EU-Agrarreform: Der Kampf ums Geld geht los

Erstveröffentlicht: 
24.02.2010

In der EU beginnt die Debatte um eine neue Agrarreform.

 

Die deutschen Landwirte müssten eigentlich jeden Tag Gerhard Schröder in ihr Nachtgebet einschließen. Der sozialdemokratische, der Landwirtschaft nicht sonderlich nahe stehende Kanzler traf 2002 mit seinem Freund Jacques Chirac, dem französischen Staatspräsidenten, ein Übereinkommen. Danach sollten die Gelder für die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union bis 2013 nicht gekürzt werden. Damit blockten die beiden den damaligen britischen Premierminister Tony Blair ab, dem schon vor acht Jahren die Landwirtschaftspolitik der EU zu teuer war.


56 Milliarden Euro macht die EU jedes Jahr zur Unterstützung ihrer Landwirte locker. Mit neun Milliarden Euro ist Frankreich größter Empfänger, die deutschen Bauern bekommen im Jahr rund sechs Milliarden Euro aus Brüssel. Von der gesamten Summe fließen 38 Milliarden Euro den Landwirten als Direktzahlungen zu. Das nennen Fachleute die erste Säule. Sie macht, zumindest in Baden-Württemberg, für die meisten Landwirte rund die Hälfte ihres Einkommens aus. Weitere 18 Milliarden Euro aus Brüssel fließen in die sogenannte zweite Säule, die ländliche Entwicklung. Diese Gelder sollen dafür sorgen, dass das Leben auf dem Land attraktiv bleibt.


Allerdings wird das Geld aus Brüssel ziemlich ungleich verteilt. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten im Osten bekommen pro Hektar deutlich weniger als ihre Berufskollegen im Westen.

Im Jahr 2013 beginnt in Brüssel ein neuer Finanzabschnitt. Die 27 EU-Staaten müssen erstens grundsätzlich entscheiden, wie viel Geld sie der Union zur Verfügung stellen wollen. Bisher ist das ungefähr ein Prozent des EU-Bruttosozialprodukts. Zweitens müssen sie klären, wie diese Mittel auf Bereiche wie Forschung, Regionalförderung und Agrarpolitik verteilt werden.

Der Mann, der in Brüssel die Richtung für die Agrarpolitik nach 2013 vorgibt, heißt Dacian Ciolos. Der Rumäne folgt der Dänin Mariann Fischer Boel als neuer Agrarkommissar. Diese Personalentscheidung provozierte zunächst hämische Kommentare, weil Rumäniens korrupter Umgang mit Brüsseler Agrarsubventionen berüchtigt ist. Bei der Anhörung im Europaparlament beeindruckte der gelernte Agrarökonom allerdings durch sein Detailwissen der komplizierten Materie. Vor allem aber gefiel den Abgeordneten des Agrarausschusses seine Zusicherung, der Agrartopf werde nicht beschnitten und Direktzahlungen für Betriebe würden auch nach 2013 ohne nationale Kofinanzierung gezahlt.

Doch der Applaus, den die 89 Mitglieder des Agrarausschusses spendeten, ist kein Indikator dafür, welche Reform sich die Mehrheit des 734 Köpfe zählenden EU-Parlaments wünscht. Im Agrarausschuss bleibt die Bauernlobby weitgehend unter sich. Im Plenum gibt es hingegen viel Sympathie für eine echte Agrarreform, die dafür sorgt, dass nicht mehr wenige industrialisierte Großbetriebe den Löwenanteil der Subventionen erhalten, während das Bauernsterben weitergeht.

Das ist deswegen bedeutsam, weil mit dem jetzt geltenden Lissabon-Vertrag das EU-Parlament in der Agrarpolitik mitbestimmt. Die Macht des neuen Agrarkommissars Ciolos liegt darin, dass nur er die Reformvorschläge auf den Tisch legen kann. Welche Reformen er anstrebt, verrät er aber nicht. Er versichert lediglich, die Mittelverteilung müsse ausgeglichener werden zwischen alten und neuen Mitgliedsstaaten.

Verglichen mit seinen vorsichtigen Ansätzen erscheinen seine Vorgänger Franz Fischler und Mariann Fischer Boel rückblickend wie kühne Revolutionäre. Sie traten mit ehrgeizigen Reformideen an, scheiterten jedoch am Besitzstandsdenken der Bauernlobby.

Ob es Ciolos besser ergeht, lässt sich noch nicht absehen. Harte Kämpfe um die Verteilung der Mittel für die Landwirtschaft mit Nachtsitzungen und Verhandlungsmarathons bis zur Erschöpfung haben in Brüssel Tradition. Auch wie die Frontlinien verlaufen, ist im Prinzip klar: Auf der einen Seite stehen marktorientierte Länder wie Großbritannien, aber auch Schweden oder die Niederlande. Sie wollen weniger Geld in die Landwirtschaft stecken. Auf der anderen Seite befinden sich Schwergewichte wie Frankreich und Deutschland, die das bestehende System nicht umkrempeln wollen.

CSU-Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner hat schon wissen lassen, dass sie weitermachen will wie bisher. "Das Europäische Landwirtschaftsmodell hat sich bewährt", heißt es in einem Positionspapier des Ministeriums. Auch künftig seien stabile Direktzahlungen erforderlich. Dass sie Unterstützung von Gerd Sonnleitner bekam, dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, versteht sich von selbst. Ebenso, dass die Grünen nichts von dieser Politik halten. Aigner hat allerdings auch nicht die Unterstützung des Koalitionspartners FDP. "Sie macht der Landwirtschaft etwas vor", sagte die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christel Happach-Kasan. "Man muss die Bauern auf Kürzungen vorbereiten."