Anschlag auf FC-Heim in Eislingen

 Im Vereinsheim des 1. FC Eislingen gingen in der Nacht auf Dienstag zwei Scheiben zu Bruch, als Unbekannte vor einer geplanten Veranstaltung der AfD, Parolen an die Wände schmierten und Farbbeutel warfen.
Erstveröffentlicht: 
14.06.2016

Parolen gegen die AfD an der Fassade, zu Bruch gegangene Scheiben: Unbekannte haben einen Anschlag auf das Vereinsheim des 1. FC Eislingen verübt. Mit Kommentar

 

Der Fußboden im Nebenraum des Vereinsheims ist mit Glasscherben übersät. Zwei eingeworfene Fensterscheiben sind provisorisch abgedichtet worden. Draußen sind Handwerker damit beschäftigt, die Fassade von Farbschmierereien zu befreien. Polizisten untersuchen den Tatort – das Vereinsheim des 1. FC Eislingen. Unbekannte hatten vermutlich in der Nacht auf Dienstag einen Anschlag auf das Gebäude in der Haldenstraße verübt. Auf der Ostseite des Hauses wurden zwei sieben Meter lange schwarze Schriftzüge angebracht – „AFD angreifen“ und „NO AFD“ lauteten die Botschaften. Außerdem wurden sechs Farbbeutel gegen das Gebäude geschleudert, wodurch zwei große Scheiben zu Bruch gingen. Verletzt wurde niemand. Die Polizei schätzt den Schaden, der am Dienstag gegen 10.30 Uhr entdeckt worden war, auf 5000 Euro.

In dem Vereinsheim wollte die rechtspopulistische AfD am Dienstagabend eine auch mit Plakaten beworbene Veranstaltung abhalten. Moritz Brodbeck, der Landesvorsitzende der Jugendorganisation der Partei, sollte über den „Islamischen Staat (IS)“ sprechen. Hier vermutet die Polizei auch den Hintergrund für die Sachbeschädigungen. Deshalb ermittelt der Staatsschutz. Gesucht werden Zeugen, die in der Nähe des am Montag geschlossenen Vereinsheims verdächtige Personen oder Fahrzeuge gesehen haben. Hinweise nimmt die Polizei unter (07161) 8510 entgegen.

Den Tatort besichtigte am Dienstag auch der Göppinger AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner. „Ich bin erschüttert, dass politische Gewalt jetzt auch im Landkreis Göppingen Einzug gehalten hat. Offenbar gelingt es dem kriminalisierten politischen Gegner nicht, sich an die Regeln eines freiheitlichen und demokratischen Miteinanders zu halten“, sagte der AfD-Politiker. Er spricht von „geradezu terroristischen Akten“.

Rainer Interwies, seit 1996 Präsident des 1. FC Eislingen, wirkte am Dienstag sehr nachdenklich. Der 60-Jährige legt großen Wert auf die Feststellung, dass der Verein nichts mit der AfD zu tun habe. Es sei auch nicht der FC selbst gewesen, der den Raum an die AfD vermietet habe, sondern der Pächter der Vereinsgaststätte. Schon die Feier des AfD-Kreisverbands am Abend der Landtagswahl hatte dort stattgefunden. „Wir sind politisch unabhängig, wir haben über 600 Mitglieder und 16 Jugendmannschaften, wir sind international und haben viele Migranten in unserem Verein“, betont Interwies.

Neben dem Präsident steht Joannis Avtzis und telefoniert. Der 48-Jährige mit griechischen Wurzeln trainiert die E1-Fußballjugend. Die Unruhe ist groß, denn am frühen Dienstagabend stehen die Trainingseinheiten mehrerer Teams an. In den Telefonaten geht es immer um dieselbe Frage: Soll man das Training aus Sicherheitsgründen absagen? Denn die AfD-Veranstaltung soll zwar nicht stattfinden, doch treffen wollen sich die Parteimitglieder trotzdem. Und wenn Aktivisten der Gegenseite auftauchen? Droht dann die Eskalation? Die Polizei kündigt an, am Abend Präsenz zu zeigen.

„Es ist schade, dass der Verein da so reingezogen wird“, meint der Jugendtrainer Avtzis. Club-Präsident Interwies weiß, dass der Pachtvertrag es der Vereinsführung nicht erlaubt, in die Vermietung hineinzureden. Doch Interwies ist überzeugt, dass auch der Pächter jetzt die Nase voll hat und es keine weitere AfD-Veranstaltung im Vereinsheim des FC mehr geben wird.

Der AfD-Abgeordnete Fiechtner sieht nicht nur wegen der Ereignisse in Eislingen schwierige Zeiten auf seine Partei zukommen. Er befürchtet, es könnte für die AfD zunehmend schwieriger werden, ihren Wählerauftrag öffentlich wahrzunehmen. „Natürlich hoffe ich, dass es auch künftig genügend Gastwirte und Veranstalter gibt, die uns im Sinne der Freiheit und Demokratie Räume vermieten“, sagt Fiechtner. Sollte das nicht gelingen, werde die AfD in Zukunft vorzugsweise auf öffentliche Räumlichkeiten setzen.

 

 


 

Ein Kommentar von Helge Thiele: Kriminell und dumm

Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, Fassaden zu beschmieren und Scheiben einzuwerfen. Das ist Sachbeschädigung – eine Straftat. Ganz abgesehen davon, dass man nie hundertprozentig ausschließen kann, Menschen zu verletzen, ist der nächtliche Anschlag auf das Vereinsheim des 1. FC Eislingen eine dumme Tat. Denn den Schaden hat nun der Verein, in dem sich mehr als 600 Mitglieder engagieren, in dem vorbildliche Jugend- und auch Integrationsarbeit geleistet wird.

Darüber hinaus ist es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, den politischen Gegner mit Gewalt zu bekämpfen – auch dann nicht, wenn es sich um die AfD handelt. Man muss von der rechtspopulistischen Partei und ihren gesellschaftspolitischen Vorstellungen nichts halten. Doch eine Demokratie lebt von Meinungsfreiheit – und von der inhaltlichen Auseinandersetzung. Die AfD ist nicht verboten und sie ist in den Landtag gewählt worden. Dort und in der öffentlichen Diskussion muss Stellung bezogen werden, wann immer die AfD dazu Anlass gibt.

Die unbekannten Täter in Eislingen haben der Rechtsaußenpartei einen großen Gefallen getan, haben sie doch deren Opferrolle weiter gestärkt. Die AfD will jetzt öfter Rathäuser und Stadthallen für Versammlungen nutzen. Vor Gericht dürfte die Partei gute Karten haben. Björn Höcke zum Beispiel durfte im Februar im Geislinger Rathaus auftreten. Das von der Stadt verhängte Hausverbot wurde aufgehoben.