach der rechtswidrigen Räumung der New York wurde 2005 ein Teil des Bethaniens besetzt. Seit dem laufen Mietverhandlungen mit dem Senat, die sich aber wegen hoher Mietforderung schwierig gestalten. Unter akutem Räumungsdruck wurde jetzt ein zu teurer Dreimonatsvertrag unterschrieben. Viele linke Gruppen, Initiativen und Projekte organisieren sich in dem Haus, das deshalb eine enorm wichtige Infrastruktur für die linke Szene darstellt.

 

Reiche 63a

Das Haus wurde 1977 besetzt und schnell legalisiert. Der 30-Jahre Mietvertrag läuft jetzt aus und die Bezirksverwaltung will die Miete verdoppeln.

 

Reiche 114

Das Haus steht seit Dezember 2006 unter Zwangsvewaltung. Die Versteigerung wurde ohne einen Grund zu benennen abgesagt. Die Zukunft beider Projekts ist ungewiss.

 

Ebenfalls in der Reichenberger Strasse entstehen zur Zeit die so gennanten Car-Lofts, der letzte Schrei der Yuppie-Behausungen. Natürlich sind diese beiden Projekte da ein Dorn im Auge der Gentrifizierung.

 

Rigaer 94

Nach vielen, langen Räumungsprozessen, Eigentinitiativen des Eigentümers Beulker (siehe Liebig 14), vier Teilräumungen sowie teilweisen Wiederbesetzungen ist jetzt das ganze Haus akut bedroht. Die Räumungstitel fürs Hinterhaus sind inzwischen ergangen.

 

Scharni 29

Das Haus gehört ebenfalls Padovic. Dieser hat mit der Kohle der Bezirksverwaltung das Haus saniert, weshalb diese ein Belegungsrecht hat und die alten BewohnerInnen wieder hat einziehen lassen. Padovic versucht diese teilweise mit Erfolg rauszuklagen, um die Wohnungen teurer neu zu vermieten.

 

Schokoladen

Das Haus, das vor allem von Künstler und Kulturgruppen genutzt wird ist ebenfalls von der Räumung bedroht.

 

Schwarzer Kanal

Einer der ältesten Wagenplätze in Deutschland wurde 2002 verdrängt und wird aktuell von den Expansionsplänen von Mediaspree bedroht. Auf dem Gelände, dessen Eigentümerin Ver.di ist, sollen Bürogebäude enstehen.

 

Resümee:

  • 7 akut räumungsbedrohte Häuser/Wagenplätze
  • 2 Häuser stehen in Verhandlungen um neue Verträge
  • Liebig 34: frische Pachtverträge (15.000 Euro für die Kaution benötigt)
  • Linie 206: frisch erkämpfte Kaufoption (Geld für Direktkredite benötigt)
  • Bethanien: neue Mietverträge für 3 Monate
  • es gibt weitere Wagenplätze, die relativ gesichert sind

 

Demokonzept

 

Demos sind in letzter Zeit vor allem ein Raum massiver Repression, weshalb viele Demos sehr defensiv sind. So muss z.B. der schwarze Block meist rein defensiv handeln, und kann das eigentliche Ziel, offensive direkte Aktionen rund um die Demo, nicht mehr unterstützen. Deshalb soll es eine laute, fröhliche und bunte Demo geben, in deren weiterem Umfeld vielfältige Aktionen möglich sein sollen.

 

 

Zu deren Vorbereitung soll es am Tag vor der Demo Workshops geben. Bezugsgruppen sollten sich aber schon früher anfangen vorzubereiten. Es findet eine breite Mobilisierung statt, und es wird sich von keinen Aktionsformen distanziert werden. Es wird einen Infopunkt, diverse Voküs, einen Handy- und Internet-Ticker sowie Pennplätze geben.

 

Aktionswochen

 

Im Anschluss an die Aussage eines Bullensprecher zu den Action Days 2008: „Die Autonomen wissen, dass sie ob unserer Personalsituation den längeren Atem haben“ finden mit Dank für diesen Hinweis im Sommer 2009 Action Weeks statt. Geplant sind zwei Wochen voller Workshops, vielfältiger Aktionen, Demos, Bestzungen, Diskussionen und Vernetzung.

 

Ergänzungen