Zitate, die zum Himmel stinken

Erstveröffentlicht: 
22.12.2015
Coup zweier Leipziger: Das „Bullshit-Quiz“ deckt spielerisch-satirisch die Gedankengänge von Rechtspopulisten auf

VON MARK DANIEL

 

Xavier Naidoo hat jetzt wieder Zeit. Nachdem sich der verlorene Sohn Mannheims zusammen mit dem NDR wegen der nulldemokratischen Nominierung zum ESC blamiert hat, könnte er die gewonnene Muße der Festtage mit einem Spielchen nutzen, das ihm seine kruden politischen Äußerungen vor Augen führt. „Bullshit Quiz“ heißt der außergewöhnliche Coup der beiden Leipziger Michel Goldmann und Max Hase – ein spielerisch-unterhaltsamer und satirischer Umgang mit Rechtspopulismus und deren Vertretern, die leichtfertig bis gezielt bedenkliche bis schamlos hetzerische Kommentare ablassen.

 

Tatorte sind der Bundestag, die Dresdner Innenstadt oder das Fernsehstudio. Überall lauern die Provozierer und Leichtgewichts-Sinnierer namens Frauke Petry, Lutz Bachmann, Bernd Lucke, Thilo Sarrazin oder eben Naidoo. 30 Exemplare haben Goldmann (31) und Hase (30) vereint, um die anti-intellektuellen Gedankengänge bloßzulegen und sie der Lächerlichkeit preiszugeben. „Das ist vielleicht das beste Mittel, um mit den aktuellen politischen Fehlentwicklungen umzugehen“, schätzt Hase.

 

Das „Bullshit Quiz“ ist nicht das erste schwarzhumorige Gesellschaftsspiel der beiden. 2011 schufen Hase und Goldmann, die sich vom Philosophiestudium her kennen, ihr bitterböses „Minderheiten-Quartett“, in dem Schwule, Nazis, Juden, Punks, Analphabeten und andere Randgruppen-Vertreter mundtot gemacht werden sollen. Ein Verkaufsrenner, der zu der Entscheidung führte, sich als Spieleproduzenten selbstständig zu machen – die Rappel GbR wurde gegründet.

 

Ein Faible für scharfe, düstere Satire pflegt das Duo seit langem, nachzulesen auf deren Seite www.circusminimus.de, wo sie mit Chuzpe und Frechheit kabarettistische Spitzen abfeuern gegen alle Unsäglichkeiten, die Politik und Gesellschaft so generieren. Eigentlich hatten sie an einem Brettspiel zur Verbindung von Lobbyismus und Politik gearbeitet, dann wurde das Gebilde aus Pegida, Rassismus und Diskriminierung immer dringlicher – und bekam den Vorrang. „Die aktuelle Entwicklung besorgt uns sehr“, so Goldmann, „unser ,Bullshit-Quiz’ ist eine satirische Art, damit umzugehen.“ Ein Spiel, das aufklären, amüsieren und auch ein Stück befreien kann.

 

In der ersten Runde liest ein Spieler Zitate vor, die anderen raten, von wem sie stammen. Das beigefügte „Book of Shame“ versammelt die haarsträubendsten Leichtfertigkeiten, zum Nachverfolgen jeweils versehen mit der Quelle der Äußerung. Buchstäbliches Anschauungsmaterial liefert vor allem der Youtube-Kanal. Nach dem Aufdecken der Spielkarten (Zeichnungen von Laura Oechel) klärt sich die Urheberschaft des Zitats auf, was hier und da für erhebliche Überraschungen sorgen kann.

 

In Runde zwei ist das eigene Talent zur Bösartigkeit gefragt. Aus vorher blind gezogenen Karten mit jeweils einem Begriff aus dem klassischen Populisten-Wortschatz wie beispielsweise „Gift“, „einwandern“, „lügen“ und „schwul“ soll jeder Spieler eine möglichst gepfefferte Aussage formulieren. Jede Kurzrede wird bewertet mit mindestens einem und maximal vier Scheißhaufen – konsequenterweise, schließlich geht es im „Bullshit“-Quiz um verbalen Mist.

 

Dabei haben die Macher – um im Bild zu bleiben – durchweg den richtigen Riecher, wessen Gesinnung zum Himmel stinkt. Akif Pirinçci beispielsweise hat sich schon lange vor seiner gruseligen Oktober-Rede vor Pegidisten für eine Aufnahme ins Quiz qualifiziert, beispielsweise mit der Feststellung, der Islam sei „eine Geisteskrankheit, die sich zu 90 Prozent mit der Muschi der Frau beschäftigt“. Auch Welt-Kolumnist Matthias Matussek hatte sich schon vor seinem Ausrutscher, der ihn im November den Job kostete, empfohlen.

 

Dass Spezis wie Alexander Gauland, Jürgen Elsässer oder Tatjana Festerling einen sicheren Platz im Kanon der Hetzer haben, versteht sich von selbst. Aber auch etablierte Politiker wie Verkehrsminister Dobrindt haben’s mit einer Handvoll bedenklicher Stammtischsprüche geschafft. Zuviel soll hier aber nicht verraten werden.

 

Das „Bullshit-Quiz“ jedenfalls macht einen geradezu teuflischen Spaß. Auch wenn die lebende AfD-Karikatur Björn „Bernd“ Höcke nicht präsent ist. Wäre eh ein allzu leichtes Opfer gewesen.

 

Infos zu Inhalt und Spielablauf sowie Verkauf unter www.bullshit-quiz.de.