Bundesanwaltschaft und Innenministerium ziehen der rechtsextremistischen Internetplattform "Altermedia Deutschland" den Stecker. Es gab Razzien und Festnahmen - auch in Baden-Württemberg.
Peter Gärtner
Die Webseite "Altermedia Deutschland" schmückt sich mit einem Zitat von George Orwell: "In der Zeit des Universalbetrugs ist die Wahrheit zu sagen eine revolutionäre Tat." Tatsächlich geht es auf dieser seit Jahren von Rechtsextremen und Neonazis stark genutzten Plattform vor allem um die Verbreitung von brauner Ideologie und Nachrichten aus der Szene. Die letzten Beiträge kommentieren die laut Polizei erfundene Vergewaltigung eines russlanddeutschen Mädchens in Berlin. "Der Verweis stammt wieder mal aus der Judenlügenpresse. Alles verquirlte jüdische Jauche. . .", schreibt dazu "Unabomber". In Hetz-Ton wird über Flüchtlinge hergezogen. Ein "Müritzer Jung" nennt Geflüchtete "fremdartige Invasoren", "vom System hofierte Landräuber" und "importierte Alis".
Auf der inzwischen nicht mehr erreichbaren Seite bewegt man sich in einer Parallelwelt. Es geht nicht nur um die Verächtlichmachung von Menschen anderen Glaubens und anderer Hautfarbe, die Leugnung des Holocaust und Gewaltaufrufe gegen Ausländer, Linke, Politiker und Journalisten, sondern auch um eine andere Kultur. Die Werbung, mit der das Portal mitfinanziert wird, stammt durchweg von Szene-Händlern. So bietet der "Odin-Versand" etwa "NS Hardcore" an. Es gibt Tonträger und viele kommentierte Hinweise auf Berichte in Medien der Neuen Rechten wie der Wochenzeitung "Junge Freiheit".
Das Portal ist international vernetzt. Die Hauptseite wird in den USA vom Holocaustleugner und früheren Ku-Klux-Klan-Mitglied David Duke betrieben. Der deutsche Ableger ist seit 2003 online und wird seitdem vom Verfassungsschutz beobachtet, der die Plattform als das bundesweit führende rechtsextremistische Internetportal einstuft. 2011 war "Altermedia" über Monate offline, nach dem der frühere "Schriftleiter" der Plattform unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt wurde.
Am Mittwoch verbot Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Plattform. Unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung verbreite das Portal rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische, homophobe und islamfeindliche Inhalte. "Für radikale gewaltbereite Extremisten ist kein Platz in unserer Gesellschaft", erklärte der Minister. Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft mehrere Wohnungen in verschiedenen Bundesländern - auch in Baden-Württemberg - sowie in Spanien durchsuchen lassen und zwei mutmaßliche Betreiber von "Altermedia" festnehmen lassen. Beide stünden im Verdacht, volksverhetzende Inhalte verbreitet zu haben. Daneben wird ihnen die Gründung einer kriminellen Vereinigung zur Last gelegt.
"Altermedia" hatte zur Abwehr schneller staatlicher Zugriffe einen Server außerhalb Deutschlands gewählt. Am Mittwoch wurden die russischen Behörden ersucht, den Server abzuschalten. Zuletzt soll das Neonazi-Netzwerk monatlich rund 608.000 Besuche gehabt haben.