Am Wochenende trifft sich die sächsische CDU zu ihrem Landesparteitag. Die Debatte um den Kurs der Partei in der Flüchtlingspolitik wird dort im Zentrum stehen. Bei der Regionalkonferenz vor wenigen Wochen rebellierten einige Mitglieder offen gegen die Politik der Kanzlerin. Und nicht wenige wenden sich von der Partei ab. Wie steht es um die CDU in Sachsen und Mitteldeutschland? Und wie will sie mit den Herausforderungen umgehen?
Kretschmer: CDU trägt gesamte Last der Flüchtlingspolitik
Die CDU in Sachsen hat im Oktober so viele Mitglieder verloren wie in keinem anderen der vergangenen zwölf Monate. Knapp 100 Menschen kehrten der Partei den Rücken, 40 davon gaben politische Gründe dafür an. Ein Erdrutsch ist das bei 11.446 Mitgliedern nicht, aber trotzdem wahrnehmbar. Der Generalsekretär der sächsischen Union, Michael Kretschmer mit einem Erklärungsversuch: "Die CDU trägt die gesamte Last des Themas Asyl und Flüchtlinge auf ihren Schultern. Das, finde ich, geht auch so nicht weiter. Denn die Wahrheit ist ja, dass durch die SPD und die Grünen im Bundestag, aber vor allem im Bundesrat, schnelles Handeln unmöglich gemacht wird."
So habe die CDU schon Anfang des Jahres versucht, alle Balkanländer zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Weil SPD und Grüne das bis vor wenigen Wochen verhinderten, hätten sie dazu beigetragen, dass in diesem Jahr rund 100.000 Balkan-Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, meint Kretschmer. Doch die SPD in Sachsen kann offenbar von der aktuellen Politik profitieren. Gegen den bisherigen Trend hat sie im Oktober bei den Mitgliedern zugelegt. Und auch bei den sächsischen Grünen wächst die Zahl der Mitglieder.
Offene Rebellion gegen Merkel
Der Standpunkt der CDU sei in den vergangenen Monaten nicht immer deutlich zu sehen gewesen, sagt Michael Kretschmer. Und so richtete sich der Unmut der CDU-Basis weniger gegen Grüne und SPD, sondern gegen die Öffnungspolitik der Kanzlerin, zum Beispiel auf der CDU-Regionalkonferenz in Schkeuditz vor wenigen Wochen. Dort hört man von der Basis Sätze wie: "Ich erwarte, dass sie mal einen Stopp einlegt. Es kann nicht sein, dass wir alle Unglücklichen und Verarmten dieser Welt in Deutschland aufnehmen." Oder: "Ich persönlich erwarte eine klare Position der Bundeskanzlerin wie es weitergehen soll. Sie hat keinen Plan, habe ich den Eindruck." Oder: "Frau Merkel betrachtet, glaube ich, die CDU ein bisschen als ihr Eigentum. Aus meiner Sicht hat sie vergessen, warum sie Bundeskanzlerin ist. Das ist sie nämlich deshalb, weil die CDU sie dazu gemacht hat."
Weitet man den Blick auf Mitteldeutschland zeigt sich, dass besonders
die CDU-Mitglieder in Sachsen ihrer Partei die aktuelle Politik der
Bundesregierung verübeln. In Thüringen haben im September und Oktober
insgesamt 25 Mitglieder die CDU aus politischen Gründen verlassen, in
Sachsen-Anhalt waren es von Januar und bis Ende September nur 26. Dabei
habe sich die sächsische Union der verklärten Diskussion um
Willkommenskultur immer entgegengestellt, meint Kretschmer. Den
Unzufriedenen in den eigenen Reihen sage er: "Wenn man austritt,
kann man innerhalb der CDU nichts mehr bewegen. Ich habe in den Ort-
und Kreisverbänden und bei meinen Mitgliedern in Görlitz erlebt, dass
genau die Position – wir wollen gemeinsam etwas verbessern und erreichen
- am Ende auch auf Zustimmung trifft."
Der aktuelle Kurs der CDU in der Flüchtlingsfrage wird aber nicht nur abgelehnt. Im September, also in dem Monat, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Einreisehürden für Bürgerkriegsflüchtlinge senkte, konnte die CDU in Sachsen 40 neue Mitglieder begrüßen. So viele wollten in keinem anderen Monat in diesem Jahr in die Union eintreten.