Die Polizei schiebt eine achtköpfige Flüchtlingsfamilie mitten in der Nacht aus Schwarzenberg ab - obwohl Eltern und Kinder als gut integriert gelten.
Aue/Schwarzenberg. Große, blaue Mülltüten, die auf dem Dachboden stehen und bis zum Rand gefüllt sind mit Kleidung. Das ist das, was vom Leben der Familie Sahiti in Schwarzenberg geblieben ist. Nach drei Jahren in Deutschland wurde die achtköpfige Familie vor kurzem abgeschoben. "Sie sind obdachlos und leben jetzt verstreut bei Freunden im Kosovo", sagt ihre ehemalige Betreuerin Hannah Snella mit leiser Stimme. "Es ist so traurig. Die Kinder sind hier zur Schule gegangen und waren gut integriert."
Snella hat in den vergangenen Tagen zusammengetragen, was Eltern und Kinder in jener Nacht nicht mitnehmen konnten, als völlig unerwartet Polizisten vor der Tür standen. Es war ein Donnerstagmorgen, kurz nach 3Uhr, als es klingelte. "Sie gehen jetzt in den Kosovo", soll ein Beamter die verdutzte Familie begrüßt haben. Dann ging alles ganz schnell.
"Sie hatten eine Stunde Zeit, um zu packen", erzählt Snella, die selbst dabei war. "Alle haben geweint." Die Polizisten hätten währenddessen daneben gestanden und dumme Sprüche gemacht, etwa gerufen: "Macht schneller, das ist kein Umzug." Dem Präsidium der Bereitschaftspolizei sind auf Nachfrage keine Vorwürfe bekannt. "Wenn gelacht wurde, dann ohne Bezug zur Sache", erklärt Sprecher Daniel Adner.
Albana (15), die älteste Tochter der Familie, bestätigt hingegen in einem Telefonat das rüde Vorgehen der Polizei. "Sie haben keine besondere Rücksicht auf uns genommen. Wir mussten gehen, ohne Tschüss zu sagen." Jetzt lebe sie mit ihren Eltern und fünf Geschwistern - 5, 7, 9, 12 und 17 Jahre alt - im Freien. "Wir haben kein richtiges Zuhause mehr, uns geht es nicht gut. Ich will wieder zurück nach Deutschland."
Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Weil der Asylantrag der Eltern ablehnt wurde, war die Familie ausreisepflichtig - die Abschiebung somit rechtmäßig. Die Landesdirektion Sachsen will sich gestern zu dem Fall nicht weiter äußern. Für Betreuerin Snella ist die Entscheidung eine menschliche Katastrophe: "Die jüngsten Kinder sprechen nur noch Deutsch", sagt sie. "Wieso schiebt man sie jetzt noch ab? Was passiert mit der verbliebenen Kleidung?"
Es sind Fragen, die sich auch in anderen Fällen stellen, etwa bei einem Somalier, der Anfang dieses Monats von der Polizei aus Schwarzenberg abgeholt wurde. "Er war einer, bei dem ich dachte, dass die Integration gelingt", sagt eine Helferin, die ihn gut kannte. Er sei fleißig gewesen, habe in der Region bleiben wollen. "Doch plötzlich war er weg. Man kommt sich so machtlos vor."
Die Auer Migrations-Expertin Angela Klier kennt die Probleme und plädiert für eine großzügigere Einzelfallprüfung. "Wenn jemand gut integriert ist, müsste man noch einmal genauer hinschauen." Zugleich berichtet sie, dass sich derzeit die Abschiebungen in der Region häufen würden. "Es gibt eine richtige Welle. Der Freistaat versucht offenbar, Platz zu schaffen." Laut aktuellen Angaben der Landesdirektion Sachsen hat es allein bis Ende April dieses Jahres etwa 1600 Abschiebungen geben; im gesamten Vorjahr waren es 1725.
Unklar bleibt, warum in einigen Fällen die Abschiebung für die Betroffenen überraschend kommt. Laut Klier wird diese in einem Schreiben angedroht - wenn auch ohne exaktes Datum. "Vielleicht wurde das Schreiben an die falsche Adresse geschickt."
Die Probleme bei den Abschiebungen in der Region sind inzwischen bis auf Landtagsebene vorgedrungen. Die Abgeordnete Petra Zais (Grüne) hat eine Kleine Anfrage zum Thema gestellt und kritisiert darin, dass den Menschen beim Packen nur wenige Minuten gegeben werde. Sie fragt: "Wie wird sichergestellt, dass die abgeschobenen Menschen Zugang zu ihrem Eigentum erhalten?"
Im Fall der Familie Sahiti wollen Unterstützer nun Spenden sammeln, um den Eltern zu helfen und ihnen ihr verbliebenes Hab und Gut zuschicken zu können.
Spendenkonto: AG Asylsuchende SOE e.V.
Iban: DE 80 8506 0000 1000 8169 22
BIC: GENODEF1PR2
Volksbank Pirna
Verwendungszweck: Spende Familie Sahiti