Markranstädt. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, selbst im Stadtrat wurde schon darüber gesprochen: Das Hotel Gutenberg könnte eine Flüchtlingsunterkunft werden. Die Gespräche darüber laufen, entschieden sei aber noch nichts, sagen die Beteiligten.
Im nicht-öffentlichen Teil des Stadtrats schlug die Nachricht vergangene Woche ein wie eine Bombe: Das einzige größere Hotel der Stadt eine Flüchtlinsgunterkunft? Spontan entschieden sich die Stadtvertreter, einen gemeinsamen Brief an Landrat Henry Graichen zu schreiben. Nach LVZ-Informationen bitten sie ihn darin, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen. Man sei sich der besonderen Situation und der Verantwortung bewusst, aber schließlich gebe es in Markranstädt genügend Wohnungsangebote privater Vermieter.
Jedes einzelne sei geprüft und verworfen worden, versicherte am Dienstag der Sozial-Beigeordnete des Landkreises, Thomas Voigt. Die Stadt habe in einer Auflistung alle Details dazu zugesandt bekommen. Teilweise seien dabei Kaltmieten bis zu einem Drittel über den Kosten einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gefordert worden, so Voigt. Die Hälfte dessen halte der Kreis aber angemessen für eine Wohnung. Wie berichtet, zahlt der Kreis nicht mehr als für ALG-II-Empfänger. „Der Wohnraum rund um Leipzig ist eben einfach zu knapp und zu teuer“, resümierte Voigt.
Ende November habe es 2211 Asylbewerber im Kreis gegeben, 1246 davon in knapp 500 Wohnungen, 965 in Gemeinschaftsunterkünften. Da die Kapazitäten überall nicht reichten, werde ab dieser Woche in Grimma erstmals auch eine Turnhalle mit Flüchtlingen belegt. „Und es wird noch weitere Turnhallen geben müssen, wenn der Freistaat uns weiter ungebremst Asylbewerber zuweist“, so Voigt. So seien in den letzten beiden Dezemberwochen jeweils 200 Flüchtlinge angekündigt.
40 Prozent von ihnen lebten aktuell in Gemeinschaftsunterkünften, 60 Prozent in Wohnungen. Wegen der hohen Zuweisungen wüssten aber alle Stadtchefs aus mehreren Beratungen, dass in jeder größeren Gemeinde oder Stadt ab etwa 5000 Einwohnern eine Gemeinschaftsunterkunft nötig sei. Für Markranstädt seien 259 Flüchtlinge in diesem Jahr avisiert, „und im nächsten Jahr nochmal so viele“, sagte Voigt. Aufgenommen worden seien bislang 43.
„Der Hoteleigentümer hat uns sein Haus angeboten. Wir wären gar nicht auf die Idee gekommen, das Haus zu akquirieren“, erklärte der Beigeordnete. Der Kreis habe eine Absichtserklärung abgegeben, die Verhandlungen zwischen dem möglichen Betreiber ITB und dem Eigentümer liefen seines Wissens. Ab Mitte Januar sei dem Kreis eine Unterbringung von bis zu 180 Flüchtlingen dort angeboten worden, so Voigt. „Und wenn wir es nicht belegen, macht es angesichts fehlender Kapazitäten bestimmt der Freistaat“, meinte er. Das habe er auch schon an anderen Hotelstandorten wie in Böhlen oder Rötha immer wieder betont.
Im Markranstädter Hotel Gutenberg selbst wusste Marketingleiter Frank Schönheit am Dienstag nichts von einem Verkauf. Es gebe eine Reihe von Buchungen für das gesamte nächste Jahr, auch zur Buchmesse. Seitens des Gesellschafters habe es kein Signal gegeben, diese abzusagen, hieß es.
ITB-Chef Wilfried Pohl bestätigte am Dienstag Verhandlungen mit dem Hotel-Eigentümer. Zum Ausgang könne er aber nichts sagen. „Und aus vielen solchen Gesprächen weiß ich, solange nichts unterschrieben ist, bin ich immer skeptisch.“