Flüchtlinge in Brandenburg - Cottbuser Rathauschef warnt vor Welle der Gewalt

Erstveröffentlicht: 
27.10.2015

Die Polizei befürchtet eine Eskalation der Lage in Cottbus: Es kam zu zahlreichen Übergriffen und rassistischen Pöbeleien nach einer Anti-Asyl-Demo am Wochenende. Zwei Hooligans wurden nach einem Streit mit ausländischen Studenten durch Messerstiche verletzt. Das Bündnis "Cottbus nazifrei" spricht nun von einer Hetzjagd.

 

Cottbus - Angesichts einer Serie von fremdenfeindlichen Übergriffen und Pöbeleien sowie einer Auseinandersetzung zwischen Hooligans und ausländischen Studenten am Wochenende in Cottbus, bei der zwei Hooligans durch Messerstiche verletzt wurden, hat Cottbus’ Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) am Montag „vor einer Eskalation von Hass und Gewalt“ gewarnt. Kelch forderte die Polizei auf, den Fall, der sich nahe der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) ereignete, „unvoreingenommen und umfassend zu untersuchen“. Alle Cottbuser hätten das Recht, sich in der Stadt sicher zu fühlen, erklärte der Oberbürgermeister weiter. Das gelte auch für die Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt, die das Leben in der Stadt bereichern.

 

Hooligans sollen zuvor an Kundgebung gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik teilgenommen haben


Während die Polizei am Montag lediglich von einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen sprach, berichtete das Bündnis „Cottbus nazifrei“ von einer Hetzjagd der Hooligans auf mehrere Studenten, in dessen Folge zwei der Angreifer in Notwehr verletzt worden seien. Die beiden verletzten Hooligans hätten vermutlich zuvor an einer Kundgebung gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik vor der Flüchtlingsunterkunft im Cottbuser Stadtteil Sachsendorf teilgenommen, so das Bündnis.

 

Der Polizei zufolge handelt es sich bei den Verletzten um zwei 17 und 18 Jahre alte Cottbuser, die der Polizei als sogenannte Sportgewalttäter bekannt seien. Beide hätten Stichverletzungen am Oberschenkel erlitten. Ein 23-jähriger Deutscher mit russischem Hintergrund und ein gleichaltriger russischer Staatsbürger aus Tschetschenien seien als vermutliche Tatverdächtige festgestellt worden, hätten nach Aufnahme der Personalien aber wieder gehen können, so die Sprecherin der Polizeidirektion Süd, Ines Filohn. Das Geschehen sei allerdings noch unklar. Beteiligte und Zeugen hätten zum Tathergang sehr unterschiedliche Angaben gemacht und sich gegenseitig angezeigt, so die Sprecherin.

 

BTU-Präsident stellt sich hinter seine Studenten


Zu Wort gemeldet hatte sich am Montag auch BTU-Präsident Jörg Steinbach. Gegenüber der „Lausitzer Rundschau“ hatte er erklärt: „Es besteht die Gefahr, dass ein falscher Eindruck entsteht. Meine Studierenden waren Opfer, nicht Täter.“ Dem Uni-Präsidenten zufolge gibt es mehrere glaubwürdige Zeugen, die bestätigen würden, dass die Studenten von einer Gruppe von sieben schwarzgekleideten und zum Teil vermummten Personen zunächst verbal und dann auch körperlich angegriffen worden seien. Sie hätten sich schließlich in der Uni in Sicherheit bringen können, so Steinbach. „Wir können es nicht zulassen, dass die Stadt durch solche Vorfälle in Verruf gerät“, hatte Steinbach laut der Zeitung erklärt.

 

Dem Bündnis „Cottbus nazifrei“ zufolge sollen an der mutmaßlichen Hetzjagd sieben Hooligans beteiligt gewesen sein. Bereits zuvor war es nach übereinstimmenden Angaben des Bündnisses und der Polizei zu zahlreichen anderen Übergriffen in der Cottbuser Innenstadt gekommen. So berichtet das Bündnis unter anderem, dass gegen Mitternacht eine Gruppe von 20 Hooligans im Alter von 17 bis 20 Jahren, die zuvor ebenfalls an der Kundgebung in Sachsendorf teilgenommen haben sollen, in der Innenstadt ausländerfeindliche und rassistische Parolen skandiert habe. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen übernommen, hieß es in einer entsprechenden Mitteilung der Polizei. Südlich der Altstadt dagegen hatten nach Polizeiangaben mehrere Personen vor der Wohnung eines Asylbewerbers ausländerfeindliche Parolen skandiert und die Wohnung mit Steinen und Kastanien beworfen.

 

Polizei: Gemüter sind sehr aufgeheizt


Auch die Polizei hat offenbar zunehmend Sorge vor einer Eskalation der Lage. „Die Gemüter sind sehr aufgeheizt“, beschrieb Sprecherin Filohn am Montag die Lage in der Lausitzstadt. Dem Bündnis „Cottbus nazifrei“ warf sie vor, die Ereignisse über Gebühr ideologisch zu interpretieren. Dies sei aber gefährlich und könne die Stimmung weiter aufheizen. „Dann kann es wirklich eskalieren“, so Filohn.

 

An der Kundgebung vor der Flüchtlingsunterkunft in Sachsendorf hatten am Freitag nach PNN-Information knapp 500 Personen teilgenommen. Wie berichtet war es erst vor rund zwei Wochen vor der Unterkunft zu schweren Ausschreitungen gekommen. Derzeit sind in der als Notunterkunft umfunktionierten Turnhalle rund 120 Flüchtlinge untergebracht.