Ein Garten voller Böcke

Über die neue Familienministerin Kristina Köhler: Am Kampf um die Deutungshoheit von Begrifflichkeiten, wie Rechtsextremismus und Antisemitismus, beteiligen sich Konservative sowie Vertreter der »Neuen Rechten«. Ein Bericht aus dem kleinen Grenzverkehr am Beispiel der neuen CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Köhler.

Im Februar 2009 hatte auch die israelische Öffentlichkeit die Gelegenheit, Einblick in das Weltbild der Kristina Köhler zu nehmen. Zumindest die Leserschaft der »Jerusalem Post« konnte von der Wiesbadener CDU-Bundestagsabgeordneten und jetzigen Ministerin erfahren, wie es in Deutschland um den Antisemitismus bestellt ist.1 Die israelischen Leser erfuhren dort nichts von der erneut steigenden Anzahl deutscher Rechtsextremisten2; nichts von den 138 von Neonazis Ermordeten seit der deutschen Wiedervereinigung3; nichts davon, dass in Deutschland im Schnitt wöchentlich ein jüdischer Friedhof mit rechtsextremen Parolen geschändet oder zerstört wird.4 Nein, Kristina Köhler hat andere Botschaften und verlässt sich dabei nicht auf Statistiken, sondern auf ihr rechtes Bauchgefühl. Und das sagt ihr vor allem eins: Die Hauptgefahr antisemitischer Bedrohung liegt bei extremen Moslems und antisemitischen Linken.
 
Das Ziel ihres publizistischen Angriffs ist das »Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung« unter der Leitung von Wolfgang Benz. Diese Einrichtung nämlich, so Köhler weiter, nimmt den Antisemitismus von Linken und Moslems nicht ernst genug und kümmere sich nur um die Rechten, die aber gar nicht mehr entscheidend wären. Szenenwechsel: Im deutschen Bundestag findet 2007 eine aktuelle Stunde zum »Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus« statt. Am Rednerpult steht Monika Lazar, Sprecherin der Grünen in Sachen Rechtsextremismus. Sie referiert über die Rechtsextremismusstudien der Friedrich-Ebert-Stiftung »Vom Rand zur Mitte« und die Studienreihe »Deutsche Zustände« des Bielefelder Instituts für Konflikt-und Gewaltforschung. Beide empirischen Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass rechtsextremistische Wertvorstellungen fest in der »Mitte der Gesellschaft« verankert sind – dort, wo auch der historische Faschismus einst herkam. Diese Rede wird von Kristina Köhler mehrfach unterbrochen. Zuerst pickt sie sich ein Item5 aus dem Fragebogen der Ebert- Studie »Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland« heraus und fragt theatralisch: »Ist man ein Rechtsextremist, wenn man diese Frage mit ja beantwortet?« Frau Köhler – selbst Soziologin – wird wissen, dass eine sozialempirische Untersuchung selten aus nur einer Frage bzw. einem Item besteht. Wichtig ist es ihr auch anzumerken, dass es ja noch andere wissenschaftliche Meinungen zu dieser Thematik gäbe.6
 
Wen sie damit meint, ist nicht so schwer zu erraten: Es sind die Meinungen der beiden Extremismusforscher Eckehard Jesse (Chemnitz) und Uwe Backes (Dresden), geistige und praktische Nachfolger des inzwischen auch bei Neonazis auftretenden Professors Dr. Hans-Hellmuth Knütter, in dessen Schriften die bürgerliche Mitte beschützt werden muss – und zwar vor allem vor Linken, »die den Antifaschismus zum eigenen Überleben nutzen, wie auch die jüdischen Gemeinden in Deutschland«.7 Artikel wie Bundestagssituation verweisen auf Ähnliches: Kristina Köhlers Ablehnung aller Linken und vor allem dann, wenn diese sich mit Rechten beschäftigen. Sie gefällt sich in der Rolle der rechten Wadenbeißerin – wobei sie oft daneben schnappt, da sie in ihren Argumentationen der ideologischen Geschwätzigkeit meist den Vorlass vor objektiven Zahlen oder sozialwissenschaftlichen Beweisketten gibt. Da kann es auch mal Ärger mit den eigenen Quellen geben. Begeistert und agitiert vom rassistischen Wahlkampf Roland Kochs 2007/2008 zitierte sie aus einer Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer, in der angeblich belegt würde, dass ausländische Jugendliche Deutsche angreifen, weil diese deutsch seien. Man hätte es also mit einem deutschenfeindlichen Rassismus zu tun. Daraufhin musste selbst der Wissenschaftler die Kollegin Köhler darauf hinweisen, noch einmal nachzulesen, weil solche Schlussfolgerungen aus seiner Studie nicht abzuleiten wären.8 Vor einigen Jahren entdeckte sie den Antisemitismus. Nicht in der CDU, in den christlichen Kirchen, in den Vertriebenenverbänden oder den Schützenvereinen. Nein, sie hat ihn bei Moslems und Linken entdeckt.
 
Unstrittig, dass es Antisemitismus bei einer Vielzahl moslemischer Gruppen gibt und dass es auch in der politischen Linken Formen des Antisemitismus gab und gibt. Dem Vorwurf, dass einige Linke Regime wie das des Irans oder Organisationen wie die Hamas zu wenig oder gar nicht kritisieren, ist absolut zuzustimmen. Gleichzeitig gibt es aber innerhalb der linken Bewegungen seit Jahren eine teils schmerzhafte und erbitterte Auseinandersetzung um die Verortung von Begriffen wie Antizionismus oder die Kritik an der Politik des Staates Israel. Dieses soll hier aber nicht das Thema sein. Sondern die Tatsache, dass sich jetzt Vertreter der »Neuen Rechten«9 – in deren Dunstkreis man auch eine Kristina Köhler finden kann – daran machen, den Kampf gegen Antisemitismus zu missbrauchen. Dieser Missbrauch besteht primär darin, Antisemitismus zu ideologisieren und ihn damit zu entpolitisieren. Antisemitismus ist in Köhlers Denkart immer ein Problem eines Extremismus, also einer zugespitzten Meinung, den man nur an den Rändern der Gesellschaft findet. Antisemitismus wird nicht mehr in einem Kontext europäischer nationalkonservativer Machtpolitik gesucht. Die Geschichte des modernen Antisemitismus ist aber eine europäische und eine politisch rechte Geschichte, egal ob christlich, konservativ, esoterisch, völkisch oder nationalistisch legitimiert. Auch der widerwärtige Antisemitismus in Teilen der moslemischen Welt ist in der Regel genau dieser recycelte europäische Wahn. »Die Protokolle der Weisen von Zion«, die auf den Zimmern saudischer Hotels liegen, und die Mythen von Kinderblut trinkenden Rabbis im arabischen TV sind in den Köpfen deutscher, russischer und französischer Monarchisten, Nationalisten, Pfarrer und gutbürgerlicher Gelehrter des 19. Jahrhunderts entstanden.
 
Natürlich ist Kristina Köhler kein Neonazi. Regelmäßig spricht sie sich gegen die NPD und andere Stiefelnazis aus. Wenn man sich aber in die Grauzonen am rechten Rand begibt, dort wo die Burschenschaften, CDU- und NPD-Politiker gleichzeitig ausspucken10, wo die »Junge Freiheit« gelesen und gefördert wird, wo die Salonfaschisten des »Instituts für Staatspolitik« Vorträge halten, dort wird Frau Köhler eher schweigsam. Letztendlich genügen die kontinuierliche Beobachtung des Online-Auftritts von Kristina Köhler11 und ihr sonstiger politischer Umgang, um die ideologische Konjunkturdeutung von Antisemitismus ihrerseits zu erfassen. Kristina Köhler nennt sich »Expertin« für Islam, Extremismus und Integration der CDU-Bundestagsfraktion. Dass das Wort »Experte« in Politikerkreisen aller Parteien ein völlig entwertetes Zertifikat ist, ist ihr nicht persönlich anzulasten, sondern ist ein in den Medien oft zu beobachtendes Schauspiel, wenn beispielsweise »Finanzexperten« innerhalb weniger Monate zu »Umweltexperten« und wieder zurück mutieren. Köhler macht hier keine Ausnahme, es gibt von ihr auch nach acht Jahren Bundestagszugehörigkeit und Expertendasein keinerlei Veröffentlichungen zum Thema Islam, Extremismus oder Integration, die über eine Pressemitteilung oder Bundestagsrede hinausgeht. Einzige Ausnahme ist eine kurze Buchrezension im Jahrbuch Extremismus der beiden rechtskonservativen »Extremismusforscher« Eckehard Jesse und Uwe Backes aus Sachsen.12 Deren Thesen sind allerdings das Credo und oft einziger inhaltlicher Hintergrund einer Kristina Köhler. Sie hat nur wenige Themen, schafft es aber trotzdem immer wieder damit in bestimmten Medien zu erscheinen. Zusammengefasst sind ihre Thesen einfach –, und beliebt:
 
- Linksextremisten unterscheiden sich gar nicht so sehr von Rechtsextremisten.
 
- Linksextremismus findet sich schon am linken Rand der SPD.
 
- Rechtsextremismus findet sich aber nie am rechten Rand der CDU.
 
- Ausländer und vor allem Moslems müssen sich einer »Deutschen Leitkultur« unterordnen.
 
- Es gibt eine Zunahme von Rassismus gegen Deutsche in Deutschland.
 
»Willkommen am Stammtisch der Fünfziger Jahre« möchte man meinen – und in der Tat entpuppt sich Köhler als begeisterte Anhängerin einer schlichten Theorie, die in den Hochzeiten des kalten Krieges sehr populär war, ab den sechziger Jahren verdrängt wurde und seit der Wiedervereinigung ein Comeback feiert: die Totalitarismustheorie.13 Diese Theorie gilt bei vielen Sozialwissenschaftlern14 mehr als Ideologie denn als Wissenschaft, da sie unter anderem keiner empirischen Prüfung standhält. Inzwischen ist sie wieder zu einer publizistischen Standardwaffe Konservativer geworden – eignet sie sich doch besonders gut dafür, Rechtsextremismus zu relativieren und letztendlich einen Geschichtsrevisionismus in der öffentlichen Wahrnehmung zu etablieren. Handelte es sich anfangs »nur« um geschichtspolitische Debatten, so gingen diese über die Gedenkstättenpolitik bald allgemein in den Bereich der politischen Bildung über. Dass dieses keine Elfenbeinturmdiskussion mehr ist, kann man daran ablesen, dass es Teilen der »Neuen Rechten« gelungen ist, mit der sogenannten Extremismusforschung eine gewisse Deutungshoheit über Begrifflichkeiten und Definitionen in der Auseinandersetzung um Rechtsextremismus zu bekommen. Vertreter der »Neuen Rechten« wie Eckehard Jesse oder Uwe Backes haben von ihren sächsischen Instituten15 aus inzwischen Zugriff auf die Bundeszentrale für politische Bildung und halten Tagungen für den sozialwissenschaftlichen Beirat bei mehreren Verfassungsschutzämtern, einigen Landeskriminalämtern und dem BKA.
 
Es ist erstaunlich, wie fast widerstandslos rechte Intellektuelle, die noch vor wenigen Jahren in Publikationen schrieben, die vom Verfassungsschutz beobachtet wurden, inzwischen selbst bei den Sicherheitsorganen ein und aus gehen.16 Dass Jesse und Backes 2003 sogar als Experten des Bundesverfassungsgerichts für die Beratung über das NPD-Verbot bestellt wurden, veranlasste auch die Süddeutsche Zeitung zu der Bemerkung, dass hier der Bock zum Gärtner gemacht würde.17 Wie der Stichwortgeber der europäischen »Neuen Rechten«, Alain de Benoist, einst die Herausbildung einer rechten Kulturhegemonie über die schrittweise Infiltration eines wissenschaftlichen und medialen Apparates beschwor, so lassen sich solche Tendenzen und publizistischen Netzwerke heute recht deutlich im medialen Kampf gegen alles was links ist oder scheint, erkennen. Kristina Köhler scheint Teil eines solchen Netzwerkes zu sein. Das Muster der Kampagnen ist immer ähnlich. Die Angegriffenen sind meist Vertreter der Linkspartei, des sogenannten linken Flügels der SPD oder auch einzelne Vertreter der Grünen. Die Kampagne beginnt oft in der rechten Wochenzeitschrift »Junge Freiheit«. In der dortigen Rubrik »Blick nach Links« werden Sozialwissenschaftler wie Christoph Butterwege oder Politiker der Linkspartei wie Ulla Jelpke als »Linksextremisten« diffamiert. 2007 war dann die frisch gewählte Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel an der Reihe. Dass die SPD-Jungpolitikerin sich auch in der linken Gefangenenhilfsorganisation »Rote Hilfe« engagierte, wurde zuerst im rechtsradikalen Milieu hochgekocht, um dann über konservative Blätter wie »Die Welt« oder »Focus« in die Mainstream-Medien transferiert zu werden. Kristina Köhler scheint genau hier eine gewisse Funktion zu haben, nämlich »schmutzige« Informationen mit ihrer Reputation weiß zu waschen. Sie macht rechtsradikale Diskurse Mainstream-tauglich: Die Interviewpartnerin ersetzt als »seriöse« Quelle die rechtsradikalen Wurzeln der Aussage. Ähnliche Versuche – in der »Jungen Freiheit« aber mit weniger Erfolg beschieden – gab es auch mit der SPD-Politikerin Ute Vogt, Mitherausgeberin des sozialdemokratischen Informationsblattes »Blick nach Rechts«, als diese ein Buch über die Zeitung »Junge Freiheit« selbst, mitherausgab. Genauso betroffen die bereits erwähnte bundespolitische Sprecherin der Grünen zum Thema Rechtsextremismus, Monika Lazar. In diesem Zusammenhang sind es immer wieder dieselben Namen, die auftauchen.
 
Besonders die Schreiber der »Jungen Freiheit« und bestimmte Journalisten von der »Welt« bzw. vom »Focus« scheinen gerne mal voneinander abzuschreiben.18 Diese Hetzkampagnen beziehen sich wiederum auf die Extremismusgebilde von Jesse und Backes, die gebetsmühlenartig weiter verkünden, dass der »Kampf gegen Rechts« übertrieben sei und die größere Gefahr von Links drohe. Relativ neu ist die Ergriffenheit, die Kristina Köhler beim Thema Antisemitismus befällt. Mit tiefer Sorge beobachtet sie einen »neuen« Antisemitismus bei der Linkspartei, getarnt als Antizionismus. Dies ist für sie so unerträglich, dass sie – medienwirksam – eine gemeinsame Erklärung der Bundestagsfraktionen mit den Vertretern der Linkspartei gegen Antisemitismus verhinderte. Dieses ideologische Medienspektakel veranstaltete sie ausgerechnet zusammen mit dem CSU-Politiker Hans-Peter Uhl, jenem Konservativen, der noch während der Diskussion im Jahre 2000 über die Entschädigungszahlungen an jüdische Zwangsarbeiter, diese von Entschädigungszahlungen an deutsche Zwangsarbeiter in sowjetischen Kriegsgefangenenlager abhängig machen wollte, wie er in einem Aufsatz in dem konservativen Blatt »Epoche« schrieb.19 Schaut man sich die Stellungnahmen und Presseerklärungen der Expertin für Islam und Extremismus auf der Homepage von Kristina Köhler an, so erkennt man die Heuchelei und den offenen Missbrauch von Antisemitismusvorwürfen als Politikerin des rechten Randes nicht unbedingt daran, was sie schreibt, sondern daran, was sie nicht schreibt. Während sie sogar noch in Duisburg Linkenpolitiker auf einer Demonstration gegen den Gazakrieg aufstöbert, entgehen ihr andere Dinge auf wundersame Weise. Antisemitische Skandale gab es auch in Hessen in den letzten Jahren zuhauf: Im Sommer 2007 zogen hunderte Neonazis unter den Augen eines großen Polizeiaufgebotes durch Frankfurt am Main mit der Parole »BRD Judenstaat – wir haben dich zum Kotzen satt«. Hunderte junger AntifaschistInnen die sich dem braunen Mob entgegenstellten, wurden seinerzeit eingekesselt und festgenommen.20 Ein Jahr später zogen Neonazis der NPD durch Wetzlar und forderten, Daniel Cohn Bendit als Mitglied einer »besonderen Minderheit« an die Wand zu stellen. Die Extremismusexpertin aus Hessen schwieg dazu, wie auch die Polizei vor Ort.
 
Auch die fast quartalsmäßigen antisemitischen »Skandale« ihrer Parteikollegen werden auf ihrer Homepage nicht kommentiert. Sei es der Rehabilitationsversuch des NSDAP-Blutrichters Hans Filbinger durch den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger, die Umtriebe des äußerst rechten Studienzentrums Weikersheim, die antisemitischen Ausfälle des hessischen Bundestagsabgeordneten Hohmann und der offene Beifall, den er von seiner Basis dafür erhielt – zu alledem schweigt die besorgte Extremismusexpertin. Und natürlich schweigt sie lieber auch über den Holocaust leugnenden Piusbruder und dessen Rehabilitation durch den Papst. Es scheint, dass sie sehr darauf bedacht ist, mit ihrem »Kampf gegen Antisemitismus« keine Wählerklientel zu verschrecken. Da braucht sie sich bei Moslems und Linken keine Sorgen zu machen, wohl aber, wenn sie anfangen würde, einen Parteikollegen oder gar den Papst zu kritisieren. Es wird ihr bekannt sein, dass in den aktuellen Studien über politische Einstellungen in Deutschland der Anteil von antisemitischen Einstellungen beim CDU/CSU-Klientel doppelt so hoch ist wie bei dem der Linkspartei21. Frau Köhlers Kampf gegen Antisemitismus ist ein ideologisches Possenspiel. Der Versuch, sich als deutscher Rechtsaußen als glaubhafter Gegner des Antisemitismus darzustellen, hatte schon immer etwas tragisch-skurriles. Auch Kristina Köhler muss in ihrem Kampf gegen Links immer nervös in die eigenen Reihen bzw. auf die eigene Website schauen. Da verschwanden auf ihrer Homepage plötzlich aus dem Pressespiegel22 im letzten Jahr einige Links. Zwei führten zur »Jungen Freiheit« und der andere zu der Seite »PI News«23. Auf beiden extrem rechten Seiten wurde, wie eigentlich immer, positiv über Frau Köhler berichtet und auf »PI-News« kann man außerdem auch noch etwas bestellen: Tassen und T-Shirts, auf denen zu lesen ist: »islamophobic and proud about it« – ganz so wie man es sich von einer »Expertin für Integration« wünscht. Mit beiden Medien scheint sie mehr zu verbinden. Auf »PI-News« ist sogar eine Nachricht ihres Büros zu finden, welches einen Beitrag ergänzt. Vor allem scheint sie aber eine begeisterte Leserin der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ zu sein. Als sie nach den 1. Mai-Demonstrationen 2009 in einer Bundestagsrede vor allem wieder gegen die Linksautonomen in Berlin polemisierte, beschwerte sich einige Tage später ein Autor der Jungen Freiheit, Kristina Köhler sollte doch, wenn sie aus seinen Artikeln für ihre Rede klaut, wenigstens die Quelle angeben. Dieses holen wir an dieser Stelle gerne nach.24
 
Auch ihr Mentor und Stichwortgeber, der Totalitarismuspapst Prof. Eckehard Jesse, vergreift sich ab und zu im Ton. Während Kristina Köhler Ende 2008 mal wieder den Rücktritt von Politikern forderte, die Eckehard Jesse kritisieren25, schweigt sie selbstverständlich über seine wiederholten antisemitischen Äußerungen in der Vergangenheit, z.B. dass die jüdischen Gemeinden Antisemitismus benötigen, um Gehör zu bekommen, und dass das Verhalten führender jüdischer Funktionäre auf Dauer Judenfeindlichkeit in der Bevölkerung auslösen wird.26 Auch das Medienecho, welches seinerzeit der Bürgermeister von Korschenbroich auslöste, als er forderte, ein paar »reiche Juden totzuschlagen«, um den Stadthaushalt zu finanzieren, fand Jesse hysterisch.27 Wenn man sich mit Kristina Köhler beschäftigt, verwundert eigentlich nur eins: der mangelnde Widerstand, der ihr bisher in ihrer Karriere entgegenschlug.
 
Die Mattigkeit einer SPD beim Thema Neofaschismus ist erschreckend. Eine Scharnierfunktion zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus ist im hessischen Landesverband der CDU wirklich nichts Neues. Die Übergänge zwischen Neonazis – neuer Rechter – CDU sind im Verband von Alfred Dregger, Manfred Kanther und Roland Koch bis heute fließend. Köhler hat das Glück, aus einer Stadt zu kommen, in der besonders deutlich wird, wie sehr sich politische Koordinaten des Konservatismus bis weit in die SPD hinein und die Abdankung eines irgendwie investigativ gearteten Journalismus die Hand reichen.

Fußnoten
 
1| Jerusalem Post, 15.02.09
 
2| Frankfurter Rundschau 14.12.08; Frankfurter Rundschau 18.3.09
 
3| Mut gegen rechte Gewalt
 
4| Amadeo Antonio Stiftung
 
5| Item – auch Merkmal genannt – ist eine statistische Variable, aus deren Menge bzw. Ausprägung eine Grundgesamtheit gemessen wird.
 
6| www.Monika-Lazar.de, 20.04.09
 
7| DISS Duisburg, 21.0409.
 
8| DasErste vom 18.04.09
 
9| Wir benutzen den inzwischen etwas überfrachteten Begriff »Neue Rechte« zum einen ausgehend von der französischen »Nouvelle Droite«, die sich auf Antonio Gramsci bezieht und zunächst eine kulturelle Hegemonie anstrebt, eine Besetzung des vorpolitischen Raums durch Infiltration des medialen und wissenschaftlichen Apparates und zum anderen aber daran anschließende rechtsintellektuelle Zirkel und publizistische Netzwerke in der Grauzone zwischen Rechtsextremismus und Konservatismus. Zur Übersicht der Begriffsdefinition vgl. Butterwege, Christoph. In: Herbert und Greta Wehner Stiftung (Hrsg.): Diffusionen – Der kleine Grenzverkehr zwischen Neuer Rechter, Mitte und Extremen, Dresden 2007
 
10| Exemplarisch dafür die rechtsextreme »Dresdensia Rugia« aus Gießen, in der der schulpolitische Sprecher der CDU Hessen Irmer gerne referierte, wie auch eine Anzahl von Mitgliedern der NPD-Landtagsfraktion aus Sachsen. Vergl. u.a. Wiesbadener Kurier vom 18.04.2009
 
11| www.Kristina-Köhler.de
 
12| Jahrbuch für Extremismus und Demokratie, Jhrg. 19, 2007
 
13| Zur Geschichte der Totalitarismustheorie vergl. K.H. Roth: Schlimmer als die Nazis.
 
14| Vergl. zur Totalitarismustheorie: Butterwege: Erklärungsmodelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt, 2004; Wippermann: Totalitarismustheorien, 1997; Stöss/Schuberth: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, 2000
 
15| Eckehard Jesse leitet das von der Hans Seidel- Stiftung finanzierte Institut zur Extremismusforschung an der TU in Chemnitz und Uwe Backes das Hannah Arendt-Institut der Uni Dresden. Beide fungieren auch als politische Berater des sächsischen Innenministeriums.
 
16| Exemplarisch steht dafür die Zeitschrift MUT Zur ihrer Einordnung siehe: Mecklenburg, Jens (Hrsg): Handbuch des deutschen Rechtsextremismus
 
17| Süddeutsche Zeitung, 05.02.02
 
18| Vergl. Junge Freiheit, 30.06.08; Junge Freiheit, 17.10.08; Focus, 30.06.08, Nr.27; Welt, 07.08.08
 
19| www.konservativ.de
 
20| Viele Menschen, die z.B Sitzblockaden gegen die Nazis durchführten, bekommen in der Regel in vielen Städten Anzeigen wegen »Widerstand gegen die Staatsgewalt«. Diese Fälle wiederum fließen in die Polizeistatistiken unter der Rubrik »Gewalt gegen die Polizei – Politisch motiviert links«. Einen Tag, nachdem in allen deutschen Medien Mitte März 2009 über eine neue Studie des Bundesinnenministeriums diskutiert wurde, wonach jeder siebte Jugendliche ausländerfeindlich ist, veröffentlicht Frau Köhler einen Auszug aus einer solchen Polizeistatistik auf ihrer Homepage, wo dann zu lesen ist, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte von Linken doppelt so hoch sei, als von rechts ausgehend. Auf die erwähnte Studie geht sie selbstverständlich nicht ein.
 
21| Vergl. Decker, Brähler. Vom Rand zur Mitte, 2006
 
22| Wir betonen an dieser Stelle, dass es sich um einen Pressespiegel handelt und nicht um einen Link, der zu dem Zweck angebracht wurde, Werbung für diese Seiten zu machen. Dennoch: Link bleibt Link und eine gewisse Auswahl scheint es beim Pressespiegel zu geben – Presseartikel der NPD-Zeitung »Deutsche Stimme«, die auch mal lobend über Frau Köhler berichten, sind bisher noch nicht aufgetaucht.
 
23| PI steht für »politically incorrect«.
 
24| Kommentar Junge Freiheit Homepage
 
25| Focus, Nr 27, 30.06.08
 
26| Süddeutsche Zeitung, 05.02.02; 11.02.05 Freitag; gemeint war seinerzeit der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Galinski. In der Antisemitismusforschung werden solche Aussprüche, wonach Juden durch ihr Verhalten an ihrer Verfolgung selbst schuld sind, dem sekundären Antisemitismus zugerechnet.
 
27| ebenda