Parlamentarier ermitteln wieder in Sachen NSU

Erstveröffentlicht: 
11.11.2015
Bundestag bestellt heute neuen Untersuchungsausschuss – am Tag, an dem Zschäpe gern ausgesagt hätte Von MArina Kormbaki

 

Berlin. Ein Gespür für den richtigen Augenblick ist den Innenpolitikern der Bundestagsfraktionen nicht abzusprechen. Heute wird der Bundestag einen neuen, zweiten Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ einsetzen. Er soll beleuchten, warum die Mordserie so lange unentdeckt blieb. Das Gremium startet just an dem Tag, an dem die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe eigentlich eine persönliche Erklärung vor dem Oberlandesgericht München abgeben wollte. Dazu wird es nicht kommen; der Prozess ist bis Dienstag unterbrochen. Womöglich wird Zschäpe dann aussagen.

 

„Wenn wir nicht längst schon die Idee für einen solchen Untersuchungsausschuss gehabt hätten, wäre sie uns spätestens jetzt gekommen“, sagt Armin Schuster, der als Obmann der CDU-Bundestagsfraktion in dem Gremium sitzen wird. „Beate Zschäpe wird möglicherweise Details vortragen, die für den Gerichtsprozess vielleicht nicht relevant sind, es aber dennoch wert sein könnten, untersucht zu werden – auch dafür ist ein solcher Ausschuss nötig.“ Der erste NSU-Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz des früheren SPD-Politikers Sebastian Edathy musste seine Arbeit mit Ende der vergangenen Legislaturperiode abschließen. Viele Fragen blieben jedoch offen. Armin Schuster, ehemaliger Polizist, sagt: „Mir gefällt nicht, dass wir bei spektakulären Mordfällen Unwissen und Ungereimtheiten irgendwann akzeptieren. Wer weiß schon, ob der NSU nicht doch aus mehr als drei Leuten bestand – bisher lässt sich diese These nicht falsifizieren.“

 

Petra Pau, die als Obfrau der Linken vertreten sein wird, sieht in dem Gremium auch eine vorsorgende Einrichtung: „Solange das Versagen von Sicherheits- und Ermittlungsbehörden nicht vollständig aufgearbeitet ist, kann so etwas immer wieder geschehen.“ So sei beispielsweise die internationale Verflechtung des NSU-Netzwerks nicht ausreichend beleuchtet worden. SPD-Politiker Uli Grötsch begründet die Notwendigkeit zur Einrichtung des Untersuchungsausschusses mit einer Fülle an neuen Erkenntnissen. „Sie betreffen Verflechtungen zwischen der Neonazi-Szene und der organisierten Kriminalität sowie die Rolle der V-Leute und der V-Mann-Führer in den Behörden“, sagt Grötsch. „Was Zschäpe sagen oder erklären lassen wird, wird in unsere Untersuchungen mit einfließen“, sagt die Linken-Politikerin Pau.

 

Wann Zschäpe aussagt, ist unklar. Der Prozess verzögert sich, weil ihre drei Altverteidiger gestern um Entlassung baten; sie waren in die Pläne ihrer Mandantin nicht eingeweiht. Auch ein Befangenheitsantrag der Anwälte eines Mitangeklagten verzögert den Prozess.