Vortrag: Was geschah am 18.01.1996?

Gedenken & Anklagen - 20 Jahre Hafenstraße

Vor 20 Jahren wurde in Lübeck ein rassistischer Brandanschlag auf die Asylunterkunft in der Hafenstraße 52 verübt. Zehn Menschen starben in den Flammen. Die Gründung des Lübecker Flüchtlingsforums war direkte Folge dieses Anschlags. Für einige von uns ist dieses Datum daher auch Teil ihrer persönlichen und politischen Geschichte.

 

Wir wollen erzählen und Gelegenheit zum Fragen geben:

  • Was geschah am 18.1.1996 ?
  • Wie erging es den Überlebenden ?
  • Warum wurde ein Hausbewohner beschuldigt, den Brand gelegt zu haben?
  • Warum wurde nie ein Prozess gegen die Neonazis geführt, die in der Nähe des Tatorts festgenommen worden waren?
  • Welche Konsequenzen wurden in Lübeck für die Unterbringung und den Umgang mit Geflüchteten gezogen?
  • Was war vor 20 Jahren anders? Was ist (wieder) genauso?

Wir beginnen um 18 Uhr mit leckerem Essen. Ab 19 Uhr beginnen wir dann mit einem Input und der folgenden Diskussion.

 

DIENSTAG, 05. JANUAR 2016


LÜBECK, SOLIDARITÄTSZENTRUM
Willy-Brandt-Allee 11, 23554 Lübeck
Beginn: 18.00 Uhr; Vortrag: 19.00 Uhr

 

INFOS
Hafenstraße'96 | Lübecker Flüchtlingsforum e.V.

 


 

AUFRUF

 

DAMALS WIE HEUTE: RASSISTISCHER KONTINUITÄT ENTGEGENTRETEN!


Es war der folgenschwerste rassistische Brandanschlag in der Geschichte der Bundesrepublik: Vor genau 20 Jahren, am 18. Januar 1996 brannte die Asylunterkunft  in der Lübecker Hafenstraße 52 komplett aus. Zehn Menschen, Geflüchtete aus dem Kongo, dem Libanon, aus Angola und Togo, starben in den Flammen. Unter den Toten waren sieben Kinder. Von den überlebenden Menschen wurden viele schwer verletzt und leiden bis heute an den Folgen.

 

Vier junge Männer aus der rechten Szene wurden nahe des Tatorts aufgegriffen, aber bald wieder freigelassen. Trotz dringender, bis heute ungeklärter Verdachtsmomente wie z.B. Brandspuren an ihren Haaren, wurden sie nie vor Gericht gestellt. Stattdessen legten sich Polizei und Staatsanwaltschaft auf einen Hausbewohner als Tatverdächtigen fest. Zwei aufwändig geführte Prozesse gegen ihn endeten jedoch beide Male mit einem klaren Freispruch. So bleibt der bittere Nachgeschmack, dass ein Opfer zum Täter gemacht werden sollte, während die mutmaßlichen rassistischen Brandstifter laufen gelassen wurden.

 

Nach dem Anschlag waren sich große Teile der Lübecker Bevölkerung und Politik einig: Die Überlebenden sollten ein gesichertes Bleiberecht in Deutschland erhalten, Geflüchtete sollten nicht länger in überfüllten Massenunterkünften bleiben müssen, sondern in Wohnungen als normale Nachbar_innen leben können. Rassistischer Stimmungsmache sollte deutlich und gemeinsam entgegen getreten werden.

 

Heute, 20 Jahre später, erinnert manches wieder an die Situation und Stimmung der frühen Neunziger Jahre. Wieder gibt es unzählige Anschläge auf Asylunterkünfte, wieder marschieren Nazis und Rassist_innen auf den Straßen, wieder erleben wir, wie tief der Rassismus in der Gesellschaft verankert ist und wieder gibt es große Teile der Politik, die „Verständnis für Sorgen und Ängste“ zeigen und unter diesem Vorwand das Recht auf Asyl weiter einschränken wollen. Die mörderische Politik der Abschottung Europas ist fortgeführt worden und hat – insbesondere im Mittelmeer – zehntausende Opfer gefordert, die jämmerlich ertrunken sind, weil es keine sicheren Fluchtwege für sie gibt.

 

Die Verantwortung für die Fluchtursachen tragen wir alle: Solange wie wir hinnehmen, dass sich deutsche Regierungen durch Kriegsteilnahme, Rüstungsexporte und die Unterstützung autoritärer Regime schuldig machen – akzeptieren wir auch die Verelendung und Vertreibung der Menschen in den Herkunftsländern.

 

Aber dennoch ist die Situation 2016 auch ganz anders als 1996. Wir haben zunächst die massenhafte Bewegung der Geflüchteten, die sich von Grenzen und Zäunen nicht hat aufhalten lassen und ihren Weg nach Europa und nach Deutschland durchgesetzt hat. Und wir haben eine riesige Bewegung der Solidarität, die sich praktisch für die gute Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten einsetzt, während staatliche Stellen allzu oft dabei versagen. „Refugees Welcome“ ist nicht nur eine Parole, sondern wird auch in Lübeck von tausenden Menschen tagtäglich in die Praxis umgesetzt.

 

Zum 20. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in der Lübecker Hafenstraße ist es an der Zeit, dass wir – Geflüchtete, Migrant_innen und Einheimische,  gemeinsam auf die Straße gehen und zeigen, dass wir viele sind. Es ist an der Zeit, das Vermächtnis des 18. Januar 1996 wieder aufzunehmen und sich gemeinsam einzusetzen:

  • Für das Recht zu bleiben und das Recht zu gehen – überall und überall hin!
  • Für offene Grenzen und sichere Fluchtwege – Fähren statt Frontex!
  • Für sicheren Aufenthalt, Sprachkurse und Arbeitsmöglichkeiten für alle Geflüchteten – ob aus Syrien, Afghanistan oder vom Balkan!
  • Für eine menschenwürdige, dezentrale Unterbringung aller Geflüchteten, für die Umwandlung von Leerstand zu Wohnraum und einen massiv verstärkten sozialen Wohnungsbau – für alle Menschen, die eine Wohnung brauchen
  • Gegen alle bereits durchgeführten und noch geplanten Verschärfungen des Asylrechts, gegen Pegida, AfD und NPD – und gegen jede Form rassistischer Stimmungsmache
  • Für eine gemeinsame Zukunft mit allen Menschen, die in Lübeck leben und die noch nach Lübeck kommen