"Herz statt Hetze" Widerstand Tausender gegen Pegida in Dresden

Erstveröffentlicht: 
10.11.2015

Pegida hat in Dresden zur Demonstration aufgerufen. Doch an diesem Montag fiel die wöchentliche Veranstaltung auf den Jahrestag der Pogromnacht. Noch im Vorfeld versuchten Gegner des Bündnisses, die Kundgebung zu verhindern oder zumindest seine Verlegung vom geschichtsträchtigen Theaterplatz zu erwirken. Die Stadt nahm die Kritik ernst, ändern konnte sie allerdings nichts.

 

In Dresden haben am Montagabend mehrere Tausend Menschen gegen die islam- und fremdenfeindliche Pegida-Bewegung demonstriert. Nach Schätzungen der Forschungsgruppe "Durchgezählt" folgten dem Aufruf des Bündnisses "Herz statt Hetze" zwischen 4.000 und 6.000 Menschen. Unter dem Motto "Wehret den Anfängen" mahnten die Pegida-Gegner mit ihrem Zug vorbei an der Frauenkirche und der Synagoge vor Hass und Gewalt gegen Menschen wegen deren Herkunft, Religion oder Weltanschauung.

 

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden, Nora Goldenbogen, sagte auf einer Kundgebung vor der Synagoge: "Wir müssen etwas tun, damit sich in Dresden etwas verändert." Goldenbogen verwies auf den Sprachgebrauch im Umfeld der Pegida-Demonstrationen, der an die NS-Zeit erinnere. Wörter wie "Volksverräter", "volksfremd" und "Rasse" seien heute wieder zu hören. An der Gegendemosntration beteiligte sich auch Sachsens stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD), Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) und Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) sowie Politiker von Linken und Grünen.

 

Kritik an Zeitpunkt und Ort der Pegida-Versammlung


Bereits im Vorfeld hatte die Demonstration von Pegida am geschichtsträchtigen 9. November - dem Jahrestag der Reichspogromnacht - für heftigen Widerstand gesorgt. Mehr als 98.000 unterzeichneten etwa eine Online-Petition gegen die Kundgebung von Pegida auf dem Theaterplatz vor der Semperoper, der in der Zeit des Nationalsozialismus als Adolf-Hitler-Platz Aufmärschen diente. Vereine und Verbände forderten von der Stadt ein Einlenken in Bezug auf den Versammlungsort. Die Stadt hingegen sah keine rechtliche Möglichkeit einer Verlegung.

 

Bachmann: "Wir sind die Guten"


Pegida-Chef Lutz Bachmann verteidigte die montägliche Kundgebung auf dem Theaterplatz, die dort seit mehreren Wochen stattfindet. Der 9. November 1938 dürfe nie vergessen werden, aber es sei nicht nur dieser eine Tag, der die deutsche Geschichte geprägt habe, und es seien auch die zwölf Jahre Herrschaft eines "irren Diktators". Bachmann echauffierte sich in diesem Atemzug über "selbsternannten Gutmenschen und Moralapostel", die sich erdreisten würden, die Geschichte darauf zu reduzieren. Für den anschließenden "Spaziergang" rief Bachmann zu ruhigem und besonnenen Verhalten auf. "Wir lassen uns nicht provozieren. Wir sind die Guten."

 

Festerling wettert gegen "Schuldkult"


Tatjana Festerling schlug in ihrer anschließenden Rede vor, an diesem 9. November 2015, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, "den deutschen Schuldkomplex der deutschen Naziherrschaft" offiziell für beendet zu erklären. "Lasst uns mit Eurem Schuldkult, für den keiner von uns hier die Verantwortung trägt, in Ruhe", rief sie den Pegida-Kritikern entgegen - einen Satz, den Pegida-Anhänger mit "Lügenpresse"-Rufen quittierten. Lutz Bachmann dankte Tajana Festerling im Anschluss für "eine der besten Reden, die ich hier gehört habe". Ein Zuhörer stimmte daraufhin vor der Bühne die erste Strophe des Deutschlandliedes "Deutschland, Deutschland über alles" an, verstummte dann aber wieder. Die Pegida-Versammlung endete später mit dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne - der dritten Strophe des Deutschlandliedes. "Durchgezählt" zufolge beteiligten sich an der Pegida-Demonstration zwischen 7.000 und 8.500 Menschen.

 

"Herz statt Hetze" kritisiert Polizeieinsatz


Nach Angaben der Polizei kam es zwischen Pegida-Anhängern und Gegnern zu verbalen Auseinandersetzungen und in einem Fall zu Gerangel. Die Beamten konnten die Situation beruhigen. Bei einem 37-Jährigen stellte die Polizei eine Fahne sicher. Gegen den Mann wird wegen des Verdachts des Verwendens verfassungswidriger Symbole ermittelt. Insgesamt waren 620 Polizisten im Einsatz.

 

Nach Einschätzung der Initiative "Herz statt Hetze" lief der Polizeieinsatz jedoch nicht so glatt ab, wie von der Polizei geschildert. Bei dem von der Polizei beschriebenen Gerangel hätten Pegida-Anhänger versucht, eine "Herz statt Hetze"-Kundgebung an der Synagoge zu stören. "Die Polizei wollte nicht schützen", hieß es in einer Erklärung des Bündnisses. Die Demonstranten hätten sich darufhin gegen die Eindringlinge gewehrt. Das Bündnis bezeichnete die "verharmlosende" Darstellung durch die Polizei als "skandalös" und forderte von der Polizei und dem sächsischen Innenminister eine Entschuldigung.

 

Hassreden gegen den Islam in Leipzig


Anders als in Dresden hatte die Stadt Leipzig statt eines Demonstrationszuges nur eine stationäre Kundgebung genehmigt. Michael Stürzenberger, Bundesvorsitzender der Partei "Die Freiheit", schimpfte in seiner Rede über Moslems. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis diese die Schließung des Weihnachtsmarktes am Brühl forderten. Ein türkischer Redner namens Fikri feuerte eine regelrechte Hasstirade auf den Islam ab. "Es ist der Islam, der uns ausrotten, abschlachten und vernichten möchte. Der Islam macht nichts Anderes außer schlachten, ermorden, vertreiben und erobern", sagte er und kündigte an: "Wir werden den Islam zurückdrängen, und wenn es unser Tod sein soll."

 

Deutlich mehr Legida-Gegner als Anhänger


Zwischen 400 und 550 Legida-Anhänger versammelten sich laut "Durchgezählt" vor den Höfen am Brühl. Ihnen standen auf dem Ring zwischen 1.700 und 2.500 Gegendemonstranten gegenüber, die lautstark versuchten, die Veranstaltung zu stören - nach Angaben der Polizei auch mit Sitzblockaden und einer Menschenkette. Unbekannte hätten die Beamten mit Steinen beworfen und dabei drei Einsatzfahrzeuge beschädigt. Verletzt wurde dabei niemand. Die Polizei stellte einen 30-jährigen mutmaßlichen Legida-Gegner, der zusammen mit einem Unbekannten ein Auto nahe der Legida-Kundgebung beschädigt haben soll. Ein 31-Jähriger, den die Polizei ebenfalls dem Kreis der Legida-Gegner zuordnet, wurde festgenommen, nachdem er Absperrgitter umgeworfen und damit die Arbeit der Polizei behindert hatte. Ein 30-jähriger polizeibekannter rechtsmotivierter Strafträter schlug einem Beamten ins Gesicht. Nach Angaben der Polizei stand er unter Alkoholeinfluss.

 

Beobachter sprachen von einer angespannten Lage während der Demonstrationen. Einigen Teilnehmern zufolge soll die Polizei Pfefferspray eingesetzt haben. Das bestätigte die Polizei nicht. Die Legida-Veranstalter kündigten wegen des aus ihrer Sicht zu kleinen Sicherheitsabstandes an, gegen die Stadt zu klagen.