Pegida ist ein Dresdner Phänomen. Nirgendwo sonst können so viele Anhänger mobilisiert werden. Andernorts ist auch der Protest meist stärker - eigentlich. Zuletzt kamen auch in Dresden Zehntausende zusammen. Wie es weitergeht, darüber sind die Pegida-Gegner uneins. Jetzt soll Hilfe aus Leipzig kommen.
Dresden. Trotz des erfolgreichen Protests gegen die Pegida-Kundgebung vor einer Woche geht ein Riss durch das Lager der Gegner der fremdenfeindlichen Bewegung. Strittig ist vor allem, inwieweit man sich den wöchentlichen Demonstrationen der Islam- und Fremdenfeinde in Dresden noch regelmäßig entgegenstellen soll und ob es überhaupt dauerhaft durchzuhalten wäre.
Während die einen vor allem auf Projekte für Weltoffenheit und zur Flüchtlingshilfe setzen, halten andere es für zwingend notwendig, gegen Hass und Hetze Gesicht zu zeigen - immer, wenn Pegida auf die Straße geht, und auch, wenn man auf Dauer zahlenmäßig unterlegen ist.
Liveticker von den Protesten am 19. Oktober
Am vergangenen Montag hatte ein breites Bündnis aus Parteien, Vereinen und Initiativen unter dem Motto „Herz statt Hetze“ zum Protest gegen die Kundgebung der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) aufgerufen, die ihr einjähriges Bestehen feierten. Rund 20.000 Menschen kamen. Ein Riesenerfolg für die Pegida-Gegner, die bislang in Dresden deutlich in Unterzahl und über Monate montags überhaupt nicht zu sehen waren.
Die Initiative „Herz statt Hetze“ kündigte am Tag danach denn auch an, weiter demonstrieren zu wollen. Über Aktionen sollte „zeitnah“ beraten werden. Ein Aufruf für diesen Montag, an dem Pegida wieder auf die Straße geht, erfolgte aber nicht. Auf der Facebook-Seite der Initiative wie auch beim Bündnis Dresden Nazifrei wird lediglich der Aufruf der Gruppe Gepida - was für „Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter“ steht - geteilt.
Bei den „Genervten“ handelt es sich um vier junge Dresdner, die erst seit einigen Wochen Montagsdemonstrationen gegen Pegida organisieren. An diesem Montag wollen sie und ihre Anhänger zum Postplatz ziehen - nicht weit von Theaterplatz und Pegida entfernt. 250 Teilnehmer seien offiziell angemeldet, sagt ein 20-Jähriger, der für die Gruppe spricht, aus Angst vor rechten Gewalttaten namentlich aber nicht genannt werden will. Dass ansonsten niemand zur Demo aufgerufen habe, sei nach dem Erfolg der vergangenen Woche schon komisch. „Weil wir gesehen hatten, dass sich lange in Dresden gar kein Protest gegen Pegida gezeigt hat, haben wir Gepida gegründet“, sagte er.
Unterstützt werden die jungen Dresdner aus Leipzig, wo montags der Pegida-Ableger Legida auf die Straße geht, aber in deutlich geringerer Zahl als das Dresdner Original und immer von zahlenmäßig erheblich größerem Gegenprotest begleitet oder blockiert - etwa vom Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“. „Wir haben hier einfach andere Bedingungen in Dresden, allein schon aufgrund der politischen Kultur in dieser Stadt“, sagt Silvio Lang, Sprecher von Dresden Nazifrei. „Außerdem macht es keinen Sinn, nur mit dem Anspruch auf die Straße zu gehen, sagen zu können, wir sind da, weil Pegida da ist.“ Das habe man lange versucht, aber einsehen müssen, dass ein dauerhafter Protest nicht im wünschenswerten Umfang zu realisieren sei.
Jürgen Kasek, Landesvorsitzender der Grünen und einer der Köpfe der Leipziger Nolegida-Bewegung, sieht das anders. „Ein direkter Protest gegen Pegida ist zwingend nötig“, sagt er. „Solange Pegida in Dresden erfolgreich ist, werden sich auch fremdenfeindliche Gewalt und Rassismus in Sachsen weiter ausbreiten.“ Dass es frustrierend sein müsse, dauerhaft in deutlicher Unterzahl gegen eine mächtige Pegida anzutreten, könne er schon verstehen. „Es geht hier aber nicht um Zahlen. Es geht darum, zu zeigen, dass es Widerspruch gibt.“ In Chemnitz sei schließlich auch gelungen, aus der Unterzahl heraus bei den fremdenfeindlichen Cegida-Demonstrationen Flagge zu zeigen. „Das ist wichtig, um die Anschlussfähigkeit der Gidas an die Mitte der Gesellschaft zu verhindern“, sagt Kasek.
Pegida-Gegner aus Leipzig und Chemnitz wollten sich deshalb künftig auch in Dresden verstärkt den Rassisten entgegenstellen. Deshalb habe man das Bündnis Sachsen Nazifrei gegründet, sagt Kasek. Auch Gruppen aus Görlitz und Bautzen seien eingebunden. „Es ist ja kein Geheimnis, dass Dresden Nazifrei kritisiert wird“, sagt Kasek. Vor allem, weil dort so lange den Fremdenfeinden die Straßen allein überlassen worden seien. Ein Gegenbündnis sei Sachsen Nazifrei jedoch nicht. Der Sprecher von Dresden Nazifrei, Lang, spricht nur von Überlegungen zur Bildung eines solchen Bündnisses. Es gebe „Diskussionen darüber, was der richtige Weg ist“. Voraussichtlich im Dezember soll auf einer Strategiekonferenz in Dresden das weitere Vorgehen beraten werden.
Von Martin Fischer