Privatwirtschaft will Leipzig aus der Klemme helfen

Erstveröffentlicht: 
05.07.2016

Explodierende Schülerzahlen zwingen Leipzig dazu, deutlich mehr Schulen zu bauen. Doch die personellen Ressourcen im Rathaus sind erschöpft, kommunale Grundstücke werden knapp. Jetzt springt die Privatwirtschaft in die Bresche.

 

Leipzig. Kommt die Stadt beim Schulbau nun doch noch aus den Puschen? Weil die Schülerzahlen unaufhaltsam steigen, die personellen Bauressourcen im Rathaus jedoch erschöpft und die kommunalen Grundstücksvorräte nahezu aufgebraucht sind, steuert Leipzig auf einen Kollaps der schulischen Infrastruktur zu. Jetzt kündigt sich ein Ausweg aus dieser Sackgasse an: Der private Markt habe „großes Interesse an einem Engagement beim Schulhausbau signalisiert“, so Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU). Die Wirtschaft würde der Kommune sowohl Grundstücke als auch die Bauträgerschaft für einzelne Projekte anbieten.

 

Wie berichtet, hatte die Stadt im Mai eine so genannte Marktabfrage gestartet. Mit ihr sollte herausgefunden werden, wie Leipzig möglichst schnell zu neuen Schulen kommen kann. Das Verfahren, schreibt Bonew jetzt in einer Informationsvorlage an den Stadtrat, sei „aufgrund der hohen Anzahl der Interessenbekundungen aber auch durch die inhaltliche Vielfältigkeit in Bezug auf das Realisierungsmodell sowie die Menge der vorgeschlagenen Standortvarianten erfolgreich“ gewesen.

 

Konkret gab es 21 Interessenbekundungen. In vier Fällen wurden der Kommune nur Grundstücke angeboten. Acht Bauträger und Projektentwickler würden auf eigenen Grundstücken Schulen auch gleich selbst errichten, neun Investoren auf einem ihnen zur Verfügung gestellten Grundstück. Insgesamt wurden 23 Grundstücke angeboten.

 

„Ich bin sehr froh, dass es dieses große Interesse gibt“, sagte gestern Schulbürgermeister Thomas Fabian (SPD) gegenüber der LVZ. Schulbau werde trotzdem immer zuerst eine Aufgabe der Stadt bleiben. „Um den schnell steigenden Bedarf zu decken, müssen wir aber auch andere Wege, zum Beispiel mit privaten Partnern, gehen“, so Fabian weiter. Behördenübergreifend werde nun geprüft, welche der Grundstücke geeignet sind. Fabian: „Das hängt unter anderem von der Bebaubarkeit ab. Und mit dem Schulentwicklungsplan müssen wir abgleichen, ob die Grundstücke in den nachgefragten Versorgungsgebieten liegen.“

 

Die Interessenbekundungen sind zunächst völlig unverbindlich. Doch schon im Herbst soll der Stadtrat ein Ausschreibungsverfahren auf der Basis der Markterkundung in Gang setzen. In der Folge könnte es dann wie beim Kita-Bau dazu kommen, dass private Bauträger erstmals in Leipzig auch Schulen errichten und diese dann an die Stadt vermieten. Das hat allerdings nichts mit den früher diskutierten und durch den Stadtrat gestoppten PPP-Varianten zu tun (öffentlich-private Partnerschaften). Bei PPP wären die Schulen auch privat bewirtschaftet worden. Energieversorgung, Instandhaltung und Reinigung hätten dann also in den Händen des Investors gelegen.

 

Bis zum Jahr 2025 braucht Leipzig nach dem im April beschlossenen Schulentwicklungsplan mindestens fünf neue Grund- und genau so viele neue weiterführende Schulen. Skeptiker halten das für zu wenig. Denn die Stadtverwaltung selbst rechnet in den nächsten 15 Jahren damit, dass die Bevölkerung in Leipzig um ein Viertel auf dann mehr als 720 000 Einwohner wachsen wird. Und schon ist es eng an Leipzigs Schulen: 70 Prozent der Grundschulen haben ihre maximale Aufnahmekapazität bereits erreicht, bei den Gymnasien die Hälfte. An keiner Oberschule gibt es noch freie Räume.

 

Vor diesem Hintergrund forderte die SPD-Ratsfraktion gestern Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) auf, die Entwicklung des neuen Stadtquartiers am Bayrischen Bahnhof zur Chefsache zu machen. Dort sollen auch zwei Schulen und zwei Kitas entstehen, die gerade im einwohnerstarken Süden der Stadt so dringend gebraucht werden. Wie berichtet, hatte sich die Stadt das Gelände unter der Nase wegreißen lassen. 2011 gab es zwar einen Wettbewerb zur Gestaltung des 40 Hektar großen Areals, 2014 wurde mit dem Eigentümer auch eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Getan hat sich seitdem jedoch so gut wie nichts. „Aus städtebaulicher Sicht“, befand SPD-Stadtrat Heiko Oßwald, „ist dieser Stillstand schlichtweg eine Katastrophe.“ In der nächsten Ratsversammlung soll die Verwaltung erklären „welche Auswirkungen dies auf die Umsetzung des aktuellen Schulentwicklungsplanes hat“.

 

Von Klaus Staeubert