CDU in Sachsen - Vaterlandsliebe als Krisenarznei

Erstveröffentlicht: 
19.05.2016

Bundesweit grübelt die CDU über eine Strategie gegen die AfD. In Sachsen propagiert die Partei nun den Patriotismus.

 

Was hält unsere Welt im Innersten zusammen? Die sächsische Union entdeckt die Faust-Frage neu und kennt auch gleich eine Antwort: Patriotismus – die edle Liebe zum Vaterland – gibt Halt und Orientierung.

 

So stand es in der Einladung zu einer Regionalkonferenz am Dienstagabend im Dresdner Hygienemuseum, der etwa 130 Unionsfreunde folgten. Und wenn mit deutschem Patriotismus schon nicht die ganze Welt zusammenzuhalten ist, dann doch zumindest die schwankende CDU-Wählerschaft, gebeutelt durch Attacken von Pegida und der AfD.

 

Bundesweit laboriert die Union derzeit an der Frage, wie mit der rechten Konkurrenz umzugehen ist. Die Dresdner Regionalkonferenz wärmte jene 12 Thesen über einen „Deutschen Patriotismus im vereinigten Europa“ wieder auf, die ein CDU-Landesparteitag schon im November 2005 beschlossen hatte.

 

Ihr damaliger Autor Matthias Rößler ist heute Landtagspräsident. Als Impulsredner referierte er nun sein Werk noch einmal, obschon ein aktuelles Nachfolgepapier in Aussicht steht. Rößler propagiert einen idealen, unschuldigen, per se positiven Patriotismus, der vom Nationalismus, der andere herabwürdigt, zu unterscheiden sei. Als dessen Wurzeln bezeichnet er das antike Erbe, das Christentum und die Aufklärung. 

 

Toleranz und deutsche Leitkultur


„Echte Patrioten stellen sich den guten und schlechten Seiten der Geschichte“, erklärte Rößler. Patriotismus heute sei verbunden mit dem Bekenntnis zu Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie. Die Toleranz endet für Rößler allerdings bei der deutschen Leitkultur: Der hätten sich alle Zuwanderer unterzuordnen. „Sie müssen sich mit Haut und Haaren auf unser Land, auf unsere Gesellschaft einlassen“, rief Rößler unter Beifall.

 

Was diese Leitkultur ausmacht, wie sie konkret zu fassen ist, sagte Rößler nicht. Es wurde auch in der Diskussion nicht erörtert. Über die „emotionalen Symbole“ Flagge, Fußball und Nationalhymne gingen die Ansätze nicht hinaus.

 

 

Die Diskussion der erschienenen CDU-Mitglieder mit Rößler und Ministerpräsident Stanislaw Tillich driftete ohnehin vom Thema weg und offenbarte, was die Sachsen-Union eigentlich bewegt: Patriotismus als gesellschaftlichen Kitt zu bemühen. 

 

Erfahrungen mit internationalem Hochschulpersonal


Die Beiträge klangen eher nach Bürgersprechstunde oder Pegida light. Von Überfremdungsängsten war die Rede, Islam-Ängsten, Scharia-Ängsten. Aber auch vom Bahnverkehr und abgehängten ländlichen Räumen. Tillich stimmte vorsichtig in die Kritik am möglichen Missbrauch der doppelten Staatsbürgerschaft ein.

 

Einer der wenigen kritischen Redner warf die Frage auf, ob ein Volk, das derart schrumpfe, überhaupt das Recht habe, über Patriotismus zu sprechen. Verunsicherung allenthalben. Eine Frau wagte die Bemerkung, dass es auch unter Deutschen bereits sozial bedingte Parallelgesellschaften und nicht integrierte Steuerflüchtlinge gebe. Ein Einwurf, den Ministerpräsident Tillich nicht verstand. Ein Student wiederum fragte angesichts seiner Erfahrungen mit internationalem Hochschulpersonal, warum es eine Patriotismus-Debatte überhaupt brauche.

 

„Patriotismus kann man nicht herbeireden oder verordnen“, räumte schon das sächsische Thesenpapier von 2005 ein. Muss man auch nicht mehr. Denn die rechte CDU-Konkurrenz punktet damit längst. Davon sprachen weder Rößler noch Tillich direkt, sondern propagierten stattdessen deutschen Nachholbedarf an einem „selbstverständlichen“ Patriotismus, wie ihn die französischen oder polnischen Nachbarn demonstrieren.