Demonstrationsbeobachtungen War was? Legida und Pegida heute nur halb live

Erstveröffentlicht: 
06.06.2016

Interessiert es noch jemanden, was da auf dem Richard-Wagner-Platz und heute mal am Naturkundemuseum stattfindet? Gut - die dauernden Sperrungen immer ... Ok, und die, die in geringer Zahl zum Platz selbst seitens Legida und heute auch Pegida pilgern sicher. Die ersten Eindrücke vor Ort zeigen ein – vergleicht man es mal mit den ersten Tagen der „Bewegung“ - Häufchen mit Deutschlandfahnen. Noch geht es nicht um Fußball, sieht aber schon fast an diesem sommerlichen Abend in Leipzig so aus. Also machen wir doch erst einmal ein paar hübsche Bilder …

 

+++ 23:20 Uhr: Der Abend aus Sicht der Polizei +++


Insgesamt wenig los, stellte die Polizei nach Ende der Versammlungen fest. Einmal Legida und neun Gegenveranstaltungen warens heute, von Fahrraddemos bis zum gemeinsamen Eintritt in den Fastenmonat Ramadan auf dem Richard-Wagner-Platz, kreativ und bunt wars in jedem Fall. So auch die Polizei im Nachgang.

Auch beim „Aufzug um den Legida e.V.“, welcher 19:20 Uhr am Naturkundemuseum mit Ansprachen startete und ab 20:15 Uhr auf der Pfaffendorfer Straße, Nordplatz, auf die Nordstraße gen Süden und wieder retour zur Abschlusskundgebung, war „ohne nennenswerte Vorkommnisse“. Gegen 21:50 Uhr wars dann vorbei und das Legida-Trüppchen trollte sich nach Hause.

 

Am Hotel Fürstenhof, als auch auf der südlichen Fahrbahn des Ranstädter Steinweges fanden parallel noch zwei Spontankundgebungen statt. Auch diese wurden anschließend weitgehend sorgenfrei beendet.

 

Ein bisschen Ärger gabs zwar schon noch, sonst hätte das Fazit der Beamten nicht einige Straftaten auf der Liste. So „wurden insgesamt zwei Straftaten (versuchte gefährliche Körperverletzung) gemäß dem StGB und vier Straftaten gegen das Sächsische Versammlungsgesetz (Stand: 22:30 Uhr) durch die Polizei festgestellt.“

 

+++ 23 Uhr: Auch die Rede von Edwin Wagensveld kannte letztlich nur eine Richtung +++


Ed aus Holland, also Edwin Wagensveld machte heute mal wieder einen Ritt quer durch viele Themengebiete. Angefangen bei der Souveränität, dem zunehmend zerstörten Heimatland, auch der „Bevölkerungsaustausch“, die Volksverräter in Berlin. Wenn man sich mal den sicher etwas sehr üblen Spaß macht, ersetzt man in Wagensveld´s Rede einfach „Muslime“ oder „Moslems“ durch „Juden“. Dann wird’s heller, um welche bekannte Sprache es sich letztlich handelt.

 

So forderte „der Holländer“ heute mal eben, man solle nicht bei Muslimen kaufen, sondern nur bei Deutschen. Um die eigene Wirtschaft zu stärken, was laut „Ed“ auch einschließt, nicht mehr in muslimische Länder zu fahren. Türkei und Marokko sind hier also out für den strammen Legida-Anhänger.

 

Hier ist jemand mitten im Kulturkampf unterwegs, vergleicht den Koran einerseits mit Hitlers „Mein Kampf“, wettert über die „Volksverräter“. Bei Hitlers Argumentation hießen diese noch „Novemberverbrecher“ (remember „Dolchstoßlegende“) und wurden von rechtsextremen Kreisen und Medien – ganz wie heute von Wagensveld die heutigen Politiker – verachtet. Der Spruch Wagensvelds in Richtung Politik: „Eure Zeit ist vorbei – Deutschland muss wieder in deutsche Hand.“ ist dann exakt der völkische Staat, den die NSDAP schon einmal errichtete und in den Abgrund führte.

 

Interessant vielleicht noch das Thema der strikten Trennung von Religion und Staat, also in der Version von Edwin Wagensveld. Denn spricht er diese an, sind … Trommelwirbel? nur die Muslime gemeint. Nichts gegen eine strikte Trennung in diesen Fragen – aber wieder nur für eine Religion? Es ist eigentlich das Gleiche in braun wie bei Tatjana Festerling, was Wagensveld heute in Leipzig zu erzählen hatte – ungleiche Behandlung von Menschen, Verachtung für eine bestimmte Gruppe unter diesen, Angst verbreiten statt – wie gegenüber bei den Gegenprotesten – sich kennenlernen.

 

Und bei inhaltlichen Widersprüchen wird der flotte Bogen gemacht.

 

So sieht auch Wagensveld die rechten Bewegungen überall in Europa auf dem Vormarsch und erwähnt natürlich auch den Front National. Dieser hat sich vor einigen Tagen wenig überraschend gegen die vor allem jungen, streikenden und demonstrierenden Menschen in Frankreich ausgesprochen, welche sich gerade verzweifelt gegen die Übernahme eines dem Hartz IV ähnelnden Gesetzes und den Ausbau von prekärer Beschäftigung und Leiharbeit nach deutschem Vorbild wehren. Nachtrag dazu: Siegried Däbritz hat am gleichen Abend in Dresden gegen die „linksextremen“ Demonstrationen bei Pegida gewettert und die klar sozial konotierten Unruhen verurteilt.

 

Wer soziale Verbesserungen will, ist hier also grundsätzlich falsch. Hier geht es ausschließlich um die Rettung einer „Herrenrasse“. Denn die Bewegungen, denen Ed und Tatjana in Leipzig zujubelten, sind allesamt – ob AfD, FN oder andere in Europa – eines nicht: soziale Bewegungen, die für die Zukunft der „kleinen Leute“ kämpfen. Es sind die niedersten Instinkte, welche ihre Attacken gegen Menschen muslimischen Glaubens ansprechen: Ein herbeigeredeter Verteilungskampf zwischen den Kulturen in Europa und das finstere Versprechen: Ist erst der Muslim verdrängt, geht es Euch besser. Mit Speck fängt man eben Mäuse, immer die hungrigsten zuerst. 

 

+++ 21:30 Uhr: Nun also noch ein paar Worte zu Festerlings Ansprache heute in Leipzig +++


Die Ahmadiyya-Gemeinde soll raus, so Festerling im Laufe ihrer Ansprache. Damit ist sie nun endgültig in den Fußstapfen der NPD angelangt (Apropos, gibt es die eigentlich noch?). Man mag überhaupt keinen Islam – obwohl sogar Tatjana Festerling zugeben muss, dass es sich bei den Ahmadis um sehr friedliche Muslime handelt. Aber gut – dann ist es gleich wieder Scheinheiligkeit – der Frau kann es der Muslim nie Recht machen. „Säkulare Ex-Muslime“ sind die einzigen, denen Festerling neben den Christen und Juden helfen würde.

 

Interessanter vielleicht ihre heutigen Einschätzungen zur Lage der eigenen GIDA-Bewegung: „Rechtes, konservatives und ja auch nationales Denken“ sieht sie hier verortet, rechts sein ist demnach normal. Mehr noch „Rechtssein ist der neue Megatrend in Europa, rechts sein ist die Zukunft in Europa.“, so Festerling.

 

So schleift man Begriffe ab, ohne sich den Opfern und den Folgen der eigenen Ideologie von der Ungleichwertigkeit der Menschen stellen zu müssen. Während in Sachsen und anderswo in Deutschland und Europa Gewalt allzu oft eben aus genau diesen Ausgrenzungen heraus stattfindet, wird ihr hier durch die Frontfrau von Pegida gehuldigt.

 

Hier wird wieder beschrieben, dass die Menschen eben keine gleichen Rechte auf freie Religionswahl, eine eigene Lebensgestaltung oder auch nur einen von europäischem Boden abweichenden Geburtsort und Kultur haben, dass es also Menschen gibt, die einfach weniger als andere Menschen wert sind. Im Kern darf man also Festerlings Worte als die Definition nehmen, was ausgrenzende Ideologien auszeichnet. Und oft genug im Kulturkampf endet, oft blutiger als so mancher Schlafwandler mit seinen wohlfeilen Parolen anfangs glaubte.

 

Ausgezeichnet sieht Tatjana Festerling heute in Leipzig die eigene, rechte Bewegung durch die untrüglichen Merkmale, wie „das Leistungsprinzip, das Eigentum und natürlich ein traditionsbewusstes Gedankengut.“ War das nicht CDU? Oder AfD? Oder einfach nur Kapitalismus? Aus dieser untrüglichen Position der selbst gewählten Werte heraus, werden jedenfalls andere zu geringwertigen Menschen erklärt. Wie gefährlich sich diese überhöhte Eigenposition bereits schon einmal in der Weltgeschichte erwiesen hat, hat Festerling längst vergessen. Mindestens scheint es so – Rechts ist heute wieder geil, findet man bei Pegida und Legida. Und jede Minderheit sollte sich schon mal warm anziehen.

 

Der zweite bemerkenswerte Punkt vielleicht noch, dass Festerling auch heute in guter NS-Tradition den Vorschlag erneuerte, bei der Bilderberger-Konferenz am kommenden Wochenende in Dresden eine Art gemeinsame (manche sagen Quer-)Front zu bilden, um gegen die Konferenz zu protestieren. Das verstünden die bösen Leipziger Linken halt nicht (Unterstellung: Sie würden es nicht ernst meinen mit ihren gesellschaftlichen Bestrebungen) und hätten hier abgelehnt.

Die Gründe dafür hat Festerling heute nochmals in ihrer Rede frei Haus geliefert (siehe Textanfang). 

 

+++ 21:17 Uhr: Bissel lang die Stangen? +++


Locker scheint man es heute auch bei der Polizei anzugehen. Mal wieder tauchen die Teleskop-/Angelruten im Demozug entgegen der Demonstrationsauflagen in Leipzig auf. Mal wieder das schale Gefühl, dass diejenigen, denen gesetzliche Vorgaben egal sind, anderen Pflicht und Ordnung einbimsen wollen.

 

+++ 20:50 Uhr: Ein paar Impressionen vom Marsch zwischendurch +++


Wenn der Badesee lockt? Irgendwie erinnert wirklich nicht mehr viel an die Zeiten von vor 1,5 Jahren, als hier 3.000 bis 5.000 Teilnehmer zu Legida kamen. Eine Art Mikrokosmos mit großen Bannern. Kurz vor dem Start fragt ein Teilnehmer unseren Fotografen, ob man nicht mal ein Gruppenfoto machen wolle. Alles entspannt, nur die Botschaften halt nicht.

 

Die Initiative „Durchgezählt“ hat nun auch den Umzug von Legida an sich vorüberziehen lassen und meldet 410 bis 450 Teilnehmer. Irgendwie scheint das Abendland heute selbstgenügsam. Aber es ist ja bekannt, dass hinter jedem Demonstranten hier noch 1 Million weitere Menschen stehen, die auch denken, dass die Muslime das größte Problem auf der Welt sind. Die 2.000 Teilnehmer vom 11. Januar 2016 bleiben jedenfalls in weiter Ferne. 

 

+++ 20:40 Uhr: Ein erster Schnelldurchlauf zu Tatjana & Zuschauerschwund +++


Weil es ihr so wichtig ist, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen sie eingestellt hat, wiederholt Tatjana Festerling den nun „gerichtsfesten“ Spruch. Und wir schreiben ihn noch mal hin: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln.“

 

Das darf sie nun sagen und freut sich darüber. Die anderen haben verloren, sagt sie noch und alle vor der Bühne freuen sich mit heute in Leipzig. Und jetzt? Gehts nun los mit der Prügelei? Oder doch nur bei den „SPD-Blättchen“ (Festerling verweist auf die Geschäftsanteile der Partei) LVZ und Sächsische Zeitung? Wo auch immer sie da „Eliten“ vermutet, die man da verhauen sollte, Tatjana Festerling hat heute sichtlich Spaß vor kleinem Publikum. Apropos Publikum: Im Livestream (nein, heute hatten wir keine Lust, ihn einzubinden und dies zeigt auch Wirkung) gehts zahlenmäßig bergab. Statt also immer parallel über den Quark von der Bühne zu diskutieren, machen wir es heute mal ruhiger und zeitlich etwas versetzt.

 

Zwischenfazit: Der Stream hat einen deutlichen Zuschauereinbruch, Test gelungen. In der Spitze noch 350 Zuschauer heute auf dem Youtube-Kanal der Islamfeinde ohne die L-IZ als „Medienpartner“. Also gleich noch ein paar Sätze zu den wichtigen Ausführungen der Frau, die sich über Wuppertal, Hagen (da widersprechen sich noch die Quellen), Hamburg und Dresden nun nach Leipzig durchgeschlagen hat. Wie gesagt – in Ruhe … 

 

++ 20 Uhr: War was? Ach stimmt – Pegida ist zu Gast in Leipzig +++


Hier sind sie (Stand 20 Uhr) in chronologischer Form. Vorab vielleicht so viel: „Merkel muss weg“ (Burkhard Jung auch), „Lügenpresse“ und böse Politik war schon dran. Die Asylsuchen und Flüchtlinge auch schon. Die Gegendemonstration steht am Wagner-Platz und versucht immer wieder näher heranzukommen. Die Polizei – in ihrer bekannten Funktion – versucht ebendies zu verhindern.

 

Die Intiative „Durchgezählt“ hat unterdessen schon mal ein paar Zahlen parat. „Bei Pegida in Dresden demonstrieren heute zwischen 1.950 und 2.350 Menschen. Ermittelt per Demozugzählung.“ Man darf also mittlerweile bei Pegida selbst von einem harten Kern von 2.000 Anhängern auf der Straße ausgehen. In Leipzig haben die Wissenschaftler erst einmal den Gegenprotest eingeordnet.

 

So habe gegen 19 Uhr die Demo „Reclam the streets – cycling against racism“ mit 120-130 Radlern die Innenstadt von Leipzig erreicht, während Platznehmen heute mit rund 500 Menschen vor Ort ist.

 

Auf der Bühne haben sie heute mit Torsten einen Hobby-Islamforscher gehört, der versuchte, Uraltsprüche der Ahmadiyya-Gemeinde zu interpretieren. Wie zu erwarten, ging es um Angst vor der islamischen Übernahme ganz Europas – dazu und zum Auftritt von Tatjana Festerling gleich mehr.