Berlin. Die Bundeswehr wird stärker als bisher die Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland unterstützen. Entsprechende Pläne wird Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am heutigen Mittwoch im Kabinett vorstellen. Ziel ist es, lokale Kräfte und ehrenamtliche Helfer zu entlasten.
Nach Angaben aus dem Ministerium sind inzwischen bundesweit mehr als 6000 Angehörige der Bundeswehr zum Teil im Schichtbetrieb dauerhaft in der Flüchtlingshilfe eingebunden. In sämtlichen Auslandseinsätzen der Bundeswehr befinden sich aktuell 2900 Soldatinnen und Soldaten.
Ministerin von der Leyen sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), es sei großartig, was insbesondere ehrenamtliche Kräfte für Flüchtlinge leisten. Die Helfer brauchten aber auch ihrerseits Hilfe. „Diese positive Energie und der feste Wille, den vor Krieg und Terror Geflohenen, aber auch der Welt die menschliche Seite unseres starken Landes zu zeigen, dürfen nicht erlahmen.“ Daher richtet sich die Bundeswehr darauf ein, dauerhaft mit ihrem Personal und ihrer großen Erfahrung in Führung und Organisation mit anzupacken.
„Die Flüchtlingshilfe wird zu einer wichtigen zusätzlichen Aufgabe für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“, sagte von der Leyen.
Das Verteidigungsministerium plant Hilfeleistungen unter anderem in folgenden Bereichen:
- Unterstützung bei Betrieb von Unterkünften, Wartezentren und Drehkreuzen.
- Hilfe bei der Versorgung und Registrierung von Flüchtlingen.
- Verteilung von Gütern, Transporte aller Art.
- Ausweitung der Aktion „Helfende Hände“, bei der rund um die Uhr Bundeswehrangehörige auf Abruf bereitstehen, um bei zeitlich begrenzten Projekten mit anzupacken.
Ab Mitte November wird das Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz Lehrgänge für Führungspersonal der Streitkräfte anbieten. Der neue Lehrplan beinhaltet rechtliche Grundlagen der Flüchtlingshilfe, Vermittlung interkultureller Kompetenzen sowie die Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen, wie THW und dem Rotem Kreuz.
Parallel dazu arbeitet die Bundeswehr mit UN-Experten an neuen und besseren Unterbringungsmöglichkeiten. Dabei geht es unter anderem um Modulbauhäuser, die in Hangars, Sport- und Industriehallen als sogenannte „Haus-in-Haus-Lösung“ aufgestellt werden können. Flüchtlingen, besonders Familien, Frauen und Kindern, sollen diese Modulbauhäuser ein höheres Maß an Privatsphäre bieten, als das bisher in vielen größeren Hallenunterkünften der Fall ist.
Kommunen, Länder und private Helfer fordern seit Langem mehr direktes Engagement des Bundes. In Expertenkreisen hieß es am Dienstag, während die Politik über „Transitzonen“ oder „Einreisezentren“ streite, fehle es so oder so an dem zum Betrieb nötigen Material.
Private Anbieter von Wohncontainern kommen mit Herstellung und Lieferung nicht nach. Die Wartezeit für Sanitär- und Wohncontainer beträgt mehr als ein halbes Jahr. Die Branche plädiert daher gegenüber dem Bundesbauministerium für mehr Flexibilität. „Denkbar wäre der Einsatz von technisch überholten Containern aus dem Ausland – aber dafür müssten hierzulande einige weitere Bestimmungen geändert werden“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbands Bausysteme, Günter Jösch. Die jüngst mit dem Asylverfahrensgesetz in Kraft getretenen Lockerungen gingen nicht weit genug. Vorschriften zu Brandschutz und Dämmung verhinderten bisher den Einsatz älterer Modelle.
Für mehr Kreativität tritt der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein. „Flüchtlingsunterkünfte in Turnhallen und Zelten können keine Lösung sein“, sagte dessen Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Daher brauchen wir dringend ein kurzfristiges Bauprogramm für Flüchtlinge, etwa für schnell durch das lokale Handwerk zu errichtende Häuser in Holzbauweise.
In der EU sind erst 86 Flüchtlinge verteilt worden
In der schleppend angelaufenen Verteilung von Flüchtlingen will die Europäische Union an Tempo zulegen. Am Mittwoch wird erstmals aus Griechenland eine Gruppe verteilt. 30 Migranten würden nach Luxemburg geflogen, teilte die EU-Kommission mit. „Es ist jetzt Zeit, einen Gang hochzuschalten“, erklärte der für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos mit Blick auf zögernde Staaten.
Auf der Balkanroute sind weiter Tausende Flüchtlinge in Richtung Österreich und Deutschland unterwegs. Von Montagabend bis Dienstagfrüh kamen nach Polizeiangaben mehr als 4300 Menschen mit Zügen aus Kroatien nach Slowenien. Seit vor zweieinhalb Wochen die ersten Flüchtlinge das Land erreichten, seien 135 000 Menschen gezählt worden.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk mahnten zu schnellerem Handeln. In vielen Bereichen „bleiben wir immer noch hinter dem zurück, was wir im September vereinbart und im Oktober bestätigt haben“, schreiben die Politiker in einem gemeinsamen Brief an die Staats- und Regierungschefs. „Wir müssen schnell handeln, um dem abzuhelfen.“
Die EU-Staaten hatten im September gegen den Widerstand von vier Staaten aus Mitteleuropa die Verteilung beschlossen. Dies soll Italien und Griechenland entlasten. Insgesamt sind laut EU-Kommission bisher aber nur 86 Flüchtlinge auf andere Staaten verteilt worden. Die Slowakei schafft eine 300 Mann starke Polizeieinheit für Sondereinsätze zur Grenzsicherung im Ausland.
Das griechische Militär hat am Dienstag die Verpflegung von Migranten auf der Insel Samos übernommen. Die Lage auf den Inseln der Ostägäis ist dramatisch. Allein im Oktober sind mehr als 218 000 Schutzsuchende angekommen. Das ist mehr als im ganzen Jahr 2014.
Nach dem Tod Dutzender Flüchtlinge im Meer vor der griechischen Insel sollen die Leichen Ertrunkener nun in Kühlcontainern aufbewahrt werden – in den Leichenhallen ist kein Platz mehr.
Berlin. Der massive Einigungsdruck auf die schwarz-rote Regierung in der Asylpolitik zeigt Wirkung: Nach hitzigem Streit über das Für und Wider von Transitzonen oder Einreisezentren haben die Spitzen von Union und SPD ihren Willen betont, bis zum Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag Kompromisse zu finden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Dienstag vor einer Unions-Fraktionssitzung in Berlin von einer „nationalen großen Aufgabe“, die man gemeinsam bewerkstelligen wolle. „Die Union ist dazu auch bereit.“
CSU-Chef Horst Seehofer sagte, die Koalition solle den Anspruch haben, „dass wir uns einigen sollen, vielleicht sogar einigen müssen. Damit die Bevölkerung sieht, dass die Partner der Koalition in der Lage sind, in einer historischen Aufgabe zu handeln.“ Details zu Kompromisslinien zwischen CDU, CSU und SPD gab es am Dienstag allerdings noch nicht. Nach dem Willen der Union sollen in Transitzonen im Schnellverfahren die Anträge Schutzsuchender abgewickelt werden, die voraussichtlich keinen Anspruch auf Asyl haben, weil sie zum Beispiel aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten kommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte vor einer Überbewertung des Koalitionsstreits über Transitzonen: „Manchmal ist nicht alles so dramatisch, wie es sich liest.“