Neonazi-Camp: Die „autonomen“ Nazis sind zurück

Erstveröffentlicht: 
12.07.2016

Militante Rechte organisieren ein klandestines Zeltlager in der Nähe von Pforzheim. Die Organisation des Zeltlagers scheint auch Unterstützung von hessischen Neonazis zu erfahren.

 

Schwarze Basecaps, Sonnenbrillen und Handschuhe – seit zwei Jahren organisieren sich Neonazis bei Aufmärschen wieder vermehrt in sogenannten Schwarzen Blöcken. Das Auftreten der vermummten Rechten ist gewalttätig und aggressiv. Neu ist das Phänomen keineswegs: Schon seit Anfang der 2000er-Jahre versucht die rechte Szene, in Sachen Styling und Taktik die radikale Linke zu kopieren. Zuletzt war es um das Phänomen der „Autonomen Nationalisten“ allerdings ruhiger geworden.

 

Doch nun ist der neonazistische „Schwarze Block“ zurück. Auf den 1. Mai-Demonstrationen der extrem rechten Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ im vergangenen Jahr im thüringischen Saalfeld und dieses Jahr in Plauen in Sachsen traten die vermummten Nazis äußerst aggressiv auf, in beiden Jahren kam es zu schweren Ausschreitungen und Angriffen auf Gegendemonstranten.

 

Am kommenden Wochenende mobilisieren diese Neonazi-Kreise nun zu einem klandestinen Zeltlager nach Süddeutschland. Auf dem Programm stehen Arbeitskreise zum „richtigen Funken“ oder zur Erarbeitung politischen Materials. Daneben wird über „Militanz und Gewalt“ diskutiert – und es gibt praktische Übungen zum Verhalten bei Festnahmen oder Hausdurchsuchungen.

 

Auf der extra angelegten Homepage ist nicht zu erfahren, wer genau das Zeltlager organisiert. Die Werbung läuft hauptsächlich über die Facebook-Seiten und Twitter-Kanäle selbsternannter „Antikapitalistischer Kollektive“, die seit diesem Jahr verstärkt in den sozialen Netzwerken auftauchen und Ableger in Hessen, Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg haben.

 

Aus ihrer Einstellung machen diese rechten Kleingruppen keinen Hehl: Gefordert wird ein „Nationaler Sozialismus“, Parlamente sind für sie „Verschacherungsinstrumente der Hochfinanz“. Egal ob sie Bilder des SA-Führers Horst Wessel oder gleich Redeausschnitte von Adolf Hitler teilen, die Bezüge auf den historischen Nationalsozialismus und einen völkisch-antisemitischen Antikapitalismus sind allgegenwärtig. Gepostet werden auch Randale-Bilder – oder Fotos von Molotow-Cocktails mit der Bemerkung „Einfach mal mit Freunden ein paar Cocktails mischen“.

 

Wo genau das Camp stattfinden soll, halten die Organisatoren streng geheim. Auf Flugblättern, die bei internen Neonazi-Veranstaltungen verteilt wurden, wird der Großraum Pforzheim als Veranstaltungsort genannt. Selbst angemeldete Teilnehmer erfahren den Ort erst kurz vor dem Camp über eine Handynummer.

 

Die Organisation des Zeltlagers scheint auch Unterstützung von hessischen Neonazis zu erfahren: Wie FR-Recherchen belegen, laufen Teilnahmegebühren und Spenden über ein Konto bei der Frankfurter Sparkasse. Beim Inhaber handelt es sich vermutlich um einen jungen Neonazi, der früher in Frankfurt aktiv war und als Kader der neonazistischen Dachorganisation „Freies Netz Hessen“ auftrat. Heute lebt er in der Nähe von Pforzheim.

 

Unter dem Label „Antikapitalistisches Kollektiv Hessen“ hatten hessische Neonazis bereits Anfang des Jahres an einer Pegida-Kundgebung in Frankfurt teilgenommen – und im März dazu aufgerufen, sich an den Blockupy-Protesten gegen die Eröffnung der neuen EZB anzuschließen. Zuletzt hatten sie auf Facebook Fotos einiger vermummter Gestalten gepostet, die rebellische Sprüche an Wände sprühten.

 

Neben den Neonazis aus Baden-Württemberg und Hessen mobilisieren auch Führungskader der vor kurzem durch den Bundesinnenminister verbotenen „Weissen Wölfe Terrorcrew“ für das Zeltlager. Und auch aus den benachbarten Niederlanden wollen Neonazis teilnehmen.

 

Die Anreise militanter Neonazis in die Region Pforzheim dürfte ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko darstellen. Wie ein Sprecher des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg mitteilte, sei das Zeltcamp der Behörde bekannt. Beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz heißt es, das „Antikapitalistische Kollektiv Hessen“ sei eine „eindeutig nationalsozialistische geprägte Gruppierung“ und werde beobachtet. Weitere Nachfragen zum Zeltlager wollen beide Landesbehörden nicht beantworten.

 

Auch dem Polizeipräsidium Karlsruhe, welches in der Region zuständig ist, ist das Neonazi-Camp bekannt. Knapp zwei Wochen vor dem Camp befand man sich hier noch bei der „Informationsgewinnung“ und hatte keine genauen Kenntnisse über den Veranstaltungsort. Die geplanten Maßnahmen würden aber „alle im rechtlichen Rahmen liegen“, wie ein Sprecher mitteilte.