Causa Braga: Ärger um Burschenschafter in der AfD-Fraktion

Erstveröffentlicht: 
13.12.2015

Bereits zum dritten Mal binnen kurzer Zeit sorgte das Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania für Aufsehen im Landtag. Zunächst deshalb, weil der Mann aus dem Innenausschuss des Landtages flog.

 

Erfurt. Dann war er auch beim Bildungsausschuss nicht willkommen. Nun wurde er auch aus einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses ausgeschlossen. Linke, SPD und Grünen waren sich einig. Torben Braga, so hieß es, sei bereits in seiner Funktion als AfD-Praktikant als störender Teilnehmer in Gremiensitzungen aufgefallen. Dabei arbeitet einer seiner Verbandsbrüder im Thüringer Bildungsministerium. Wie passt das zusammen?

Oder anders gefragt: Was unterscheidet Matthias W. (Name geändert) von Torben Braga. Immerhin fällt vor allem eine Gemeinsamkeit auf: Sie sind beide Mitglied in der Marburger Burschenschaft Germania – einer Vereinigung, die die Linke-Innenpolitikerin Katharina König für „äußerst rechts“ hält. Ein Unterschied zwischen beiden: Braga, der als Praktikant der AfD-Landtagsfraktion arbeitet und dort in der Entgeltgruppe 1 für einfachste Unterstützungstätigkeiten eingeordnet ist, flog erst aus dem Innen-, Bildungs- und nun auch aus dem Wirtschaftsausschuss des Thüringer Landtages, weil die rot-rot-grüne Ausschussmehrheit das so wollte. W. aber arbeitet seit Jahren für das Thüringer Bildungsministerium, das früher Kultusministerium hieß. Im Wesentlichen unbehelligt. Thüringens Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) sah nach Angaben eines Sprechers ihres Ressorts keinen Grund, den Mann nach der rot-rot-grünen Machtübernahme irgendwie zu versetzen; obwohl sie der gleichen Partei angehört wie König. Und W. hätte bisher sogar ein noch ruhigeres Leben führen können, wenn er nicht seine Dienst-Mail-Adresse innerhalb der Burschenszene als Kontakt-Möglichkeit angegeben hätte - was König bereits im Sommer 2013 bewogen hatte, diese Sache im parlamentarischen Rahmen einer Kleinen Anfrage zu thematisieren.

Keine anderen Burschen im Ressort von Klaubert


Dass der eine Marburger Bursche aus dem Innen-, Bildungs- und Wirtschaftsausschuss fliegt, sein Bundesbruder aber in einem Thüringer Ministerium arbeitet, darin wollen trotzdem weder König noch ein Sprecher des Bildungsministeriums einen Widerspruch erkennen. Ein ­Beamter könne wegen seiner politischen Einstellungen nur dann aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden, wenn er durch sein Verhalten doku­mentiere, dass er sich nicht oder nicht mehr auf dem Boden der ­freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewege, sagt ein Sprecher des Klaubert-Ministeriums. Das sei bei W. nicht der Fall. Unabhängig von dieser Personalie sehe Klaubert die „Deutsche Burschenschaft“, kurz: DB - also jenen umstrittenen Dachverband, in dem auch die Marburger Germania Mitglied ist - aber kritisch. Nach dem verstärkten Austritt von liberal-konservativen Burschenschaften aus dem Verband sei die DB auf zum Teil extrem rechte Burschenschaften zusammengeschrumpft, die sich an einem Volkstum-bezogenen Vaterlandsbegriff orientierten.

Der direkte Bezug oder Nicht-Bezug der beiden Männer zur DB wiederum macht aus Sicht Königs den großen Unterschied dazu aus, weshalb es richtig gewesen sei, Braga aus dem Innen- und Wirtschaftsausschuss zu schicken, während W. gleichzeitig weiter ungestört Akten bewegen darf. Braga habe als Bundessprecher der DB eine wichtige öffentliche Funktion in dem Dachverband inne und sei eine Person des öffentlichen Lebens. Die Sprecher-Funktion entspricht bei der DB der eines Vorsitzenden. W. habe - sagt König - als einfaches Mitglied einer DB-Burschenschaft „für mich nicht denselben Status“. Seit der nicht autorisierten Nutzung seiner Dienst-E-Mail-Adresse sei W. zudem nicht mehr aufgefallen.

So sehr ihr die politische Einstellung W. nicht gefalle, so richtig sei es deshalb doch, ihn - anders als Braga - im Ministerium seine Arbeit machen zu lassen. „Wenn wir über einen bestimmten Punkt hinausgehen, kommen wir sonst ganz schnell in Richtung von Berufsverboten aus ideologischen Gründen“, sagt König. Das könne niemand wollen.

Außer W., sagt der Sprecher des Ministeriums, arbeiteten keine anderen Marburger Burschen im Ressort von Klaubert.

AfD fördert prekäre Beschäftigung

 

Derweil gewinnt die Auseinandersetzung im Falle Braga an Fahrt: Nachdem Linke, SPD und Grüne seinen Ausschluss aus dem Wirtschaftsausschuss beschlossen hatten, betonten sie, dass es dafür auch eine Empfehlung seitens der Landtagsverwaltung gebe - mit Blick auf die Entgeltgruppe 1, in die Braga eingruppiert worden war bei der AfD.

„Nach Auffassung der Landtagsverwaltung ist die vorgenommene Eingruppierung im klaren Widerspruch zur Aufgabe der im Ausschuss beratend wirkenden Fraktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, welches eine wissenschaftliche Betätigung darstellt“, heißt es. „Der Ausschuss folgte dieser Argumentation und verwies zudem auf die Unverantwortlichkeit der AfD, hier prekäre Beschäftigung zu fördern“, so die Argumentation.

AfD will Verfahren gerichtlich klären lassen

 

Die AfD werde dieses Vorgehen nicht akzeptieren, erklärt deren parlamentarischer Fraktions-Geschäftsführer Stefan Möller: Er nennt der Rauswurf einen „politisch motivierten Rechtsbruch. Nach den Regeln der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags ist es jeder Fraktion ohne weitere Einschränkung gestattet, einen Mitarbeiter in die Ausschusssitzungen zu entsenden.“ Und die Höhe der Vergütung, die Möller für angemessen hält, spiele dabei keine Rolle.

Der Tarifvertrag begründe allenfalls Rechtsansprüche von Braga gegenüber der AfD-Fraktion als Arbeitgeber. „Die Frage des Entsenderechts wird jedoch allein durch die Geschäftsordnung geklärt“, so Möller. Die AfD wolle nun das Verfahren gerichtlich klären lassen.