Die rechte Gewalt gegen Flüchtlinge hat nach Einschätzung des BKA-Präsidenten ein bedrohliches Ausmaß erreicht. Den geistigen Nährboden lieferten Rechtspopulisten. Der Hass könnte zu einer weiteren Radikalisierung führen.
Berlin. Mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Rechtsextremisten gegen Flüchtlinge wächst nach Einschätzung von BKA-Präsident Holger Münch die Gefahr von neuen rechten Terrorzellen.
Die rechte Szene erreiche mit dem Zuwanderungsthema Menschen, die vorher nicht zu Gewalttaten geneigt oder als extremistisch gegolten hätten, sagte der Chef des Bundeskriminalamts (BKA) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Es ist nicht auszuschließen, dass sich aus einer derartigen Bewegung heraus am Ende Strukturen abspalten, die sich radikalisieren - bis hin zu terroristischen Strukturen."
Bei Hinweisen, die auf derartige Strukturen hindeuten, handele das BKA schnell und konsequent, sagte Münch. Das Vorgehen gegen die "Old School Society", die "Bamberger Gruppe" und die "Bürgerbewegung Freital" beweise das. "Auch das ist eine der Lehren, die wir aus dem selbst ernannten NSU gezogen haben." Die rechtsextreme Terrorzelle NSU, der zwischen 2000 und 2007 zehn ganz überwiegend rassistisch motivierte Morde zur Last gelegt werden, war viele Jahre unentdeckt geblieben.
Mit der geringeren Zahl ankommender Flüchtlinge sei der Anstieg bei den Straftaten gegen Asylunterkünfte zuletzt zwar etwas abgeflacht, sagte Münch. "Die Zahlen bleiben aber auf einem sehr hohen Niveau. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Entwarnung." Der BKA-Chef beklagte, die Parolen von Rechtspopulisten bereiteten den "geistigen Nährboden" für Gewalt gegen Flüchtlinge.
Sorgen bereiten den Ermittlern Hass-Postings im Internet. "Das ist so etwas wie ein Katalysator. Man bewegt sich in Foren, in denen sich alle einig sind und in denen es keine Ausgewogenheit mehr gibt", sagte Münch. "Da geht es nicht mehr nur um Meinungsäußerungen, sondern das reicht über schwere Beleidigungen bis hin zur Volksverhetzung." Die Zahl der Delikte sei hier im vergangenen Jahr auf über 2800 gestiegen. "Das nehmen wir sehr ernst. Hass-Postings sind vielfach eine Vorstufe zu Gewalt."
Der BKA-Präsident sagte, der Großteil der Übergriffe gegen Asylbewerberheime gehe auf das Konto von Tätern, die vorher nicht in der rechten Szene in Erscheinung getreten seien und aus dem regionalen Umfeld der Unterkünfte kämen. "Das ist etwas, was uns Sorge bereitet." Die Zahl der Übergriffe gegen Asylunterkünfte liegt in diesem Jahr bereits bei 568. Münch sprach von einem "bedrohlichen Ausmaß an rechter Gewalt".
Angriffe gegen Flüchtlingsheime haben im vergangenen Jahr rasant zugenommen. 2015 zählte die Polizei 1031 Fälle - und damit fünfmal mehr als im Jahr zuvor. Darunter sind viele Sachbeschädigungen und Propagandadelikte, aber auch eine wachsende Zahl von Gewalttaten. Besonders deutlich war die Zunahme bei den Brandstiftungen. Hier stieg die Zahl zwischen 2014 und 2015 von 6 auf 94. In diesem Jahr gab es laut Münch bereits 51 Brandstiftungen, davon blieb es in 15 Fällen bei Versuchen.
Die Zahl rechtsmotivierter Straftaten hatte im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. "Wir haben ein vor zwei Jahren noch unvorstellbares Ausmaß an Gewalt aus dem rechten Spektrum", sagte Münch. "Das ist schon sehr alarmierend." In der rechten Szene gibt es laut BKA derzeit 18 sogenannte Gefährder - also Menschen, denen die Polizei schwerste Straftaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut.