Mediziner sehen keine erhöhte Krankheitsgefährdung durch Flüchtlinge
Leipzig. Auf Facebook machte zu Wochenbeginn wieder ein Gerücht über Asylsuchende in Mitteldeutschland die Runde. Angeblich wäre in der Zentralen Anlaufstelle für Asylsuchende (Zast) in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) die Cholera ausgebrochen. Zehntausende diskutierten in sozialen Netzwerken. Sowohl das Innenministerium in Magdeburg als auch das zuständige Kreis-Gesundheitsamt dementierten umgehend. Doch das Gerücht regte altbekannte Debatten an: Birgt der große Zustrom von Asylsuchenden ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die heimische Bevölkerung?
Im Robert-Koch-Institut geht man davon aus, dass lediglich eine sehr geringe Ansteckungsgefahr besteht. Die Asylsuchenden seien grundsätzlich durch die gleichen Krankheiten gefährdet wie die heimische Bevölkerung auch. Lediglich die Lebensumstände dieser Menschen würde die Anfälligkeit für Erkrankungen erhöhen. Viele seien durch die physische und psychische Belastung geschwächt, und auch die schwierige Wohnsituation könne eine Ansteckung untereinander begünstigen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, wird den Asylsuchenden ein umfassender Impfschutz angeboten. So könnten sie sich unter anderem gegen Polio, Tetanus und Influenza schützen lassen.
„Die Impfbereitschaft der Asylsuchenden ist hoch. Viele, besonders Syrer, sind auch bei ihrer Einreise schon gut durchgeimpft“, erklärt Patricia Klein, Ärztliche Geschäftsführerin der Sächsischen Landesärztekammer. Auch in Thüringen werden derartige Angebote gut angenommen. Bis Ende September wurden laut dem dortigen Gesundheitsministerium mehr als 18 000 Asylsuchende geimpft. „Außerdem haben die meisten auch nur gewöhnliche Erkältungskrankheiten. Die haben Deutsche zu dieser Jahreszeit genauso. Da steckt im Zweifelsfall jeder jeden an. Die Gefahr für eine Seuche sehen wir nicht“, so Klein.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) stellt klar, dass die medizinischen Untersuchungen von Flüchtlingen keine schwerwiegenden Probleme zutage gefördert haben: „Es sind wenig echte Krankheiten, die besorgniserregend sind.“ In dieser Woche haben auch im Leipziger Klinikum St. Georg die Erstaufnahme-Untersuchungen begonnen, sodass in Sachsen allein in den drei Flüchtlingspraxen nun täglich zwischen 600 und 800 Asylbewerber medizinisch betreut werden können.
Die Sorge vieler Eltern, ihre Kinder könnten Krankheiten aus der Schule mit nach Hause bringen, hält man im sächsischen Gesundheitsministerium für unbegründet. Sprecherin Annett Hofmann erklärt: „Die Kinder gehen ja nicht sofort nach ihrer Ankunft in die Schule. Bis es so weit ist, sind sie untersucht und geimpft. Wie für alle Kinder gilt auch für Flüchtlingskinder im Krankheitsfall ein Schulbesuchsverbot.“
Während es in Sachsen-Anhalt nach Aussagen des dortigen Gesundheitsministeriums immer wieder Probleme mit der Lieferung bestimmter Impfstoffe gebe, seien Thüringen und Sachsen gut ausgestattet, hieß es. „Besonders das Land Sachsen hat sehr früh reagiert. Natürlich hängt jetzt alles von der weiteren Impfbereitschaft und von der Zahl der Asylsuchenden ab, aber ich glaube nicht, dass wir hier ein Problem zu erwarten haben“, erklärt Klein. Wer Angst habe, dass der Impfstoff für die Einheimischen aufgrund der hohen Impfbereitschaft der Asylsuchenden knapp wird, könne beruhigt sein. „Das sind zwei verschiedene Töpfe. Für die Flüchtlinge ist das jeweilige Land zuständig. Die Dosen für die Versicherten bestellen die Krankenkassen – und die sind auch gut aufgestellt. Das sollte für alle reichen“, so Klein. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte seinen eigenen Impfschutz im Auge haben. „Immerhin kann man sich auch bei Deutschen anstecken“, betonte Klein.