Am 28.11. wollen die Nazis um das “Bündnis Zukunft Landkreis Gotha” (BZLG) das zweite mal versuchen auf den Zug der Proteste von “besorgten Bürgern” aufzuspringen. In diesem Kontext wird immer behauptet, dass die sogenannten “extrem Rechten”1, sich diese Proteste zu Nutze machen, vielmehr noch, sie steuern und infiltrieren. Dass die Neonazis einen, nicht unwesentlichen Teil zur Gewalltaffinität und zur Stimmung dieser Proteste beitragen finden wir richtig, jedoch widersprechen wir dieser Theorie im weitesten Sinne.
Die “besorgten Bürger” benutzen und argumentieren auf jeder ihrer Demos mit dem Volksbegriff. Sei es in Parolen wie “Wir sind das Volk”, oder mit Sätzen wie “Das Volk wird nur verarscht” . Wir möchten festhalten, dass der Volksbegriff nichts anderes meint als die Verbundenheit eines nationalen Zwangskollektives unter dem Staat. Der Begriff bedient in sich, die Ablehnung der Gemeinschaft gegen das was nicht dazu gehört. Wer mit dem Volk argumentiert steht bei den Nazis gar nicht so falsch. Auch wenn die verschiedenen Gruppen bei PEGIDA, Naziaufmärschen und co. prinzipiell nicht als homogene Masse zu betrachten sind ist der Volksbegriff, was die Ideologen von AfD über Sarrazin Anhänger, von “besorgten Bürgern” bis Kameradschaftsnazis eint.
Was sie ebenfalls eint, ist die vermeintliche Rettung der Werte des deutschen Volkes vor der “Fremdkultur”. Diese wird bei den meisten im Islam gesehen. Unterschiedslos wird der Islam als Glaubensmarotte, wie hierzulande das Christentum, mit dem politschen Islam in einen Topf geworfen. Dem Mob ist egal, dass ein Teil der Menschen, welche nach ihrer Flucht hier ankommen, vor eben jenem geflohen sind. Vielmehr ist die Ideologie des politischen Islam der der Nazis gar nicht so fremd.
Während die Islamisten die Welt von den „Ungläubigen“ säubern wollen,
haben es die Nazis auf „Volksschädlinge“ abgesehen, das sind wahlweise
Ausländer, Obdachlose, Homosexuelle, Juden und andere Gruppen.2
Eben diese Gleichmachung (Islam = politischer Islam) ist einer der
vielen Beweise für die Resistenz gegenüber Aufklärung der Rassisten,
schlicht, Fluchtursachen oder Menschenrechte sind ihnen egal. Es geht
beim Rassismus immer darum, das bürgerliche Subjekt vor der Einsicht der
Überflüssigkeit im kapitalistischen Verwertungsprozess zu retten. Die
Abspaltung zu dem was nicht in ihre Zigarettenschachtelwelt passt ist
die Vertuschung davor, dass der Mensch im Kapitalismus eben nicht des
Selbstzweckes existiert, sondern ein austauschbares Mittel einer
Produktionsordnung ist.
Die Braunen von Gotha
Während sich in Ohrdruf Neonazis und Rassisten auf Grund der
Unterbringung von Geflüchteten erst virtuell zusammenrotteten, dann im
Laufe der letzten Monate mit mäßigem Erfolg mehrere Kundgebungen und
Demonstrationen durchführten, ist der vorläufige Höhepunkt die Gründung
einer Bürgerwehr. Bisher sind uns allerdings noch keine Aktivitäten
dieser Bürgerwehr bekannt geworden. In Ohrdruf selbst bemüht sich die
lokale rechte Szene, die Hegemonie der frühen 2000er-Jahre
zurückzuerlangen. Rechte Graffitis im gesamten Stadtgebiet,
Einschüchterungsversuche gegen die (wenigen) Engagierten vor Ort, und
die „Überwachung“ der Geflüchteten, die sich aus den Unterkünften heraus
trauen. Dazu die übliche virtuelle Hetze in mehreren Facebook-Gruppen.
Im „Gelben Haus“ von Ballstädt haben Teile der „Hausgemeinschaft Jonastal“ ihr temporäres Exil gefunden. Nachdem die Nazis ihre Immobilie in Crawinkel aufgeben mussten, bezogen einige von ihnen die Ersatzimmobilie in Ballstädt. Mit Thomas Wagner (Bandleader von SKD) verfügen die Ballstädter Neonazis über hervorragende Verbindungen in die bundes- und europaweite militante Neonazi-Szene. Sowohl über die alten B&H-Kontakte, als auch über kriminelle Netzwerke, wie die Vorgänge rund um das Österreichische „Objekt 21“ zeigen. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus Kameradschaft und Mafia (Prostitution, Menschenhandel, Waffen, …). Nach einigen Anlaufschwierigkeiten zerschlug die österreichische Polizei dieses Netzwerk. Mit auf der Anklagebank saßen Steffen Mäder („Gelbes Haus“ Ballstädt) und Andreas Potyra, der sich in den 2000er-Jahren in der ohrdrufer Nazi-Szene bewegte. Während Mäder in Österreich seine 3-jährige Haftstrafe absitzt, sind die Ballstädter Kameraden nicht untätig geblieben. Im Februar 2014 gab es einen gut organisierten Überfall auf eine Kirmesfeier in Ballstädt, mehrere teilweise schwer verletzte Jugendliche und ein zertrümmerter Bürgersaal, waren das unmittelbare Resultat dieser Kommando-Aktion. Der Angstraum der dadurch erzeugt wurde, hat seither jeden effektiven Widerstand der Ballstädter erstickt.
Momentan wartet die „Ballstädter Szene“ augenscheinlich auf ihr
Verfahren. Einzelne Bewohner des „Gelben Hauses“ fahren weiterhin auf
rechte Demos, bzw. sind damit beschäftigt Konzerte und Veranstaltungen
zu organisieren. Die NBZ-Ballstädt dient als Rückzugsraum der Szene,
hier können sich Neonazis ohne Störungen durch Polizei,
Zivilgesellschaft oder Antifa treffen und vernetzen.
Die Kameradschaft “Bündnis Zukunft Landkreis Gotha”, hauptsächlich in Gotha und Ohrdruf aktiv, ist die aktuell öffentlichkeitswirksamste Neonazi-Struktur in der Region. Der Zusammenschluss rund um Marco Zint und Anne-Kathrin Schmidt, bedient die klassischen NS-affinen Vorlieben von Rechtsaußen. Am 8. Mai treiben sie sich auf Friedhöfen herum, am Todestag von Rudolf Hess werden beschmierte Bettlaken im Stadtgebiet aufgehangen und jährlich zum Volkstrauertag trommelt man thüringenweit die NS-Fans zusammen, pilgert ins nahegelegene Friedrichoda, und versucht sich in irgendwelchen okult-anmutenden Gespensterbeschwörungen.
Trotz der gewissen Komik, die diese Leute mit ihren einheitlichen Pullis
versprühen, darf die Gefahr, die von ihnen ausgeht nicht unterschätzt
werden. Kameradschaftsführer Marco “Die Krücke” Zint, ist selbst wohl
kaum noch eine Gefahr für seine Umgebung. Durch einen Autounfall ist
Marco selbst zum “Volksschädling” geworden, das alte
Straßenkämpfer-Image ist dahin. Dauerhaft arbeitsunfähig und nicht mehr
in der Lage einen Zweikampf zu bestreiten (oder auch nur schnell genug
davon zu humpeln), ist der letzte Lichtblick in seinem Leben, dass er es
noch schafft gewisse Teile der lokalen Nazi-Szene um sich zu scharen.
Ein weiterer Akteur der Gothaer Szene ist die umtriebige Anne-Kathrin Schmidt, äußerst reisefreudig, und durchaus gewaltaffin. Sie ist auf zahlreichen regionalen und überregionalen Aufmärschen der rechten Szene anzutreffen, übernimmt Ordnerfunktion oder meldet Aufmärsche mit an. Sie bewegt sich zwischen NPD, JN und Kameradschaftsszene. Falls ihr das Pech habt Anne-Kathrin über den Weg zu laufen, werdet ihr selbst feststellen können, dass eine ihrer Passionen das Aufstacheln und Antreiben “ihrer” Nazimeute ist. Alleine, oder in kleineren Gruppen, erscheint sie eher wie das verängstigte Mauerblümchen.
Der allgemeine Anstieg rechter Gewalttaten geht auch an Gotha und dem
Landkreis nicht vorbei. Rassistische Übergriffe, Drohungen und Angriffe
auf alternative Jugendliche und Antifas nehmen zu. Ob der Anschlag von
Friemar (Brandstiftung einer bewohnten Unterkunft) aus dem organisierten
Neonazi-Spektrum kam, oder ob hier ein bürgerlicher “Extremist” der
Mitte, beinahe zum Mehrfachmörder wurde, wissen wir noch nicht.
Die antideutsche Politik vorantreiben!
Im Aufruf zum Naziaufmarsch am 28. November, treiben die Rassisten ihre Farce auf eine neue Ebene. Tatsächlich werden die Geflüchteten nicht als Hauptfeind, sondern vielmehr als „Symptom“ gesehen. Der Text des Aufrufes, welcher definitiv nicht aus der Feder eines Mitgliedes des BZLG kommt, versucht nun in AfD-Manier die deutsche Regierung zu diffamieren. Scheinbar beflügelt durch den Anstieg der Besucherzahlen der AfD-Aufmärsche im nah gelegenen Erfurt, wird sich nun bewusst, und noch populistischer, an die vermeintliche „bürgerliche“ Mitte gewandt. Wird der Blick jedoch hinter die Fassade geworfen, bzw. einfach mal geschaut, wer hier die Veranstalter der Demonstration sind, dann wird eines schnell klar: es handelt sich um waschechte Neonazis, rund um das „Bündnis Zukunft Landkreis Gotha“, den Schlägern vom „dritten Weg“ und den verblödeten Spinnern von „der Rechten“. Des Weiteren gibt es für uns keine Differenzierung zwischen Nazis, rechten Populisten oder Wut- und besorgten Bürgern. Wer sich dem geistigen Müll solcher Menschen anschließt, der ist selbst keinen Deut besser und darf auch nicht besser behandelt werden, nur weil er nicht im Pelz eines schlagenden Neonazis daherkommt.
Am 28. November wird es, wie bereits im April, mehrere Kundgebungen gegen den rassistischen Müll geben. Die Nazis mobilisieren wieder zum „Coburger Platz“ und es ist zu erwarten, dass die Route ähnlich sein wird wie im Frühjahr. Auch wird es wieder mit dem Zug anreisende Rassisten geben, welche auch irgendwie zum Auftaktort kommen müssen und welchen der Weg durch die Stadt durchaus versüßt werden kann. Die genauen Treffpunkte und Orte der Gegenkundgebungen werden wir hier auf unserer Homepage noch veröffentlichen.
Selbstverständlich bleiben auch in diesem Jahr die Drohungen gegen
Antifaschist_innen im Vorfeld nicht aus. So wurde, wieder einmal,
angekündigt dass am 28. November „Zecken“ angegriffen werden. Solche
Drohungen sind uns nicht neu, jedoch ebenso lächerlich.
Einschüchterungsversuche sind bei uns zum Einen zwecklos und zum Anderen passen sie so gar nicht in das Image welches sich die Organisatoren wünschen und was sie abgeben wollen: friedliche Bürger. Auch wenn wir nicht unbedingt auf die Hooligan- Mentalität der Nazis stehen, fordern wir zu kreativen und allumfassenden Widerstand gegen die Rassisten auf. Und um das noch einmal zu betonen: eine Unterscheidung zwischen militanten Nazi und „besorgten Bürger“ macht keinen Sinn und sollte auch nicht vermittelt werden.
Den rassistischen Mob aus der Stadt jagen!
1 Wir lehnen die Extremismusdoktrin auch bei Neonazis ab. Sie
besagt, dass es rechts und links der angeblichen “guten” Mitte der
Meinungsbildung nichts geben darf. Wir kämpfen für eine aufgeklärte
Gesellschaft. Dazu gehört es, sich den bornierten Anforderungen der
bürgerlichen Öffentlichkeit entgegenzustellen. Die Extremismusdoktrin
taugt vielleicht als Kampfideologie der bürgerlichen Rechten gegen
Verfechter einer solidarischen und freien Gesellschaft. Sie hält aber
keiner kritischen Auseinandersetzung stand und dient der Relativierung
faschistischer Gewalt, die mit linker Praxis gleichgestellt wird, sowie
der Dämonisierung kommunistischer Bestrebungen, also Gruppen und
Personen, die diese Welt grundlegend verändern wollen.
2 aus einem Redebeitrag der “Antifaschistischen Gruppen Süd-Thüringen”
weitere Infos unter: http://welcometogotha.blogsport.de