Uwe Waurich ist neuer Prohliser Revierchef. Die SZ sprach mit ihm über Krawalle, Flüchtlinge und Belastungsgrenzen.
Herr Waurich, in Prohlis gab es kürzlich heftige Krawalle. Sind Sie als Chef des Polizeireviers dabei auch selbst vor Ort im Einsatz?
Wenn es nötig ist, gehe ich natürlich mit raus und unterstütze meine Kollegen. Der Kontakt mit den Bürgern ist wichtig, denn nur dadurch bekomme ich mit, welche Stimmung im Stadtteil herrscht und wo es Probleme gibt. Ich war auch bei den Ausschreitungen am 9. Oktober vor der geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Boxberger Straße dabei – das kam für uns allerdings nicht überraschend.
Wieso denn das?
Diese Krawalle hätten verhindert werden können. Wir haben den Organisatoren des Willkommensfestes von der Veranstaltung abgeraten, denn es war absehbar, dass etwas passiert. Für die Asylgegner im Stadtteil war das eine Provokation.
Hilfsbereitschaft als Grund für Ausschreitungen – ist das Ihr Ernst? Gewaltbereite Asylgegner warfen doch schon drei Tage vor dem Willkommensfest einen Molotowcocktail auf das Schulgebäude in der Boxberger Straße ...
Das stimmt, aber es zeigt auch, wie aufgeheizt die Stimmung in Prohlis damals war. Wir haben vor Ausschreitungen an diesem Freitagabend gewarnt, denn es waren auch Dynamo-Fans unterwegs, die vom Pokalspiel kamen. Die Asylbefürworter ließen sich nicht davon abhalten, mit der Gegenseite ins Gespräch kommen zu wollen. Das ist ein gravierendes Problem: Unsere Botschaft kommt nicht an, wenn die Fronten verhärtet sind. Auf keiner Seite.
Woran liegt es, dass die Fronten in Dresden derzeit so verhärtet sind?
Das Problem mit wütenden und besorgten Bürgern, die auf die Straße gehen und protestieren, ist teilweise hausgemacht. Mit rechtzeitigen Informationen zu den geplanten Asylheimen oder einer Beteiligung bei den Entscheidungen für die Standorte würden sich die Dresdner ernst genommen fühlen. Sie vor vollendete Tatsachen zu stellen, halte ich für eine schlechte Lösung. Menschen, die friedlich demonstrieren und ihre Meinung sagen, sind nicht das Problem. Es ist die gestiegene Gewaltbereitschaft, die uns Sorgen macht. Das betrifft linke Extremisten genauso wie rechte. Dazu kommen die Einsätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
In Ihrem Gebiet sind etwa 1 800 Flüchtlinge in vier Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Was gibt es dort für Probleme?
Unser Revier ist für die Unterkünfte an der Nöthnitzer und Bergstraße sowie für die Zelte in der August-Bebel- und Schnorrstraße zuständig. Wir werden oft zu den Turnhallen in der Nöthnitzer Straße gerufen, wenn es Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingen gibt. Diese Einsätze nehmen immer mehr zu und sind von Gewalt geprägt. Erst am Wochenende mussten 48 Beamte einschreiten, weil 60 Asylbewerber aufeinander losgingen.
Ihr Revier ist in den Ortsämtern Leuben, Prohlis und Plauen auch für die Abschiebung von Flüchtlingen zuständig. Wie oft müssen Sie Kollegen dafür einsetzen?
Die Zahl der Abschiebungen nimmt zu. Während wir im kompletten letzten Monat nur drei Fälle in Prohliser Wohnungen auf dem Tisch hatten, mussten meine Beamten allein in der Nacht auf Mittwoch sechs Abschiebungen in drei Erstaufnahmeeinrichtungen durchführen. Ein Albaner hat bereits seit August keine Aufenthaltsgenehmigung mehr, bekam aber immer noch Geld. Weil er nicht zum angekündigten Abschiebetermin erschienen war, mussten wir ihn gestern abholen. Wir kennen in der Regel die Abflugzeit am Leipziger Flughafen, machen uns dann einen Zeitplan, wann wir die Flüchtlinge aufgreifen und an die Bundespolizei übergeben. Die Kollegen bringen sie zum Flughafen.
Wie läuft es ab, wenn Sie die Menschen aus den großen Erstaufnahmeeinrichtungen herausholen müssen?
Wir haben ein Zeitfenster von 22 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Dann herrscht in den Massenunterkünften Nachtruhe. Wir haben da bisher keinerlei Erfahrungen und es gibt viele offene Fragen: Machen wir das Licht in der Halle an, kommen die Menschen freiwillig mit, wie reagieren die anderen Asylbewerber auf die Situation, reicht für eine Abschiebung ein Streifenwagen mit zwei Polizisten oder brauchen wir Verstärkung? Am Mittwochmorgen sind wir gegen 5 Uhr in die Erstaufnahmeeinrichtungen gefahren. Zwei waren nicht da, bei den anderen vier Flüchtlingen lief alles ohne Probleme ab. Der Wachschutz hat sie von ihren Schlafplätzen abgeholt.
Ihre Polizisten hetzen also von einem Einsatz zum nächsten. Haben Sie denn genug Beamte, um diese zusätzlichen Aufgaben abzudecken?
Wir kommen an unsere Belastungsgrenzen. Eine Schicht auf unserem Revier ist mit maximal 15 Streifenpolizisten besetzt. Manchmal rücken sie mehrmals täglich zu den Flüchtlingsunterkünften aus. Wenn dort Gefahr für Leib und Leben besteht, müssen sie sofort losfahren. Das ist meistens der Fall. Obwohl es bei den Auseinandersetzungen um Kleinigkeiten geht, wie zuletzt um ein Handy-Ladekabel oder Probleme bei der Essenausgabe, werden die Konflikte schnell gewalttätig, weil mit Messern oder anderen Waffen hantiert wird. Trotz ihrer Westen fühlen sich meine Kollegen bei diesen Rangeleien nicht immer ausreichend geschützt.
Bekommen Sie Verstärkung, wenn die Situation in einer Unterkunft eskaliert?
Wenn die Lage unübersichtlich oder zu gefährlich wird, fordern wir im Lagezentrum zusätzliche Einsatzkräfte an. Das mussten wir in den vergangenen Wochen immer häufiger tun. Die Einsätze der Streifenpolizisten in den Flüchtlingsunterkünften gehen außerdem zulasten anderer Aufgaben in den Stadtteilen: Es gibt weniger Verkehrskontrollen, was sich auf die Verkehrsdisziplin auswirkt. Ebenso bleiben manchmal die Ermittlungen, etwa bei Fahrraddiebstählen oder Drogendelikten, auf der Strecke und Wartezeiten verlängern sich.
Das Gespräch führte Nora Domschke.