Drohungen gegen Burkhard Jung:OBM fordert schnellere Justizverfahren

Erstveröffentlicht: 
22.10.2015
Seit Januar häufen sich verbale Angriffe gegen den Stadtchef – doch es gibt erst eine rechtskräftige Geldstrafe
VON MATTHIAS PUPPE

 

 

Leipzig. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) hat in einem TV-Interview am Dienstagabend mehr Personal für die sächsische Justiz gefordert. Wie Jung in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ erklärte, habe es bereits nach dem ersten Legida-Aufmarsch im Januar 2015 Gewaltdrohungen per E-Mail, Facebook- und Twitternachrichten gegen ihn gegeben. Trotz der längst ermittelten Identität der Urheber sei bisher aber kein Strafverfahren gegen diese abgeschlossen worden.

 

„Da steht: Du blöde Drecksau verrecke. Da steht: Wir hängen Dich auf. In einer Art und Weise, das kann man sich kaum vorstellen“, sagte Jung auf Nachfrage von ZDF-Moderator Markus Lanz. Die Drohungen seien nicht anonym gewesen, sondern mit Name und leicht zu ermittelnder Adresse. „Ich erstattete natürlich Strafanzeige, die Menschen werden identifiziert. Und es passiert erst Mal lange, lange nichts. Seit Monaten warten wir auf ein Ergebnis dieser Ermittlungen“, so Leipzigs OBM weiter.

 

Jung forderte deshalb, dass die Verfahren beschleunigt werden, dass für staatsanwaltliche Ermittlungen mehr Personal zur Verfügung gestellt wird, so dass Strafbefehle schneller ausgestellt werden können. „Man kann doch nicht eine öffentliche Person als Drecksau bezeichnen und danach behaupten: Ich habe mich vertan, das ist mir in einer Bierlaune passiert.“

 

Im sächsischen Justizministerium weiß man um die Vielzahl von Verfahren, die die Behörden im Freistaat zu bewältigen haben. „Die Staatsanwaltschaften arbeiten an der Belastungsgrenze, aber sie schaffen das noch“, sagte Sprecher Jörg Herold. „Sollte die Zahl der Ermittlungen tatsächlich noch zunehmen, müsste man auf politischer Ebene etwas tun. Momentan gibt es aber keine Anhaltspunkte. Wir behalten das im Auge.“

 

Laut Leipziger Staatsanwaltschaft gab es in diesem Jahr vier Anzeigen aufgrund von Drohungen gegen Oberbürgermeister Burkhard Jung. Die Ermittlungen in drei Fällen vom 8. Februar, 22. April und 8. Mai seien abgeschlossen, sagte Sprecher Ricardo Schulz gestern. Die Verurteilungen der Täter zu Geldstrafen wurden in den vergangenen Wochen am Amtsgericht beantragt, noch seien diese aber nicht rechtskräftig erfolgt. Ein vierter Fall vom 30. Januar wurde nach Dresden abgegeben, weil der Täter nahe der Landeshauptstadt wohnt, so Schulz. Wie der Dresdner Behördensprecher Lorenz Haase erklärte, wurde gegen den Urheber des Facebookpostings „Aufhängen, diesen Drecks-Jung“ im Mai ein Strafbefehl wegen Beleidigung erlassen. Der Mann musste 500 Euro zahlen.

 

Wie berichtet, wird OBM Jung bei bestimmten Anlässen inzwischen von Personenschützern begleitet. Seit Beginn von Pegida und den Protesten gegen den Moschee-Neubau in Leipzig spüre er eine hemmungslos rassistische Haltung in einigen Teilen der Bevölkerung, sagte Jung bei Markus Lanz. „Da habe ich das erste Mal gestutzt: Was ist hier los? Bis dahin habe ich nie erlebt, angefeindet oder auf der Straße bepöbelt zu werden. Das gab es nicht“, so Jung.

 

In der Messestadt würden die Legida-Proteste von einem harten rechten Kern getragen, diesen müsse man klar benennen. „Ich habe viel Verständnis für Ängste und Sorgen, aber in dem Moment, in dem die Würde des Menschen so rassistisch in die Ecke getreten wird und wo Gewalt im Wort die Gewalt zur Brandstiftung nach sich zieht, da müssen wir Kante zeigen“, sagte Jung und erntete Applaus.

 

Die Aussage des deutsch-türkischen Autoren Akif Pirinçci bei Pegida am Montag hätte aus Sicht von Burkhard Jung zum sofortigen Abbruch der Veranstaltung führen müssen. „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“, hatte Pirinçci gesagt und sich damit gegen deutsche Politiker gerichtet. Die Dresdner Polizei sei aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage nicht eingeschritten, schätzte Jung ein. „Das ist ein Abwägungsprozess, der ist für unseren Staat nicht gut. Wir müssen klar und deutlich zeigen, wo die Würde des Menschen verletzt wird, wo der Respekt fehlt. Das ist Artikel 1 des Grundgesetzes“, sagte Jung in der Sendung.

 

Nach den erneuten Gewaltdrohungen gegen seine Person hatte Jung bereits am Dienstagmorgen im ARD-Morgenmagazin alle Bürger dazu aufgefordert, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einzutreten. Zudem kündigte er an, auch trotz der verbalen Angriffe durch Rechtsextremisten nicht von seiner Politik der Integration abweichen zu wollen.