Rechtsstreit in Leipzig - Demonstrationen im Hauptbahnhof?

Erstveröffentlicht: 
05.07.2016

Marcus Röder soll 5.500 Euro zahlen, weil er eine Demonstration angemeldet hat. Er wollte im Bahnhof dagegen protestieren, dass sich dort seit einigen Monaten Legida-Anhänger unbehelligt vom Bahnhofseigentümer auf ihre Demonstrationen einstimmen können. Doch der Eigentümer will Demonstrationen im Bahnhof um jeden Preis verhindern. Die Angelegenheit beschäftigt jetzt die Juristen.

von Piet Felber

 

Der Fall einer verbotenen Demonstration im Leipziger Hauptbahnhof sorgt in den sozialen Netzwerken für Empörung - und beschäftigt Juristen.

 

Der Student Marcus Röder hatte für Montagabend, parallel zum Legida-Aufzug in der Stadt, eine Demonstration im Leipziger Hauptbahnhof angemeldet. Und noch bevor er den Bescheid der Versammlungsbehörde der Stadt bekam, ob die Demonstration genehmigt ist oder nicht - beziehungsweise, welche Auflagen er zu beachten hat - meldete sich das Landgericht. Es verfügte einstweilig, dass Röder keine Versammlung im Hauptbahnhof abhalten dürfe. Und für das Verfahren, von dem Röder bis dato noch gar nichts wusste, sollte er 5.500 Euro zahlen. "Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich habe ordnungsgemäß beim Ordnungsamt eine Versammlung angezeigt um für Demokratie zu demonstrieren", ließ Röder am Dienstag über seinen Anwalt Jürgen Kasek, den Grünen-Landesvorsitzenden, mitteilen. 

 

Ist der Bahnhof öffentlicher oder privater Raum?


Erwirkt hatte die einstweilige Verfügung die Eigentümerin der Shopping-Mall im Hauptbahnhof, die ECE Projektmanagement GmbH. In dem zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht war ein Streitwert von 100.000 Euro festgesetzt worden. Und da der Richter der Argumentation des Antragstellers folgte und die einstweilige Verfügung verhängte, soll der Student nun 5.500 Euro Gerichts- und Anwaltskosten tragen. Die Argumentation: Bei einer Demonstration im Hauptbahnhof wäre die Gefahr einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Lagern - also Legida-Anhängern einerseits und deren Gegnern andererseits - zu hoch gewesen.

 

Aber: Darf man Röder verbieten, im Hauptbahnhof zu demonstrieren und damit seine Grundrechte einschränken? Das hängt davon ab, ob man den Bahnhof als öffentlichen Raum betrachtet oder als Privatgrundstück. Und hier wird es kompliziert. Die Versammlungsbehörde selbst genehmigte einen Tag, nachdem das Landgericht die einstweilige Verfügung verhängt hatte, die Demonstration am Bahnhof. Sie erteilte allerdings die Auflage, dass die Versammlung außerhalb des Bahnhofs abgehalten wird, da sich drinnen erfahrungsgemäß die Legida-Anhänger versammeln, um dann zu ihrer Demonstration zu gehen. Gegen diese Versammlung der Legida-Anhänger habe das Bahnhofsmanagement seit Monaten nichts unternommen, sagt Kasek

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Wäre nun ein Widerspruch gegen diese Auflage erfolgreich gewesen, hätte Röder zu einer Demonstration im Bahnhof aufrufen dürfen - und gleichzeitig hätte er mit einer horrenden zivilrechtlichen Strafe rechnen müssen. 

 

Beide Seiten verhandeln


Die Angelegenheit ist noch offen. Zur Zeit verhandeln beide Seiten nach Aussagen Kaseks über eine Einigung. Für Röder geht es darum, nicht die 5.500 Euro zahlen zu müssen. Laut Kasek ist die ECE unter bestimmten Bedingungen bereit, die Forderungen nicht durchzusetzen.

 

Röder kann sich nun überlegen, ob er die Bedingungen der ECE akzeptiert - ob er in Zukunft etwa auf weitere Anmeldungen von Demonstrationen im Bahnhof verzichtet - oder ob er Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegt und es auf ein Verfahren ankommen lässt. Dabei müsste die ECE tatsächlich befürchten, dass dem Widerspruch stattgegeben wird. Vor fünf Jahren urteilte das Bundesverfassungsgericht gegen die Fraport AG, den privatwirtschaftlichen Betreiber des Frankfurter Flughafens, dass auch auf dem Flughafen das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gilt.