Der umstrittene AfD-Wahlkämpfer Björn Höcke darf bei einer Wahlkampfveranstaltung in Geislingen auftreten. Kurz vor Beginn der Veranstaltung hat das Stuttgarter Verwaltungsgericht ein Hausverbot aufgehoben, das der Geislinger Oberbürgermeister kurzfristig erteilt hatte.
Als Björn Höcke gegen 19.30 Uhr mit halbstündiger Verspätung endlich den Geislinger Kapellmühlsaal betreten hat, sind die meisten Demonstranten schon der Kälte entflohen gewesen. 250 Männer und Frauen hatte ein buntes Bündnis innerhalb von zwei Tagen auf die Straße gebracht, um deutlich zu machen, dass Geislingen „kein Bock auf Nazis“ habe. Für einen solchen halten sie den Thüringer Landeschef der AfD nämlich, der mit seinen Äußerungen über die Gebärfreudigkeit von Afrikanern immer wieder unter Rassismusverdacht steht. „Wir wollen Haltung zeigen“, rief Gerhard Wick vom Naturfreundehaus den Demonstranten zu. Höcks Ausssprüche verstießen eindeutig gegen die Menschenwürde.
Erst kurz nach 18 Uhr erlaubt das Gericht den Auftritt
Ein paar Besucher weniger sammelten sich derweil im gleichwohl gut gefüllten Kapellmühlsaal etwa 100 Meter weiter. Der Landtagskandidat der AfD im Wahlkreis Geislingen, Willy Kotzbauer, stand im feinen Zwirn mit Blümchen am Revers am Eingang und wartete wie ein Bräutigam auf die Braut. Für ihn war Björn Höcke der Hauptredner des Abends. Dass der Thüringer dieses Amt ausfüllen konnte, stand erst kurz nach 18 Uhr fest. Da gab das Verwaltungsgericht in Stuttgart einem Eilantrag der Partei statt und hob ein Hausverbot gegen Höcke auf, das der Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer (parteilos) ausgesprochen hatte.
Das Parteienprivileg im Grundgesetz garantiere politischen Parteien einen besonderen Schutz bei der politischen Meinungsbildung, argumentierten die Richter. Das Gericht verkenne zwar nicht den Vorwurf, dass Höcke sich rassistisch geäußert habe. Das alles reiche als Begründung für ein Hausverbot aber nicht aus. Es könne auch keinen Aufruf zu Straftaten erkennen.
OB Dehmer: „Höcke ist kein Demokrat“
„Ich glaube, es war gut, es wenigstens versucht zu haben“, sagte Dehmer. Der Geislinger OB hatte sich erst am Vortag zu dem ungewöhnlichen Schritt eines Hausverbots entschlossen und dafür seinen Skiurlaub in Bad Tölz unterbrochen. Per Mail, Fax und Brief informierte er am Mittwochabend den Thüringer AfD-Chef darüber, dass er in Geislingen, einer Stadt, in der mehr als 400 Flüchtlinge leben, nicht willkommen sei. Sämtliche städtische Gebäude in Geislingen dürfe Höcke nicht betreten, und zwar „zunächst auf zwei Jahre“. Höcke äußere sich notorisch rassistisch, begründete Dehmer sein Verbot. Dass eine demokratische Auseinandersetzung mit der AfD besser als ein Hausverbot sei, ließ Dehmer nicht gelten. „Ich halte Björn Höcke nicht für einen Demokraten.“
Angesichts diverser teils diffamierender ausländerfeindlicher Äußerungen wolle er einen möglichen Schaden für das Image der Stadt abwenden, hieß es in der offiziellen Begründung der Stadtverwaltung. Der Name der Großen Kreisstadt Geislingen an der Steige solle nicht „mit den zu erwartenden polarisierenden Äußerungen Höckes in Verbindung gebracht“ werden, erklärte der OB. Die Nutzung des Kapellmühlsaals durch die ordnungsgemäß aufgestellten Kandidaten der AfD im Landkreis Göppingen werde mit dem Hausverbot nicht untersagt. Bei der Buchung des Kapellmühlsaals sei von dem Auftritt Höckes aber keine Rede gewesen. Tatsächlich hatte die AfD erst vor wenigen Tagen öffentlich eingeladen. Daraufhin reagierte der OB.
Viel Lob für Oberbürgermeister Dehmer
Dem Gericht reichte diese Begründung offensichtlich nicht aus. Doch unter den Demonstranten erntete Dehmer Anerkennung. „Ich bin stolz auf unseren OB“, sagte Christl Czermin vom Arbeitskreis Asyl. Auch von den Fraktionschefs im Gemeinderat, die er zuvor über seine Pläne in Kenntnis gesetzt hatte, erhielt er Rückendeckung. „Rassismus und Hetze wollen wir in unserer Stadt nicht haben“, sagte Thomas Reiff (SPD). „Ich finde das Hausverbot gut. Es ist ein klares Zeichen“, meinte der Grünen-Chef Bernhard Lehle. „Wer unsere Kanzlerin in eine Zwangsjacke steckt und Afrikaner mit vermeintlich wissenschaftlicher Argumentation rassistisch diskriminiert, hat in Geislingen nichts zu suchen“, erklärte Roland Funk, dessen Freie Wähler zusammen mit den Grünen, der SPD, der Linken und zahlreichen anderen Gruppierungen die von den Piraten angemeldete Demonstration unterstützten. „Wenn Höcke nur ein bisschen Anstand hätte, würde er akzeptieren, dass er nicht willkommen ist“, so Funk.
Auch der CDU-Fraktionschef Holger Scheible unterstützte die Linie des Oberbürgermeisters. Der AfD-Kreisvorsitzende und Stuttgarter Stadtrat Heinrich Fiechtner, der für die Partei im Wahlkreis Göppingen zur Landtagswahl kandidiert, bezeichnete das Hausverbot hingegen als „Anschlag auf die Demokratie, Meinungsfreiheit und das Veranstaltungsrecht“. „Höcke kommt“, verbreitete er den ganzen Nachmittag hindurch selbstbewusst auf seiner Facebook-Seite. Er hatte gemeinsam mit dem Geislinger AfD-Kandidaten Willy Kotzbauer zu der Versammlung mit Höcke eingeladen.
Andernorts scheitern auch Hausverbote gegen AfD
In der vergangenen Woche hatte bereits der Augsburger Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) ein Hausverbot gegen die AfD-Bundes-Chefin Frauke Petry verhängt. Es wurde mittlerweile aber ebenfalls vom zuständigen Verwaltungsgericht gekippt. Auch in Weinheim (Rhein-Neckar-Kreis) hat die Stadt die AfD ausgesperrt. Am Mittwoch verschickte sie nach eigenen Angaben eine entsprechende Absage für eine geplante Parteiveranstaltung am 3. März im städtischen Rolf-Engelbrecht-Haus. Hier sind die Aussichten besser. Die Stadt kann mit der Benutzungsordnung argumentieren. Sie ist im Dezember geändert worden. Demnach müssen Parteiveranstaltungen, egal welcher Couleur, nun einen konkreten Bezug zu Stadt oder Kreis aufweisen.