Leipzig. Da standen sie nun, die ersten beiden Wohnmodule. Ein wenig verloren wirkten die von Michael Fischer-Art bemalten Prototypen in der riesigen, zu einer Seite offenen Halle. Doch sie sollen ja auch nicht alleine bleiben, die bunten Häuschen. Nach einer Idee des Leipziger Künstlers und nach Plänen des Bauprojektentwicklers CG-Gruppe AG könnten schon bald viele, viele solcher Module unter dem Dach des früheren Postbahnhofes in Schönefeld stehen. Die Rede ist von bis zu 400. Sie sollen einmal rund 1000 Flüchtlingen eine vorübergehende Heimat sein. „In den separaten Wohnmodulen wollen wir die Asylbewerber, die zu uns kommen, menschenwürdig unterbringen“, sagte Christoph Gröner, der Vorstandsvorsitzende der CG-Gruppe, bei der gestrigen Präsentation des Projektes Postbahnhof in einem transparenten Zelt an Ort und Stelle. „So möchten wir dazu beitragen, dass Sporthallen künftig nicht mehr als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden müssen und unseren Kindern wieder zur Verfügung stehen“, fügte der Vorstand hinzu.
Gröners letztgenannter Gedanke inspirierte Fischer-Art dazu, von seinem16-jährigen Filius, der erfolgreicher Degenfechter ist, und weiteren hoffnungsvollen Leipziger Sporttalenten zu erzählen. Vor wenigen Monaten wurden die jungen Leute quasi über Nacht mit dem Fakt konfrontiert, dass ihnen die Ernst-Grube-Halle auf dem Sportcampus der Uni für Trainingszwecke vorerst nicht mehr zur Verfügung steht. „In der Grube-Halle starren die Flüchtlinge jetzt an die Decke, das ist doch auch kein Zustand“, sagte der Künstler. In Schönefeld würde stattdessen der Ansatz angestrebt, in einem Umfeld mit Arbeits-, (Aus-)Bildungs-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten der Integration Vorschub zu leisten. „Und diese unverwüstlichen Wohnmodule, schnell und leicht zusammengeschraubt, könnten später als Basis für den Aufbau der in Syrien zerstörten Städte dienen, also wiederverwendet werden.“
Die Leichtbau-Teile wurden gemeinsam vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik in Halle und dem Leipziger Unternehmen Deiz Composite entwickelt. Jedes Modul bietet 15 Quadratmeter Wohnraum, zwei Betten, Stühle, Tisch und einen eigenen Sanitärbereich. Die jeweils 16 000 Euro teuren Module werden von Fischer-Art allesamt künstlerisch gestaltet – damit ein wenig Farbe ins Leben der Flüchtlinge kommt.
Die CG-Gruppe hat das seit mehr als 20 Jahren brachliegende, 8,3 Hektar große Postbahnhof-Areal vor einem Jahr erworben. Die denkmalgeschützten Gebäude werden jetzt für 25 Millionen Euro saniert. Wie die Gewerbehöfe in Plagwitz soll auch das 1912 eröffnete Bahnhofsgelände als „ein herausragender Gewerbestandort“ entwickelt werden. Ginge es nach CG-Chef Gröner, gern mit einer Interimsphase, in der die Fläche unter den acht riesigen Stahlbögen und die Nordhalle als Wohnquartiere genutzt werden. „Bis zum Frühjahr 2016 hätten wir gern Klarheit, ob das Land oder am Ende die Stadt unsere Offerte annimmt. Wir würden wirklich sehr gern helfen, es ist ein ehrlich gemeintes Angebot“, sagte Gröner. Dem Freistaat Sachsen läge längst ein Mietvertragsentwurf vor – Laufzeit fünf Jahre. Das Papier werde gerade geprüft, mit einer Entscheidung sei allerdings nicht vor Januar/Februar 2016 zu rechnen. Inzwischen habe sich auch die Kommune interessiert gezeigt, schilderte er.
Zwei Vertreter der Stadtverwaltung wohnten der gestrigen Projekt-Präsentation bei und wurden vom Vorstandsvor-sitzenden ausgesprochen freundlich begrüßt. Für das Modul-Dorf unterm Postbahnhofsdach würde die CG-Gruppe zusätzliche sechs bis acht Millionen Euro in die Hand nehmen.