Er beschimpft Politiker, hetzt gegen Muslime: Der Lahrer AfD-Kandidat und Freiburger Staatsanwalt Thomas Seitz steht wegen umstrittener Äußerungen auf Facebook in der Kritik. Hat das Folgen?
Auf Facebook bezeichnet der Lahrer AfD-Politiker Thomas Seitz SPD, Grüne und Linke schon mal als "linke Verräterbande", Flüchtlinge sind für ihn "Invasoren" und die Bundesregierung habe "ihr Land verraten". Allerdings ist Seitz nicht nur Kandidat seiner Partei bei der Landtagswahl, sondern hauptberuflich Staatsanwalt in Freiburg. Rechtsexperten fordern nun disziplinarische Konsequenzen. Möglicherweise hat sich Seitz mit seinen Äußerungen strafbar gemacht.
Erfüllen Seitz’ Postings Straftatbestände?
Im November 2015 postet Thomas Seitz folgende Sätze auf Facebook: "Das Merkelsche Wirtschaftswunder: Auf Kosten des Deutschen Volkes und der legalen Bewohner dieses Landes. Gleichzeitig ist es der Auftakt zur Vernichtung des Deutschen Volkes und aller Errungenschaften, die Deutschland für so viele Menschen attraktiv gemacht hat." Es ist nicht das erste Mal, dass sich der 48-Jährige zur Flüchtlingspolitik äußert. Über Monate hinweg lässt sich auf seiner Facebook-Seite verfolgen, wie er gegen Muslime hetzt, Politiker beschimpft und sich rassistisch äußert. Einige der Posts sind zwischenzeitlich gelöscht worden, andere sind nach wie vor zu lesen. Einige seiner Facebook-Aktivitäten sind in unserer Minigalerie (siehe oben) dokumentiert.
Die BZ hat Äußerungen von Seitz dokumentiert und mehreren Juristen vorgelegt. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass möglicherweise Straftatbestände wie Beleidigung, Beschimpfung religiöser Bekenntnisse und Volksverhetzung erfüllt sind. Doch was heißt das für den Staatsanwalt Seitz, der für die Verfolgung von Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeiten zuständig ist?
"Beamte sind rechtlich dazu verpflichtet, sich auch in der Öffentlichkeit in einer dem Amt angemessenen Weise zu verhalten", sagt der Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Stefan König. "Es bedarf dringend einer disziplinarischen Prüfung, ob diese hetzerischen Äußerungen mit der Tätigkeit als Staatsanwalt zu vereinbaren sind. Ich persönlich halte jemanden, der sich auf diese Weise in der Öffentlichkeit positioniert, für das Amt eines Staatsanwaltes, von dem Objektivität und abgewogenes Vorgehen erwartet werden, nicht tragbar."
Andrea Titz, Richterin am Oberlandesgericht München und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, möchte sich zu dem Fall Seitz nicht direkt äußern. Grundsätzlich sei es so, dass "Richter und Staatsanwälte sich nur dann politisch betätigen dürfen, wenn dadurch das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit und Neutralität nicht gefährdet ist – und sich die jeweilige Partei nicht offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt."
Gut informierten Kreisen zufolge beschäftigten sich Seitz’ Vorgesetzte Ende 2014 mit seinem politischen Engagement. So habe sich der Petitionsausschuss eingeschaltet, weil Zweifel an seiner Verfassungstreue aufgekommen waren. Seitz war 2011 mehrere Monate lang Mitglied der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, die in Bayern inzwischen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Da Seitz offenbar kein Amt bekleidete, verlief die Angelegenheit im Sand.
Staatsanwaltschaft prüft den Fall
Das Landesjustizministerium verweist im Fall Seitz auf den zuständigen Leitenden Oberstaatsanwalt in Freiburg. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg erklärte, dieser prüfe derzeit, ob und inwieweit das Auftreten und die von der BZ übermittelten Äußerungen mit dem Amt des Staatsanwaltes vereinbar sind. Geprüft würden auch Urheberschaft und Inhalt der Äußerungen.
Seitz will die Vorgänge um seine Tätigkeit als Staatsanwalt nicht kommentieren. "Es handelt sich um eine dienstliche Angelegenheit, zu der ich keine Erklärung abgebe", sagte Seitz der Badischen Zeitung. Er könne auch die Irritationen bezüglich seiner Facebook-Posts nicht nachvollziehen. Seine Äußerungen seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Aus seiner politischen Haltung macht Seitz indes keinen Hehl – das sorgt
auch im Lahrer Wahlkreis für Unmut, in dem Seitz für den Landtag
kandidiert. Beim BZ-Kandidatencheck hatte Seitz sich unverblümt zur aktuellen Lage geäußert
und Horst Seehofer zitiert: "Wir haben eine Herrschaft des Unrechts."
Er sei voll Zorn angesichts der Arroganz der Macht, die das Recht nach
Belieben breche. Und weiter: "Das betrifft alle etablierten Parteien.
Hier gilt das Sprichwort: Alle in einen Sack packen und draufhauen, man
trifft dabei nie den Falschen."
Für die Lahrer SPD-Gemeinderatsfraktion war damit das Maß voll. In einer
Stellungnahme zeigte sie sich empört, dass diese Äußerungen von einem
Staatsanwalt kommen, der eigentlich den Rechtsstaat verkörpern sollte.
Es erinnere, so das vom Fraktionsvorsitzenden Roland Hirsch und seinen
sieben Kollegen unterzeichnete Schreiben, "nicht nur an
menschenverachtende, braune Zeiten und lässt ihr Wiederaufleben
befürchten, es fordert auch heraus, gegen einen solchen Rechtspopulisten
rechtliche Schritte einzuleiten". Seitz nahm den Ball auf und griff in
einem Offenen Brief nicht nur die Lahrer SPD-Kommunalpolitiker frontal
an. Für ihn zählt die SPD nicht mehr zum Kreis der demokratischen
Parteien: "Wundern Sie sich deshalb besser nicht mehr, wenn gerade
jemand, der so wie ich für die Einhaltung des Rechts einsteht, Ihre
Partei dem sprichwörtlichen ‚Sack‘ zuordnet." Er habe nicht zu Gewalt
gegen Repräsentanten oder Mitglieder der "Altparteien" (O-Ton Seitz)
aufgerufen, er habe vielmehr seine Verachtung für die aktuelle Politik
und die Vorgehensweise der dafür verantwortlichen Parteien zum Ausdruck
gebracht. Seitz legte der SPD-Fraktion nahe, ihrer Erwägung rechtlicher
Schritte Taten folgen zu lassen. Andernfalls drohe ihr das gleiche
Schicksal wie dem bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer, der
mittlerweile als "Maulheld" (Seitz) enttarnt sei.
Bei einem Auftritt des Mitbegründers der AfD und ehemaligen
Bundessprechers, Konrad Adam, hatte Seitz am vergangenen Wochenende zu
einem seltsamen Vergleich gegriffen: "Manche halten es für angemessen
und gerecht, alle Menschen aus der ganzen Welt nach Deutschland
hereinzulassen. Andere Menschen halten es für angemessen und gerecht,
Merkel und ihr Kabinett am nächsten Baum aufzuhängen." Einen Augenblick
später relativierte er seine Sätze als "polemisches Beispiel".