Beobachtungen des Verfassungsschutzes - Als Flüchtlinge getarnte Spione in Mitteldeutschland

Erstveröffentlicht: 
21.06.2016

Rund eine Million Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen, darunter Ärzte, Verkäufer oder Bauarbeiter. Sie erhoffen sich hier Arbeit und eine sichere Zukunft. Allerdings hat der ein oder andere auch ganz andere Absichten: Mitteldeutsche Verfassungsschützer suchen nicht nur nach Extremisten, sondern auch nach Spionen.

von MDR-Aktuell-Thüringen-Korrespondentin Stefanie Gerressen

 

Die Gelegenheit ist günstig für ausländische Spionagedienste: Zehntausende Flüchtlinge sind in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommen. Laut dem Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer befinden sich darunter auch ehemalige Mitarbeiter von Nachrichtendiensten und Militärangehörige, die desertiert seien, um sich nicht an Verfolgung und Kriegsverbrechen beteiligen zu müssen. "Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie gezielt mitgeschleust wurden, um eben nicht nur Spionage hier in der Bundesrepublik generell zu betreiben, sondern natürlich auch nach Oppositionskräften Ausschau zu halten." Man müsse davon ausgehen, dass angesichts der vielen Flüchtlinge aus Syrien auch die dortigen Nachrichtendienste ein höheres Interesse an Deutschland hätten, so der Thüringer Verfassungsschutzchef Kramer. 

 

In Sachsen sind Fälle "getarnter" Spione bekannt


Sachsen-Anhalts Verfassungsschutzchef Jochen Hollmann hat dazu keine aktuellen Erkenntnisse: "Konkrete Fälle haben wir jetzt noch nicht festgestellt. Wir schauen uns aber an: Wer kommt hier ins Land? Das kann man an Pässen erkennen, zum Beispiel ob jemand staatsnah beschäftigt gewesen ist, das kann man an Hinweisen festmachen, die unter Umständen aus dem Kreis der Erstaufnahmeeinrichtungen kommen. Wir sind da sensibilisiert und rechnen auch damit, dass der syrische Staat das tut."

 

Anders in Sachsen: Hier hat der Verfassungsschutz sehr wohl Fälle von Spionage registriert - wenn auch wenige, sagt der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath: "Natürlich bieten jetzt die Flüchtlingsströme auch Mittel und Wege, Personen, die bereit sind, Spionage für diese Dienste zu betreiben, unter dem Deckmantel des Flüchtlings nach Deutschland zu bringen. Da gibt es bisher Einzelfälle, auch mit Sachsen-Bezug. Aber das ist natürlich auch wieder im Verhältnis zur Zahl der Menschen, die hierher flüchten, ein sehr, sehr geringer Anteil." Es sei nichts neues, dass Regime wie in Syrien versuchen, vor allem geflüchtete Oppositionelle im Ausland auszuspionieren, so Meyer-Plath. "Da sind Repressalien gegen Verwandte, Angehörige, Freunde in den Ländern, wo Regime herrschen, natürlich das Ziel der ganzen Sache. Möglicherweise auch Aktivitäten gegen im Ausland aktive Oppositionelle." 

 

Auch der Verfassungsschutz ist an Insider-Infos interessiert


Genaue Angaben oder Zahlen bleiben unter dem Siegel der Geheimhaltung des Verfassungsschutzes. Dass aber Spionage in Deutschland geschieht und ausländische Geheimdienste aktiv sind, sei Tatsache, so der Thüringer Verfassungsschützer Stephan Kramer: "Wir sind hier tätig – mehr möchte ich dazu nicht sagen - geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aber vor allen Dingen sind wir bei denjenigen, die ihre Nachrichten- oder Geheimdienste verlassen haben, natürlich umgekehrt daran interessiert zu erfahren, wie die Situation in den Krisen- und Kriegsgebieten vor Ort aussieht." So sind die Geflüchteten auch eine wichtige Quelle für den Verfassungsschutz. Rund 80 Prozent der Informationen, die dem Verfassungsschutz dienen, sind sogenannte offene Quellen.