Die geheimen Planungen für ein neues ostdeutsches Abhörzentrum laufen seit vier Jahren – jetzt macht die Internet-Plattform netzpolitik.org den Entwurf für einen entsprechenden Staatsvertrag öffentlich. Demnach ist das 15,5 Millionen Euro schwere Großprojekt von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg schon weit gediehen. Das sächsische Innenministerin hält die Veröffentlichung für nicht förderlich, da die Bundesländer das Papier momentan intern beraten. Grüne und Linke fordern Aufklärung.
Dresden. Die Geschichte verströmt einen Hauch von Ed Snowden, dem berühmten Whistleblower: Da versucht die sächsische Regierung einiges, um möglichst wenig Informationen über ein geplantes Abhörzentrum offen zu legen – und dann ist der geplante Staatsvertrag seit gestern mit den ostdeutschen Bundesländern unter netzpolitik.org im Internet nachzulesen. Sprich, eine undichte Stelle hat das geheime Papier durchsickern lassen. Die Verhandlungen hatten schon seit 2012 stattgefunden, das sächsische Innenministerium hatte gegenüber der LVZ wiederholt von einer Investition in die polizeiliche Zukunft und der Bündelung von Kompetenzen gesprochen. Auch die Opposition blitzte mehrmals ab. Erst vor Kurzem antwortete Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf einen Antrag der Grünen-Fraktion: Die Dokumente seien „Gegenstand des laufenden Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses, weshalb an dieser Stelle keine weitere Erörterung erfolgen kann“.
Ziel: Telefone und Computer ausspähen
Konkret geht es um das von Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin und Brandenburg avisierte Gemeinsame Kompetenz- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung (GKDZ). Sachsen hat die Hoheit bei den Planungen. Ziel ist, schlagkräftiger gegen Schwerkriminelle und mutmaßliche Terroristen vorgehen zu können – und zum Beispiel Telefone und Computer von Verdächtigen effektiver abhören und ausspähen zu können. Als Sitz ist Leipzig vorgesehen, daneben entsteht eine Zweigstelle in Dresden, die Eröffnung soll 2018 erfolgen. Laut Staatsvertrag-Entwurf belaufen sich die Gesamtkosten auf 15,5 Millionen Euro für die ersten beiden Jahre. Auf Sachsen entfallen 4,2 Millionen Euro, die bereits im laufenden Doppelhaushalt reserviert sind (die LVZ berichtete).
Ministerium: Interne Beratungen laufen
In Dresden wird die aktuelle Veröffentlichung nicht unbedingt als förderlich bei der Umsetzung des Großprojekts gesehen. „So etwas kann man nicht verhindern, deshalb müssen wir jetzt damit leben. Es wäre aber besser, wenn ein solcher Entwurf zunächst intern beraten wird“, heißt es im Innenministerium. Zugleich verweist ein Sprecher auf das durchaus übliche Prozedere in solchen Fällen: „Wir enthalten keinem etwas vor. Es finden Gespräche auf der Arbeitsebene statt, die Länder müssen sich zunächst auf die Grundlagen einigen – danach geht der Entwurf in die Landeskabinette, dann in die Parlamente.“ Zudem seien die Datenschutz-Beauftragten von Beginn an beteiligt. Nach gegenwärtigem Stand wird sich das sächsische Kabinett Ende des Jahres mit den Planungen befassen.
Der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann fordert den Innenminister dennoch auf, „dem Landtag endlich alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Informationen werden mir bis heute verweigert.“ Aus dem jetzt veröffentlichten Papier sei ersichtlich, dass es erhebliche datenschutzrechtliche Defizite gebe. Neben Lippmann hat auch die Linke das geplante Abhörzentrum mehrfach kritisiert. Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Enrico Stange, hatte das GKDZ zuletzt als „spinnerte Idee“ bezeichnet.
Von Andreas Debski