Rassistischer Aufmarsch - Liveticker 26.10.: Legida kehrt mit prominenter Unterstützung aus der Pause zurück

Erstveröffentlicht: 
26.10.2015

Theoretisch hatten die Menschen in Leipzig eine Woche lang Ruhe vor Legida. Praktisch jedoch gab es stattdessen die „Offensive für Deutschland“, die nach voller Aufmerksamkeit rief – und sie zumindest von der eigenen Klientel nicht bekam. Nun ist Legida zurück auf dem Refugees-Welcome-Platz. Und hat mal wieder Jürgen Elsässer mitgebracht, den Chefredakteur des Monatsmagazins „Compact“, das aktuell vor allem mit Stimmungsmache gegen Geflüchtete Ausgaben verkauft.

 

+++ Nachtrag zum gestrigen Abend – Die Einschätzung der Polizei (originaler Wortlaut) +++


„Versammlungsgeschehen um LEGIDA am 26. Oktober 2015: Nach einer zweiwöchigen Pause versammelten sich die Anhänger von „Legida“ erneut in Leipzig. Im Zuge dessen wurden insgesamt fünf Gegenveranstaltungen bei der Stadt Leipzig angemeldet.

 

Hierbei handelte es sich um die Kundgebungen „Leipzig nimmt Platz“ mit ihren Standorten am Richard-Wagner-Platz/Hainstraße/Brühl/Große Fleischergasse, am Nördlichen Thomaskirchhof/oberer Dittrichring, am Neuen Rathaus an der Grünfläche vor dem Goerdelerdenkmal und am Kleinen Willy-Brandt-Platz. Als fünfte Gruppe meldete die „Leipziger Friedenswache“ ihre wöchentliche Kundgebung auf der Wiese vor Hugendubel in der Innenstadt an.

 

Pünktlich um 19:00 Uhr begann die Versammlung „Legida“ am Richard-Wagner-Platz mit einer Auftaktkundgebung. Gegen 20:00 Uhr startete die Versammlung ihren geplanten Rundgang vom Richard-Wagner-Platz über den Innenring des Goerdelerrings, über den Dittrichring und Martin-Luther-Ring, vorbei am Standesamt bis zur Lotterstraße. Von da aus ging die Route denselben Weg zurück bis zum Richard-Wagner-Platz, wo gegen 20:50 Uhr eine Abschlusskundgebung stattfand.

 

Kurz nach 21:00 Uhr wurde die Versammlung Legida offiziell als beendet erklärt, woraufhin sich die Teilnehmer einzeln und kleineren Gruppen zerstreuten. Ab 21:30 Uhr konnte der Verkehr auf dem Ring wieder wie gewohnt fließen. Sowohl der Individualverkehr, als auch der Öffentliche Personennahverkehr wurden freigegeben.

 

Die Polizeidirektion Leipzig konnte am Ende der Versammlungslage folgende Störungen dokumentieren: Etwa zeitgleich mit Beginn der Auftaktkundgebung meldeten sich vier Personen, die den Versammlungsteilnehmern von Legida angehörten bei den Einsatzkräften der Polizei und baten um ärztliche Versorgung. Nach Aussage der vier wurden diese durch fünf unbekannte Vermummte angegriffen und zwei von ihnen verletzt. Ein Rettungswagen wurde gerufen, der die Verletzten vor Ort versorgte.

 

Während der Marschroute von Legida wurde ein Böller von Seiten „No Legida“ in Richtung „Legida“ geworfen. Verletzt wurde dabei niemand – der Werfer konnte unerkannt in der Menge untertauchen.

 

Neben dem Geschehen der Versammlung um Legida und der Gegendemonstrationen wurde im Bereich der Löhrstraße zwei Pkw angegriffen und diese beschädigt. Ob diese Angriffe im Zusammenhang zu den Versammlungen standen, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Nachdem die Versammlungslage als beendet erklärt worden war, gab es einen Flaschenwurf von Seiten „No Legida“ in Richtung von Polizeibeamten. Hierbei wurde jedoch niemand getroffen.

 

Neben den benannten Straftaten wurden zwei Beleidigungen (gegenüber Polizeibeamten und Legida-Teilnehmern), je ein Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz sowie das Betäubungsmittelgesetz und sechs Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (u. a. Vermummungsverbot) registriert.

 

In Folge eines Hinweises durch Zeugen konnte die Polizei gegen 21:45 Uhr drei Tatverdächtige stellen, die in der Lützner Straße insgesamt drei Busse beschädigt hatten. Ein Zusammenhang mit der Versammlungslage um Legida wird derzeit nicht angenommen. Die Polizeidirektion Leipzig sicherte den Einsatz am heutigen Abend mit der Unterstützung der Bereitschaftspolizei Sachsen und dem Polizeiverwaltungsamt ab.“

 

+++ 21:56 Uhr: Abschließendes Fazit +++


Am Willy-Brandt-Platz gab es soeben noch eine kleine Ansammlung von Legida-Gegnern. Diese hat sich auf Aufforderung der Polizei nun jedoch aufgelöst. Ein weiterer Montagabend in Leipzig neigt sich damit seinem Ende entgegen. Abgesehen von einigen Legida-Hools, die „Antifa Hurensöhne“ grölend durch den Hauptbahnhof ziehen, sind die meisten Beteiligten dieses Abends schon wieder auf dem Heimweg.

 

700 bis 850 Legida-Teilnehmern standen heute knapp 1.000 Gegendemonstranten gegenüber. Die Kräfteverhältnisse haben sich also wieder etwas verschoben. Inhaltlich gab es bei Legida heute nichts Neues zu hören – daran änderte auch die Rede von „Stargast“ Jürgen Elsässer nichts, der aber immerhin noch ein wenig sein überteuertes Monatsmagazin bei der Zielgruppe bewerben durfte.

 

Im Laufe des Abends trudelten diverse Meldungen über geworfene Böller, verletzte Legida-Teilnehmer und Verstöße gegen das Vermummungsverbot auf Demonstrationen ein. Die Polizei wird ihre Einschätzung zur Lage sicherlich bald bekannt geben.

 

+++ 21:10 Uhr: Abmarsch +++


Während die Hools mit „Frei, sozial und national“-Rufen schon wieder auf dem Rückweg zum Bahnhof sind, bedankt sich Christina bei der Lügenpresse, die die Menschen in die Arme von Legida treiben würde. Auch weil sie pauschal alle Besorgten als Nazis bezeichne. Wir fragen uns ja: Welche Medien machen das? Wir kennen keine. Auch für uns sind das mehrheitlich keine Nazis. Allenfalls Rassisten.

 

Ansonsten ist das ein Ritt quer durch alle Themen: AfD-Demo, Antifa, Asylgesetze, Merkel, Maas. Und so weiter. Dann sagt sie noch: „Ich bin Mutter einer 16-jährigen Tochter und ich habe Angst, weil ich nicht weiß, was die Zukunft bringen wird.“ Ja, auch wir sorgen uns um diese Tochter, aber aus anderen Gründen.

 

Abschließend muss wieder einmal Bertold Brecht für ein Zitat herhalten. Der arme Mann.

 

Nun geht’s ab Richtung Bahnhof. Die Polizei hat die Zugänge für die Gegendemonstranten weitgehend dicht gemacht. Personell scheint sie heute dünner ausgestattet als in den vergangenen Wochen. Bei Legida waren es heute wohl 700 bis 850 laut Schätzung der Soziologen – diese Woche also wieder weniger als die Gegenseite.

 

Während des gesamten Abends gab es wiederholt Identitätsfeststellungen bei NoLegida – Teilnehmern, teils wegen Vermummungen.

 

+++ 20:55 Uhr: Moooment mal: „Die Presse“ hat (mal wieder) nicht berichtet? +++


Noch ein paar Lügen von der Bühne. Eine „Rednerin die sich aus dem Publikum“ namens Christina hat sich bereit erklärt, etwas zu sagen. Und dann sagt sie, die Presse hätte nicht berichtet, wie viel internationale Nationalisten von Lega Nord bis zur englischen Defense League bei Pegida am 19. Oktober zu Gast waren, um ihre Grüße zu übermitteln? Ok, das ist jetzt leicht. Hier geht’s zum Liveticker vom letzten Montag auf der L-IZ.de.

Also: Wir sind schon mal wieder keine „Lügenpresse“. Fein. Den traurigen Rest dazu gibt es unten bei den Artikellinks zu lesen. Zeit dazu hat man ja jetzt.

 

+++ 20:53 Uhr: Knallhart recherchiert +++


Legida hat weitere Untersuchungen angestellt und ist sich nun sicher, dass die Landtagsabgeordneten Juliane Nagel und Marco Böhme (beide Linkspartei) die Anweisungen für den Böllerwurf gegeben haben. Auf der Bühne geht’s nun mit „Christina“ in die finale Runde.

 

+++ 20:34 Uhr: Silvester mal wieder vorgezogen +++


Irgendwo gehen ein paar Böller hoch. Legida behauptet, Gegendemonstranten hätten sie geworfen. Diese twittern übereinstimmend das Gegenteil. Wir verlassen uns in dieser Angelegenheit wie immer nur auf den Polizeibericht …

 

+++ 20:07 Uhr: Drohen, fotografieren & eine Gerichtsverhandlung +++


Einige Beobachtungen am Rande, während die Rede von Jürgen Elsässer lief: Der Leipziger Noch-NPD-Stadtrat Enrico Böhm ist auch wieder bei Legida dabei. Während ein weiterer Teilnehmer erneut einem L-IZ – Kollegen droht, durch Limonadensprühereien die Kameratechnik zu beschädigen, macht Stadtrat Böhm fleißig Smartphone-Bilder von unserem Kollegen. Was auch immer er damit möchte (ok, attraktiv ist unser Kollege schon), aber zuletzt gab es mal wieder Versuche von Rechtsextremisten, Journalisten im Netz zu bedrohen und Bilder von ihnen mit eindeutigen Aufforderungen versehen im Netz zu veröffentlichen.

 

Hoffentlich macht der Stadtrat heute nicht zu lang. Morgen früh ist immerhin seine Gerichtsverhandlung, in welcher sich entscheiden wird, ob und wie lange er nun in Haft muss. In der ersten Instanz war er wegen Gewaltanwendung verurteilt worden – beide Seiten hatten Widerspruch eingelegt. Nach einem weiteren Vergehen war Böhm dann anschließend kurzzeitig in Untersuchungshaft gelandet. Morgen geht es also für ihn um etwas mehr, als ein paar Bildchen.

 

Nachtrag: Ein weiterer Legida-Teilnehmer nutzt die heute in geringer Zahl vorhandenen Polizeibeamten, um mal direkt mit unserem Kollegen vor Ort zu sprechen. Die simple Botschaft: „Wenn das Bild auf Facebook kommt, bringe ich dich um.“. Rechtsempfinden 2015 beim Legida-Marsch.

 

+++ 20:05 Uhr: Elsässers Rundumschlag und Zahlen aus Dresden und Leipzig +++


Elsässer zündelt gleich los: Eine Walze von Männern im gebährfähigen Alter stürme auf Deutschland zu. Er appelliert an die Leipziger, sich nicht von der „rotlackierten SA“ unterkriegen zu lassen. Und dann die ganze Latte an Klischees: Geflüchtete rauben, vergewaltigen und klauen Kindern und Schülern ihre Turnhallen und Kleidungsfreiheit. Man fragt sich, ob sie nach Ansicht solcher Menschen wie Elsässer auch noch andere Dinge machen.

 

Elsässer verbreitet weiterhin, dass in Dresden vergangene Woche ein Pegida-Demonstrant mit einer Eisenstange attackiert worden sei, dabei hat die Polizei dies bereits zurückgewiesen. Elsässer richtet sich auch an Migranten, die „unser Deutschland“ gegen Fundamentalisten verteidigen müssten. Seine Rede passt sich perfekt ins Legida-Repertoire ein, in der es im Wesentlichen natürlich auch darum geht, dass Merkel gestürzt werden müsse. Man fragt sich immer wieder, ob diesen Leuten bewusst ist, dass Merkel lediglich die Richtlinienkompetenz, nicht jedoch diktatorische Befugnisse besitzt.

 

Unserem Journalisten vor Ort wird derweil schon wieder angedroht, mit Limonade bespritzt zu werden, falls er Fotos macht. Legida hat sich nun wieder auf Tour begeben.

 

Und hier ein paar Zahlen von den schätzenden Soziologen: Mehr als 1.000 protestieren gegen Pegida in Dresden, wo heute mehr als 10.000 gekommen sind. In Leipzig sind es knapp 1.000 Antirassisten. Eine Schätzung zur Zahl der Legida-Teilnehmer steht noch aus.

 

+++ 19:50 Uhr: Zur Rede Markus Johnkes – Malen mit Zahlen und Trugbilder +++


Es waren also 40.000 „Patrioten“ in Dresden, wenn man nach Markus Johnke geht. Dass sind Zahlen, wie sie nur Menschen glauben, die eigentlich längst eine Brille benötigen. Oder eben große Zahlen benötigen, um den eigenen Widerstand groß zu reden. Denn auch das „Grauen“ ist groß, nimmt man Johnke ernst. Er ist nun der Meinung, er habe recherchiert, dass das BAMF einen Faktor von 8 weiteren Personen pro Flüchtling nachziehen würde (hier geht es zur BAMF / Familiennachzug). Nun also Johnkes Rechnung: 1,5 Millionen mal 8 Menschen, die hinterher kommen würden. Etwas, was in der Realität natürlich Quatsch ist, selbstredend kommen bereits jetzt Familien, welche keine Angehörigen nachholen können. Auch die Zahl 1,5 Millionen wird wohl erst am Ende des Jahres bestätigt oder wiederlegt werden.

 

Zudem wird hiermit einfach unterstellt, dass jeder Mensch, der es nach Deutschland schafft, noch 8 weitere Verwandte ersten Grades hat. All dies passt jedoch in das Bild der anstürmenden Horden, welches als Schreckensbild benötigt wird. Auf Leipzig heruntergebrochen würden laut Johnke 119,2 Millionen Euro im kommenden Jahr für Flüchtlinge eingeplant. Wie er auf die Zahl kommt, lässt sich so schnell heute nicht ermitteln. Etwas anderes schon, schaut man sich den Jahres-Haushalt von rund 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro der Stadt Leipzig an.

 

Denn laut Johnke würden ja 2015 nur 80 Millionen für den Schul- und Kitaneubau investiert. Diese Zahl benutzt er, um zu beweisen, dass hier die Leipziger und natürlich Kinder benachteiligt werden sollen. Was er mal wieder nicht erwähnt – allein die Betriebs- und Personalkosten, welche die Stadt für Kinderkrippen und Kitas pro Jahr zahlt, betragen 166 Millionen, 2016 dann 178 Millionen. Ohne Schulkosten, wie Lernmittel und Beförderungsförderungen. Weitere Sozialkosten, wobei anzunehmen ist, dass einige davon auch für die Klatschenden vor der Bühne wichtig sind, übersteigen den (unbelegten) Betrag Johnkes von 119,2 Millionen bei weitem.

 

Im Haushaltsplan 2015/16 der Stadt Leipzig kann man es leicht nachlesen: „So belaufen sich die Gesamtaufwendungen (Betriebs- und Personalkosten) für Kinderkrippen und Kitas einschließlich der Tagespflege in 2015 auf ca. 166 Mio. Euro und 2016 ca. 178 Mio. Euro. Für die Grundsicherung nach SGB II (Kosten für Unterkunft und Heizung) sind in beiden Haushaltsjahren jeweils rund 149 Mio. Euro geplant, mit denen die rund 42.500 Bedarfsgemeinschaften in Leipzig unterstützt werden. Für die Hilfen zur Erziehung (kommunale Leistungen für ca. 2.450 Kinder und Jugendliche) müssen 2015 rund 66 Mio. Euro ausgegeben werden, 2016 rund 68 Mio. Euro. In die bauliche Unterhaltung von Schulen und Kindergärten fließen in beiden Planjahren je rund 14 Mio. Euro.“

 

Ab hier kommen die 80 Millionen, welche Johnke erwähnt, noch obenauf, zudem ohne Zuschüsse zu den Bauten gerechnet, welche vom Land Sachen bezahlt werden. Mit anderen Worten: Das Bild, welches Markus Johnke von den Verhältnismäßigkeiten erzeugen möchte, ist ein Trugbild.

 

+++ 19:39 Uhr: Johnke redet sehr lange +++


Markus Johnke wirft schon wieder mit Zahlen um sich, wie viele Geflüchtete angeblich nach Deutschland kämen oder wollten und was dies den armen Deutschen kosten würde. „Viele sind ungebildete, fanatische Muslime.“ Putin und China seien „Mutige“, die sich dem „Wahnsinn“ entgegenstellten.

 

Natürlich hat Johnke – wie wir wissen – nicht generell etwas gegen Geflüchtete. Mit Blick auf die Gelder, die die Stadt Leipzig im kommenden Jahr für die Unterbringung von ihnen einplant, nennt er sie dennoch pauschal „Facharbeiter und Glücksritter“. Die „Flut“ an Geflüchteten sei „Folge einer globalen kapitalistischen Ausbeuterpolitik“. Vorrangig nimmt Johnke nun die USA ins Visier, die die „europäischen Völker“ unterdrücken würde. Exklusive L-IZ-Recherchen ergeben, dass die USA auch Schuld daran sind, dass heute Nachmittag in einem Discounter in der Südvorstadt der Reibekäse alle war.

 

Schönstes Johnke-Zitat: „Ich habe den Aluhut auf und zu viel Chemtrail geschnuppert.“ Fairerweise muss hinzugefügt werden: Er sagt, dies werde ihm vorgeworfen. Ein Eingeständnis war das nicht. Abschließend fordert Johnke die Bundesregierung auf, die „ganze wahnsinnige Asylflut zu stoppen“. Auch ein Austritt aus der EU, dem Euro und der Nato steht mal wieder auf der Tagesordnung. Finaler Gruß Richtung USA: „Packt euren Scheiß zusammen, kümmert euch um euren eigenen Müll und lasst den Rest der Welt in Ruhe“. Das Publikum reagiert mit „Amy go Home“-Rufen.

 

Wir geben ab an Stargast Jürgen Elsässer, der unter „extremen Sicherheitsvorkehrungen“ angereist sei.

 

+++ 19:16 Uhr: Dresden lebt noch +++


Interessante Info aus Dresden: Auch heute demonstrieren wieder hunderte, vielleicht sogar tausende Menschen gegen Pegida. Vielleicht ist die Landeshauptstadt doch noch nicht verloren.

 

Nun werfen wir den Blick allerdings wieder auf Leipzig, denn auch hier sind die Probleme heute wieder zahlreich erschienen… Markus Johnke hat soeben das Wort ergriffen und lobt die angeblich 40.000 Menschen (Patrioten, laut Johnke), die vergangenen Montag in Dresden auf der Straße waren. Gemeinsam mit den zahlreichen anderen rassistischen Demos (dieses Wort hat er natürlich nicht gesagt) sei das schon fast wie 1989.

 

++ 19:05 Uhr: Deutsche Pünktlichkeit wird auch auf dem Refugees-Welcome-Platz verteidigt – aber nicht bei Legida +++


Auf dem Refugees-Welcome-Platz gibt es mehrere Identitätsfeststellungen durch die Polizei. Wenn irgendein Legida-Anhänger dies gerade mit „Das ist ja wie im Dritten Reich“ kommentieren würde, wären wir nicht verwundert. Derweil schallt fürchterlichste Technomusik über den Platz. Wir wissen nicht, ob Markus Johnke neue Zielgruppen erschließen oder seine Aufmärsche möglichst elegant beenden möchte. Die Stimmung scheint jedenfalls – wie immer – ziemlich gut bei den besorgten Nationalisten.

 

Johnke kündigt zudem an, dass es in etwa zehn Minuten losgehen soll. Für die Frierenden stehen Kaffee und Tee sowie eine Unterschriftenliste zur Abschaffung der GEZ-Gebühr bereit.

 

+++ 18:51 Uhr: Mal ein paar Wackelbilder +++


Wie gewohnt schauen und hören wir natürlich aufmerksam zu, was da so bei Legida von und vor der Bühne gesagt und gerufen wird. 19 Uhr soll der Stream von Legida beginnen, hier ist schon mal der Start mit einer eher an eine Open-Air-Disko erinnernden Vorabmusik.

 

+++ 18:50 Uhr: Scheinbar wieder hoher Zulauf bei Legida +++


So langsam entwickelt sich die Leipziger Innenstadt montagabends tatsächlich zur No-Go-Area. Nicht nur für Menschen, die nicht ins Weltbild mancher Legida-Anhänger passen und Angst vor Übergriffen haben müssen. Nein, auch ganz generell sind scheinbar bald alle Straßen dicht. So ist heute auch die Große Fleischergasse mit Polizeigittern abgesperrt. Für Gegendemonstranten bedeutet dies große Umwege, wenn sie von einer Kundgebung zur nächsten gelangen wollen.

 

Traurig, aber wahr: Bei Legida sieht es derweil schon wieder ziemlich voll aus.

 

+++ 18:25 Uhr: Erinnerung an rechte Gewalt auf dem Bahnhofsvorplatz +++


Bereits 45 Minuten vor Beginn der Veranstaltung befinden sich knapp 50 Teilnehmer der Legida-Kundgebung auf dem Refugees-Welcome-Platz. Dies ist durchaus mehr als bei vorherigen Veranstaltungen, könnte aber auch mit der Zeitumstellung von 2015 auf 1933 zusammenhängen.

 

Die Gegenproteste verteilen sich auf große Teile der Innenstadt. Vor dem Hauptbahnhof stehen einige Menschen mit Bannern, auf welchen zu lesen ist: „Konkurrenz und Ungleichheit führen zu Fremdenhass und Ausgrenzung – Kapitalismus, du mieses Stück Scheiße“ sowie „Der Weg von ‚Sorge‘ zu Gewalt ist kürzer als von Dresden nach Heidenau – Rassismus und totalitären Weltbildern entgegentreten. Immer wieder!“. Letzteres ist zudem geschmückt mit der Zeichnung einer zornig dreinblickenden Katze. Neben den Menschen mit den Transparenten steht eine Tafel, die an unzählige rechtsmotivierte Übergriffe in diesem Jahr erinnert.

 

An der Hainspitze beginnt in diesen Minuten ebenfalls die Kundgebung.

 

+++ 17:30 Uhr: Elsässer gastiert beim Volk, das kaum jemand mag +++


„Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ lautete der Titel eines im Jahre 2007 veröffentlichten Sachbuches des populären Philosophen Richard David Precht. Die darin enthaltene Frage beschäftigt nicht erst seit acht Jahren viele Menschen, aktuell offenbar auch die Organisatoren von Pegida und Legida. Ihre Antwort darauf ist klar: „Wir sind das Volk“ und „Wir sind sehr viele“.

 

Dummerweise sieht die Realität ganz anders aus. Außerhalb Sachsens ist es der rassistischen Bewegung in keiner Stadt gelungen, Aufmärsche mit nennenswerter Teilnehmerzahl auf die Beine zu stellen. Warum das so ist, war vergangene Woche dem aktuellen Politbarometer zu entnehmen. Demnach finden in den „alten Bundesländern“ lediglich acht Prozent der Bevölkerung Pegida „eher gut“, 87 Prozent hingegen „eher schlecht“. In den „neuen Bundesländern“ sind es immerhin 21 Prozent Befürworter. Um sich als „das Volk“ bezeichnen zu dürfen, ist es aber noch ein weiter Weg.

 

Sowohl in Dresden als auch in Leipzig darf man den heutigen Abend mit einiger Spannung erwarten. Zwischen 15.000 und 20.000 Menschen sollen es laut wissenschaftlicher Zählung beim Pegida-Geburtstag am vergangenen Montag gewesen sein, also in etwa so viele wie zu „besten Zeiten“ Anfang des Jahres. Allerdings waren auch so viele Gegendemonstranten wie niemals zuvor auf den Straßen: bis zu 22.000. Ob Pegida diese Zahlen nun halbwegs halten kann und ob der Gegenprotest wieder komplett einbricht, sind die spannenden Fragen an diesem Abend in Dresden.

 

In Leipzig stellten sich die Verhältnisse zuletzt genau andersherum dar als in Dresden. Vor zwei Wochen war es Legida laut Schätzungen erstmals gelungen, mehr eigene Anhänger als Gegner zu mobilisieren, wenn auch auf weit geringerem Niveau. Da die „Offensive für Deutschland“ (OfD) schon nach einem Monat nur noch ein paar Dutzend Leute hinterm Ofen hervor lockt, steht aus Sicht der Truppe um Orgachef Markus Johnke zumindest nicht zu befürchten, dass eine Völkerwanderung Richtung OfD einsetzt.

 

Für den heutigen Abend kündigt Legida mal wieder Jürgen Elsässer an, also den Chefredakteur des Monatsmagazins „Compact“, das von manchen als „rechtspopulistisch“ oder „verschwörungstheoretisch“ verharmlost wird. Wer jedoch einen Blick auf die Ausgaben-Cover wirft, wird feststellen müssen, dass es sich dabei um knallharte Hetze handelt. Ein paar Beispiele: „Geil auf Gewalt – Terror im Asylheim“, „Gothics – Die klugen Schwarzen“, „Fachkräfte? – Ein Albanerwitz“ oder „Der Kosovo kommt – Flüchtlinge machen Kasse“. Geschmückt werden die Cover mit Angst schürenden Bildern, die ganz nach dem Geschmack von Pegida und Legida sein dürften: Merkel mit Hidschab verschleiert, der Reichstag unter der Sichel des Islam oder auch eine Masse brüllender, dunkelhäutiger, junger Männer. Auch Leipzig hat es mit der Behauptung, dass es sich „im Griff der linken SA“ befände, kürzlich auf die Titelseite geschafft.

 

Die Legida-Kundgebung beginnt 19 Uhr auf dem Refugees-Welcome-Platz (an anderen Wochentagen üblicherweise als Richard-Wagner-Platz bekannt). Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ ruft wieder zu solidarischem und gewaltfreiem Protest auf und hat zu diesem Zweck vier stationäre Gegendemos angemeldet: auf dem kleinen Willy-Brandt-Platz (ab 17:30 Uhr), an der Hainspitze (ab 18 Uhr), auf dem Thomaskirchhof (ab 19 Uhr) und am Goerdelerdenkmal vorm Neuen Rathaus (ab 19 Uhr).