NSU-Ausschuss in Hessen - Ex-Polizist auf Rocker-Partys

Erstveröffentlicht: 
20.05.2016

Ein Ex-Polizist bestreitet im NSU-Ausschuss zu den Morden der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund Kontakte zu "Blood and Honour". Nach Spekulationen soll das Neonazi-Netzwerk mit dem NSU kooperiert haben.

 

Carsten C. sagt, er wisse selbst nicht so genau, warum er heute hier sitze. Er sei schließlich nur ein „einfacher Streifenbeamter“ gewesen, habe nie Kontakt mit Neonazis gehabt. Er habe viel nachgedacht, warum das trotzdem behauptet werde. „Aber ich habe keine Erklärung dafür, und ich bin gespannt, ob sich das heute ein bisschen aufklärt.“

 

Es ist eine heikle Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Mordserie der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), die an diesem Freitag im hessischen Landtag stattfindet. Als Zeugen sind zwei Polizisten aus Nordhessen geladen, die Kontakt zu „Blood and Honour“ gehabt haben sollen – jenem Netzwerk fanatischer Neonazis, das früher sehr aktiv in Nordhessen war und in dessen Umfeld sich auch die NSU-Terroristen radikalisiert haben. Ein Bericht des „Wiesbadener Kurier“ über die Vorwürfe hatte im vergangenen August hohe Wellen geschlagen.

 

Carsten C., pensionierter Polizist aus Rotenburg an der Fulda, leugnet als Zeuge jeglichen Bezug zur rechten Szene. Deren Kasseler Treffpunkt „Pflaumenbaum“ kenne er nur „vom Vorbeifahren“, mit nordischer Mythologie befasse er sich aus rein privatem Interesse. „Mich interessiert einfach die Geschichte“, sagt der 43-Jährige. Später räumt C. allerdings ein, dass sich auf seinem Facebook-Profil einige rechte Beiträge etwa gegen Flüchtlinge fänden. Er habe diese Sachen aber nicht gepostet, beteuert er: Es sei schon öfter vorgekommen, dass auf seinem Profil plötzlich fremde Dinge stünden. Möglicherweise sei ja sein Account gehackt worden.

 

Noch etwas anderes muss C. zugeben: Von Juni bis Oktober 2012 war er Mitglied des Rockerclubs „Chicanos Kassel“, die sich damals mit den „Bandidos“ ein Clubhaus geteilt hätten. „Die fahren Motorrad“, sagt C. treuherzig über die Bandidos, was für Heiterkeit im Saal sorgt – schließlich wird der berüchtigte Motorradclub mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht. Und auch Michel Friedrich, früher ein zentraler Kasseler Nazikader, war Mitglied. Friedrich kenne er oberflächlich, sagt C. „Man ist sich halt begegnet im Clubhaus.“ Und er sei mit Friedrich und einigen anderen Rockern auf Partys gefahren, in die Nähe von Bad Schwartau, Dortmund oder Siegen. Das seien aber ganz harmlose „Motorradclub-Feten“ gewesen, versichert er den merklich aufhorchenden Parlamentariern.

 

Ein Einwurf von Hermann Schaus, Obmann der Linken im Ausschuss, sorgt schließlich noch für einen echten Streit: Es sei ein mittlerweile verstorbener V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen, der um das Jahr 2000 auf die möglichen Nazi-Kontakte von C. und einem seiner Kollegen hingewiesen habe, sagt Schaus unter Berufung auf Akten – woraufhin der Ausschussvorsitzende Hartmut Honka (CDU) Schaus anherrscht, er solle aufpassen, was er in öffentlicher Sitzung sage.

 

Ebenso wie Carsten C. wurde auch Mike R., der zweite Zeuge an diesem Tag, nicht um das Jahr 2000, auch nicht nach Auffliegen des NSU im November 2011, sondern erst im Sommer 2015 nach seinen Bezügen zu „Blood and Honour“ befragt. Der 46-Jährige sagt, er habe niemals etwas mit Rechten zu tun gehabt – außer dienstlich, als Bereitschaftspolizist. Vielleicht liege einfach eine Verwechslung vor. Die Parlamentarier können aus R. als Zeugen nicht viel mehr herausholen. Er wird nach kurzer Zeit entlassen.