Blick nach vorne, Blick zurück – Anarchosyndikalismus in Dresden 2015/16

1. Mai 2015

Das Jahr 2015 ist vorbei und die meisten Menschen, die sich für eine solidarische Gesellschaft engagieren, werden nicht böse darüber sein. Wir wollen den Jahreswechsel zum Anlass nehmen, unsere Aktivitäten im letzten Jahr zusammenzufassen und auszuwerten. Gleichzeitig wollen wir einen ersten Blick auf unsere Ziele und unseren Kurs für dieses Jahr werfen. Alle Unterstützer_innen und Interessierten möchten wir dabei gleichzeitig aufrufen uns Feedback und eure Sicht der Dinge zu schreiben, damit wir mit einem möglichst differenzierten Blick an unsere nächsten Aufgaben gehen können.

» Aus dem Inhalt: Migration und Bau | Gastronomie | Kulturbranche | Erwerbslosenarbeit | Beratungen | Soli-Aktionen | FAU auf der Straße | Region Pirna | Antifaschismus | Weiterbildung

 

Solidarität auf dem Bau, mit oder ohne Staatsbürgerschaft!


Ein Einstieg in das Themenfeld Baubranche und mobile Arbeiter_innen bildete schon 2014 der Fall der „Mall of Shame“, bei der wir die FAU Berlin nach Kräften unterstützten, den Lohn von rumänischen Mitgliedern einzufordern. Gewerkschafter_innen aus Dresden beteiligten sich u.a. an Protestanrufen, Demonstrationen und Streikposten. In Zusammenarbeit mit den Berliner Kolleg_innen erarbeiteten wir uns grundlegendes Wissen über die systematische Ausbeutung v. a. migrantischer Arbeiter_innen auf deutschen Baustellen und die entsprechende Rechtslage, als auch über die praktischen Probleme bei derartigen Arbeitskämpfen kennen.

 

Nur wenig später lernten wir Vladimir K. und seine Kolleg_innen kennen. Vor allem auch durch unsere sozialen Kontakte zu anderen solidarischen Strukturen wie dem Wums e.V. und anderen anarchistischen Zusammenschlüssen gelang es, ihm binnen kurzer Zeit Obdach, Dolmetscher_innen und einen Anwalt zu besorgen und auch zu bezahlen. Gegen Ende des Jahres entschieden wir uns dann, auch aus politischen Gründen, den Fall nicht weiter juristisch sondern von nun an v. a. aktionistisch zu führen. Diesen Konflikt mit der City Aktiv GmbH haben wir mit ins neue Jahr genommen und gehen davon aus, dass es noch ein Weilchen dauern wird, bis das Unternehmen bereit ist unseren Kollegen auszuzahlen. Da die Firma alle Telefone abgestellt hat um dem andauernden Protest zu entgehen, erhaltet ihr ab jetzt auf all unseren Veranstaltungen Protestpostkarten. Gleichzeitig zeigt der Konflikt auch wieviel mehr Druckmittel wir in der Hand hätten, wäre gewerkschaftliche Organisation eine Selbstverständlichkeit, würden sich die meisten Kolleg_innen nicht erst bei uns melden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

 

Der Fakt, dass bereits kurz nach Vladimir ein anderer Kollege aus einem weiteren Baubetrieb mit ganz ähnlichen Problemen bei uns Hilfe suchte, veranlasste uns dazu, das Thema gleich allgemeiner mit der Kampagne „Zahlt endlich!“ aufzugreifen. Neben ersten Broschüren und einer Kundgebung dazu, bestand die Kampagnenarbeit bis jetzt v. a. in der Veröffentlichung von Artikeln (siehe Gai Dao Januar 2016) und Pressearbeit. In diesem Jahr soll ein Vortrag und Informationsmaterial in mehreren Sprachen dazu kommen. Daneben wollen wir gezielt an Baustellen für gewerkschaftliche Organisation werben.

 

Basisgewerkschaft Nahrung und Gastronomie


Recht unzufrieden sind wir leider mit unserer letztjährigen Arbeit in der Gastronomie. Es gelang uns nicht, ähnlich starke Impulse wie in den letzten beiden Jahren zu setzen. Trotzdem blieben unsere Mitgliedszahlen in dieser Branche stabil, verbesserten sich sogar zum Jahresende leicht und immer noch sind wir für viele Belegschaften, v. a. in kleinen Kneipen der Äußeren Neustadt, die erste Adresse bei arbeitsrechtlichen, belegschaftsethischen und gewerkschaftlichen Fragen.

 

Unser Ziel, den recht umfangreichen Lohnspiegel für die Neustadt, welchen wir bis Ende 2014 angelegt hatten, nach den Änderungen durch Einführung des Mindestlohns mit Postkarten und Online-Formular noch zu erweitern, verfehlten wir im letzten Jahr leider. In diesem Jahr wollen wir mit einer Reihe neuen Materialien und verstärkten Betriebsrunden wieder Schwung in die Sache bringen. Der Lohnspiegel hatte sich in der Vergangenheit als praktischer Richtungsgeber für gewerkschaftliche Tätigkeit, aber auch als Argumentationshilfe für Belegschaften erwiesen, die in Verhandlungen ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen.

 

Zufriedener sind wir mit unserer Mini-Kampagne gegen rassistische Türkontrollen im Frühjahr 2015. Mit Pressemitteilungen hatten wir darauf hingewiesen, dass in fast allen Klubs der Dresdner Neustadt mit Sicherheitsleuten rassistische Kontrollen bzw. Hausverbote, z. T. sogar körperliche Übergriffe an der Tagesordnung sind. In einem Betrieb wehrten sich FAU-Mitglieder gegen entsprechende Anweisungen der Chefs. Andere Türsteher_innen und Kolleg_innen aus Kneipen nutzten rege das Angebot der BNG, sich mit Stickern während des Dienstes eindeutig gegen Pegida zu positionieren. Festzuhalten ist aber auch, dass wir noch nicht die ausreichende betriebliche Breite besitzen, gegen das Phänomen rassistischer Türkontrollen oder Kolleg_innen effektiv vorzugehen. Hier ist auch in Zukunft gute, gewerkschaftliche Arbeit ein Schlüssel, um weiterhin auch den humanistischen Einfluss in den Betrieben zu stärken.

 

Wichtig sind die Fortschritte innerhalb der BNG, eine Einschätzung und umfassende rechtliche Bewertung der sich ausweitenden Zwangsselbstständigkeit zu erreichen und Kampfformen dagegen zu entwickeln. Immer mehr Betriebe vergeben neue Stellen nur noch auf Selbstständigenbasis. Damit gehen alle Arbeitnehmer_innenrechte wie das Recht auf Betriebsrat, Streik, Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall usw. verloren. Daneben machen sich die Kolleg_innen und auch die Arbeitgeber_innen eigentlich fast immer strafbar. Betroffen sind auch viele Läden, die in der linken und alternativen Szene eigentlich beliebt sind, so u. a. Dicker Schmidt, TBA, Sabotage, Rosis u. v. m.. Eine Publikation zu diesem Problem ist aktuell in Arbeit.

 

Einen weiteren Schwerpunkt werden im nächsten Jahr voraussichtlich gewerkschaftlich organisierte Kollektivbetriebe bilden. Einerseits weil herauszustellen ist, dass ein Betrieb nicht durch die Sticker auf dem Klo, sondern durch den Umgang mit der Kundschaft, die Produkte, die Arbeitsbedingungen, die Organisation der Arbeit und Transparenz links wird. Zum anderen aber auch, weil gewerkschaftliche organisierte Betriebe in Zeiten der zunehmenden Prekarisierung, gerade in der Gastro und trotz Mindestlohn, eine echte Chance darstellen, an erträgliche Arbeitsplätze zu kommen, die gleichzeitig praktisch und theoretisch auf eine libertäre Bedarfswirtschaft weisen. Dies geschieht z. B. durch die gegenseitige Unterstützung von Betrieben untereinander.

Insgesamt weht erfreulicherweise mit dem neuen Jahr auch neuer Wind in der Branchensektion. Für 2016 planen wir zeitnah eine Veranstaltungsreihe, die Aktualisierung und Erweiterung unserer Materialien, ebenso intensive Betriebsrunden, um uns wieder breiter aufzustellen.

 

Kunst hat niemals Feierabend?


Im Bereich Kunst und Kultur können wir uns in den letzten Wochen über Mitgliederzuwachs freuen. Die Arbeitsbedingungen in der Branche sind von großer Verschiedenheit in den Rechtsformen, Abhängigkeiten und Arbeitsbedingungen geprägt. Ein großer Teil der Arbeit ist unsichtbar, besteht im Knüpfen von Kontakten, im „Sich einen Namen machen“ und dem Erwerb des nötigen Wissens, um in diesem Bereich überhaupt an Erwerbsmöglichkeiten zu gelangen. Zudem sind die Stellen, wenn mensch nicht völlig unsicher auf den Verkauf der einzelnen Werke oder Publikationen angewiesen sein will, meist projektbezogen oder befristet. Diese Situation macht Organisation in dem Bereich extrem schwierig. Verschiedene soziale Rollenbilder stehen einem kollektiven oft zusätzlich im Weg. Mit diesem Spannungsfeld wollen wir uns im neuen Jahr verstärkt beschäftigen. Auf einer Tagung der Hochschule für bildende Künste vom 15. bis 16. Januar zum Thema Streik/Arbeit fanden wir einen ersten Austausch und skizzierten erste Strategien. Hier erhoben wir auch erste Umfragen zu den Arbeitsbedingungen der Branche. Aus diesen wollen wir in den nächsten Monaten Strategiepapiere und konkrete Organisationsangebote entwickeln. Produkt der Tagung war auch ein Emailverteiler zur gegenseitigen Hilfe. Ein erstes Treffen einer FAU-nahen Branchenvernetzung soll nach diesen Arbeitsergebnissen am 4. Februar im Nachbarschaftscafé „Platz da“ zusammen kommen.

 

Erwerbslosigkeit ist kein Verbrechen!


Trotz schön geredeter Erwerbslosenzahlen: Hartz IV zu beziehen und/oder aufzustocken ist für Tausende Realität. So auch für viele unserer Mitglieder, gerade aus den stark prekarisierten Branchen. Im vergangenen Jahr haben wir uns deshalb verstärkt gegen Schikanen des Jobcenters organisiert. Fast jeden Monat wurden Mitglieder aufs Amt begleitet, vorher und nachher berieten wir uns gemeinsam und machten uns rechtlich fit. Wer im Amt die Selbstachtung nicht verliert, der oder die kassiert schnell eine Sanktion oder eine Maßnahme. Als FAU konnten wir zusammen mit engagierten Anwälten und Partner-Organisationen fast alle abwehren. Wo nicht, boten wir unsere finanzielle Unterstützung an. Einen großen Erfolg stellt auch der Boykott von Eingliederungsvereinbarungen (EGV) in einer Reihe von Fällen dar. EGVs bieten für viele Sanktionierungsmöglichkeiten der Jobcenter überhaupt erst die rechtliche Grundlage. Mit einem Boykott dieser erzwungenen Verträge steigern wir sukzessive den Arbeitsaufwand der einzelnen Teams und erschweren so, Druck auf einzelne Betroffene auszuüben. Schließlich führen wir mittlerweile Buch über das Verhalten und die Taktik der einzelnen Teams. So können wir uns besser auf Termine vorbereiten und im Zweifelsfall gezielt gewerkschaftlich gegen besonders aggressive, sanktionsfreudige Teams vorgehen.

 

Für 2016 wollen wir einen Workshop für Amt-Neulinge und diverse Infomaterialien erstellen. Begleitungen, EGV-Boykott und die Team-Datenbank wollen wir ausweiten. Insgesamt ist unsere Strategie für alle Betroffen äußerst hilfreich und wir sind auf dem richtigen Weg. Gerne hätten wir mehr Mitstreiter_innen, um auch inhaltlich mehr zum Thema arbeiten zu können und regelmäßig Kundgebungen und Infostände vor dem Jobcenter organisieren zu können.

 

Manchmal hilft ‘ne Kleinigkeit


Ein großer Teil unserer Gewerkschaftsarbeit bestand auch im letzten Jahr aus einfachen Beratungen und Einschätzungen. Dass sich die Anfragen dabei deutlich gemehrt haben lag sicher an der Einführung unserer wöchentlichen Präsenzzeit im Wums e.V., aber auch an unserer Anwesenheit u. A. beim Columbusstraßenfest, der BRN und nicht zuletzt an unserem monatlichen Solitresen im Platzda. Besonders interessiert waren die Kolleg_innen in diesem Jahr an der Gründung unabhängiger Betriebsräte. Wir erklärten dabei nicht nur das Prozedere einer Gründung, sondern klärten auch ausführlich über Chancen und Probleme von Betriebsräten auf. Andere Anfragen bezogen sich u. A. auf den Umgang mit illegalen Arbeitsverträgen, Überprüfung von Befristungen und Lohnabrechnungen. Auch im nächsten Jahr wollen wir durch interne Weiterbildungsseminare wieder möglichst vielen Mitgliedern die Möglichkeit geben, kompetent mit solchen Anfragen umzugehen.

 

United we stand – Solidarität mit anderen Arbeitskämpfen


Auch wenn die Welle rechter Gewalt diese Ereignisse oft überschattete war das letzte Jahr geprägt durch eine Reihe ungewöhnlich entschlossen geführter Arbeitskämpfe, die z. T. auch stark politisch aufgeladen waren. Als lokales Syndikat mischten wir uns in diese so gut ein, wie wir eben konnten. Am aktivsten unterstützten wir den Streik der GDL. Nach einem Besuch des Dresdner Streiklokals organisierten wir zwei Solidaritätsstreikposten, um die lokalen GDL-Strukturen zu entlasten. Dort und auch anderswo verteilten wir außerdem hunderte Exemplare der Streikzeitungen. Die Auseinandersetzungen um die GDL und Tarifeinheit skizzierten, um welche Organisationen herum sich in Deutschland in Zukunft eine linke Gewerkschaftsopposition bilden könnte. Es wurde aber auch deutlich, dass sich kämpfende Gewerkschaften und ihre Unterstützer_innen gerade in Dresden in Zukunft besser koordinieren müssen. Wegweisend ist hier das Streik-Soli-Bündnis aus Leipzig. In diesem Jahr wäre zu prüfen, ob sich in Dresden ein ähnliches Bündnis bilden kann.

 

Weiterhin unterstützten wir die Arbeitskämpfe unserer Schwestergewerkschaft CNT (Spanien) gegen DHL und werden auch weiterhin deutsche Kolleg_innen dazu aufrufen, sich zu organisieren und gemeinsam mit ihren Kolleg_innen in ganz Europa gegen immer prekärer werdende Arbeitsbedingungen zu wehren. Mit unseren Aktionen gegen DHL verknüpften wir eine Beteiligung am Konsument_innenstreik gegen Amazon. Auch an diesem in mehreren Ländern ausgetragenen Arbeitskampf ist eine unserer Schwesterngewerkschaften, die ZSP (Polen) und eine andere befreundete Gewerkschaft, die IP (Polen), sogar maßgeblich beteiligt. Die Auseinandersetzungen in beiden Unternehmen schätzen wir als wegweisend für die aktuelle, europäische Gewerkschaftsbewegung ein und wir werden sie weiterhin nach Kräften unterstützen.

 

Schließlich wird uns im kommenden Jahr voraussichtlich auch die Gefangenengewerkschaft GG/Bo noch mehr als bisher beschäftigen. Diese ist mittlerweile in mehreren Knästen Sachsens organisiert und kann Solidarität von draußen gut gebrauchen.

 

Die FAU auf der Straße…


Abseits von konkreten Arbeitskämpfen waren wir im letzten Jahr zweimal auf der Straße. Um für unsere Solidarität mit den antikapitalistischen Protesten am 18. März in Frankfurt und gegen die Tarifeinheit Gesicht zu zeigen, organisierten wir am selben Tag eine kleine Kundgebung in der Innenstadt. Leider beteiligten sich nur wenige an unserem Protest, trotzdem gab es eine Reihe von konstruktiven Gesprächen mit Passant_innen.

 

Am ersten Mai zogen wir mit 100-120 Menschen auf mehreren inhaltlichen Stationen durch die Altstadt und Äußere Neustadt. Auch wenn es hier inhaltlich viel Zuspruch gab, war der Mobilisierungserfolg eher enttäuschend. Erfreulich waren die positiven Reaktionen von Passant_innen am Rand der Demonstration. Ebenfalls als Erfolg verbuchen wir die anschließende Abendveranstaltung im AZ Conni, welche eine schöne Mischung aus inhaltlichem Input und libertärer Kultur bildete.

 

Neben diesen Aktionen waren FAU-Mitglieder zusammen Teil einer ganzen Reihe von Demonstrationen, u. A. auch um Solidarität mit der bedrängten, kommunalistisch organisierten Region Rojava zu zeigen oder christlich-antifeministische Fundamentalist_innen in Annaberg in ihre Schranken zu weisen.

 

Als Fazit bleibt die Erkenntnis, dass unsere Mobilisierung im Vorfeld besser laufen muss und die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen unerlässlich ist. Für das Jahr 2016 planen wir unter diesen Vorzeichen aktuell Aktionen für 6. Februar, den Frauenkampftag am 8. März, den Workers Memorial Day am 28. April und den ersten Mai.


Frei die Berge! Wir in der Region Pirna


Wir sind darum bemüht, die anarchosyndikalistische Bewegung nicht nur im urbanen Dresden, sondern auch in dessen Umland zu entwickeln. Vor allem in und um Pirna haben wir im letzten Jahr versucht, verstreute Mitglieder und Sympathisierende zu unterstützen, damit sich langfristig vor Ort eigene Strukturen bilden können. Wir unterstützen zu diesem Zwecke beispielsweise kleinere antifaschistische (Gegen-)Kundgebungen. Eine dieser Kundgebungen geriet Anfang des Jahres zum Skandal, als der rechte Ex-CDU-Stadtrat Steffen Kunze mit seinem Fahrzeug einen Polizeibeamten verletzte und zusammen mit anderen rechten Demonstrant_innen eine engagierte Verwaltungsangestellte bedrängte, die aus Scham über die gleichzeitig stattfindende NPD-Veranstaltung die Beleuchtung eines städtischen Gebäudes ausschalten wollte. Herr Kunze hetzte im Anschluss bei jeder Gelegenheit gegen die FAU. Wir positionierten uns mit einem offenen Brief an den Stadtrat, was bis jetzt zu insgesamt acht Medienberichten, vielen Diskussionen über unsere Gewerkschaft in Bad Schandau und Umgebung und nicht zuletzt vielen Kontakten und Soli-Bekundungen führte.

 

Mit einem weiteren Brief, diesmal an den Hohnsteiner Stadtrat, nahmen wir später im Jahr auf die Geschehnisse rund um das „AntiRa-Fußballtunier“ und die nationalistischen Diskussionen im Anschluss Bezug und forderten alle humanistischen Einwohner_innen der Gemeinde zu Protest und Widerstand auf.

 

Auch in Pirna selbst waren wir auf Einladung der Kulturkiste mit mehreren Vorträgen präsent, halfen aber auch im Rahmen unserer Möglichkeiten beim Protest gegen rechte Veranstaltungen. Im nächsten Jahr planen wir eine weitere Vortragsreihe in Pirna.

 

2016 wollen wir außerdem die sich andeutenden Netzwerke von antirassistischen Anwohner_innen stärken und bestmöglich unterstützen. Gleichzeitig bemühen wir uns darum, praktische Konzepte für anarchosyndikalistische Arbeit im nichturbanen Raum zu entwickeln. Gerade im ländlichen Raum haben wir es v. a. mit familiär geprägten Kleinbetrieben zu tun, was gewerkschaftliche Arbeit für viele unattraktiv macht. Aus diesem Grund spielen auch hier unserer Meinung nach gewerkschaftliche Kollektivbetriebe eine Schlüsselrolle für das Weiterkommen der Bewegung. Als weitere Pfeiler sehen wir das Vorhandensein eines libertären Begegnungszentrums in der Region, für das wir seit Ende 2015 eine bundesweite Spendenkampagne aufbauen.

 

Arbeiter_innen brauchen kein Vaterland! – Antifaschismus


Wie vermutlich jede emanzipatorische Struktur Dresdens investierten auch wir im letzten Jahr einen Großteil unserer Kraft in den Schutz von Flüchtlingsunterkünften und den Protest gegen die schockierend rassistische Stimmung in Sachsen. Mehrere Male bildeten wir Blöcke auf Großdemonstrationen, wobei sich wieder einmal zeigte, wie wichtig Vorbereitung und funktionierende Bezugsgruppenkonzepte sind. Es wurde auch offenbar, dass die FAU als offene Struktur hier z. T. ganz eigene Vorgehensweisen und Standards erarbeiten muss. Aktuell arbeiten wir deshalb an einem eigenen Demo-1×1 für unsere Demo-Beteiligung. Daneben waren Teile des Syndikats an einer Reihe von Aktionen zum Schutz von Unterkünften in Pirna, Freital, Heidenau, Dresden und anderswo unterwegs. Über diese aktive Unterstützung vor Ort hinaus reichte die Kraft leider oft nicht für eine inhaltliche Positionierung in der Presse oder auf Demos und ebenso blieben wir oft hinter unserem Anspruch zur humanitären Unterstützung von Refugees zurück. Wie dieses Problem mittelfristig zu lösen ist, bleibt weiterhin Gegenstand von Diskussionen und ist sicher auch abhängig von der weiteren Mitgliederentwicklung.

 

Akzente konnten wir dagegen in der theoretischen Bewertung des aktuellen Rechtsrucks als auch in der Empfehlung zu effektiven Gegenstrategien setzen. So nahmen wir u. A. in Münster an Diskussionsveranstaltungen zum Thema Pegida teil, entwickelten einen eigenen Vortrag zur aktuellen Effektivitätskrise der antifaschistischen Bewegung und gingen auch in verschiedenen Artikeln und Flugblättern auf diese Fragestellung ein. Nicht zu trennen sind antifaschistische Aktivitäten aktuell immer noch von der Arbeit gegen staatliche Repression, die immer auch Teile unserer anarchosyndikalistischen Struktur (wie bei der Beschlagnahmung antirassistischer Aufkleber Anfang des Jahres) oder auch unsere Mitglieder (wie im aktuellen Fall unseres Mitglieds Justus M.) trifft. In diesen Fällen haben wir auch in diesem Jahr wieder mehrfach Pressearbeit geleistet, Gelder gesammelt und gemeinsam über Prozessstrategien beraten, immer in Zusammenhang mit den solidarischen Strukturen der Roten Hilfe.

 

Schließlich wollen wir im neuen Jahr auch in Sachen Gedenkpolitik neue Wege gehen und planen u. A. eine 8. Mai-Feier für Kletter- und Wanderfreund_innen. Lasst euch überraschen!

 

Wissen ist Gegenmacht!


Ohne Bildung geht nichts. Gerade Vorträge und Workshops lassen dabei oft einen nachhaltigeren und vielfältigeren Informationsaustausch zu als die schriftliche Publikation. Aus diesem Grund haben wir unser Bildungsangebot von ca. 5 anfragbaren Veranstaltungen 2014 im letzten Jahr auf um die 20 erhöht. Weitere sollen auch 2016 folgen. Damit hängen unsere Bestrebungen, wichtige Bildungsimpulse auch in der Region Ost und der Bundesföderation der FAU zu setzen, zusammen. Ziel ist eine vielfältige und aufeinander gut abgestimmte Bildungspalette zu entwickeln, die einen schnellen Einstieg in die anarchosyndikalistische Bewegung auf theoretisch und praktisch hohem Niveau auch für neue Kolleg_innen ermöglicht. Kern dieser Bestrebungen muss dabei sein, in den einzelnen Veranstaltungen dem sehr unterschiedlichen Background der Mitglieder, den besonderen Situationen in einzelnen Städten und natürlich auch dem Dissens ausreichend Raum zu geben.

 

Ein Höhepunkt unserer Bildungsarbeit 2015 war ein insgesamt viertägiges Wanderseminar im Elbsandsteingebirge. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit unserer Arbeitsgruppen „Schwarz-Rote Bergsteiger_innen“ und „IK Dokumentation“ unter tatkräftiger Hilfe von Dresdner Hausprojektgruppen und dem Kochkollektiv „Black Wok“ organisiert. Ca. 60 Teilnehmende und Helfer_innen bewanderten Schauplätze von nationalsozialistischen Verbrechen und Widerstandshandlungen. An den Abenden erwartete die Teilnehmenden eine Reihe von Hintergrundvorträgen zum Thema, aber auch Konzerte. Nach überwältigend gutem Feedback haben wir beschlossen, in diesem Jahr die Fortsetzung des Wanderseminars auf eine Woche auszudehnen und das kulturelle und inhaltliche Programm noch zu erweitern.

 

Fazit


Die aktuelle politische Lage stellt wohl alle emanzipatorischen Zusammenschlüsse vor die Frage, wie viel Kraft wir einerseits in den kurzfristigen Protest gegen den aktuellen Rechtsruck der Gesellschaft investieren und andererseits dafür einsetzen um langfristig mehr Menschen Lust auf eine solidarische, antirassistische und kämpferische Bewegung zu machen. Dieser Zwiespalt betrifft nicht nur uns als lokale Basisgewerkschaft sondern auch viele kapitalismuskritische Lohnabhängige. Auch für sie stellt sich die Frage, für was sie die geringe Zeit nach dem Feierabend verwenden. Um so wichtiger scheint es uns daher, dass der Ausbau unserer Gewerkschaftsstrukturen mit antirassistischer Tätigkeit Hand in Hand geht, dass uns in der FAU beides möglich ist.

 

Ein Schlüssel dafür ist und bleibt der Aufbau von Gewerkschaftsgruppen in den Branchen und Betrieben. Gewerkschaftsarbeit findet, wann immer möglich, auch am Arbeitsplatz statt. Hier haben wir auch im letzten Jahr an Stärke und Erfahrung gewonnen, gleichzeitig aber auch sehr viel vor uns. Weiterhin bieten gerade die Betriebe eine wichtige Basis für antirassistische Arbeit. Sei es die Positionierung eines ganzen Betriebes gegen rechte Kundschaft, die Diskussion mit den Kolleg_innen oder gar der gemeinsame Gegendemo-Besuch von Betriebsgruppen.

 

Trotzdem reden wir hier natürlich von Tageskämpfen, sei es gegen die tägliche Nazibedrohung oder gegen die immer prekärer werdenden Arbeitsverhältnisse, bzw. den Ärger auf Jobcenter oder Bildungseinrichtung . Sich in diesen zu verlieren, war in der Geschichte der sozialen Bewegungen immer einer der größten Gefahren. Aus diesem Grund kommt der Bildung und Diskussion in unseren Strukturen auch solche eine Wichtigkeit zu. Hier müssen wir in Dresden und Umgebung auch in diesem Jahr an Präsenz zulegen und Diskussionen auch einmal hartnäckig einfordern. Dies nicht zuletzt, weil auch immer mehr autoritäre Sozialist_innen mit dem Wunsch nach einer starken Partei und einem verstaatlichten Kapitalismus versuchen, emanzipatorische Strukturen in Dresden zu nutzen und zu beeinflussen.

 

Trotz vielen Kritikpunken sind wir froh über das, was wir als sehr kleine Gewerkschaft in einem Jahr geschafft haben und gehen mit Mut und Motivation an die neuen Aufgaben. Das wir in den letzten Wochen viele neue Mitstreiter_innen gewonnen haben, die zu uns kamen da sie eine wirkliche Perspektive für eine bessere Gesellschaft suchen, erfüllt uns mit besonderer Freude und gibt uns Kraft weiter zu machen.

 

FAU Dresden, Januar 2016