Verfassungsschutzakten fehlten - NSU-Ausschuss sauer

Verfassungsschutzakten fehlten
Erstveröffentlicht: 
16.10.2015

Stuttgart/Heilbronn  Zum Mord an der Polizistin Kiesewetter gibt es viele Spekulationen. Das BKA hält die Beamtin aber nach wie vor für ein Zufallsopfer des NSU. Unzufrieden ist der NSU-Ausschuss mit einem ganz anderen Thema.

 

Empörung im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags: Der Landesverfassungsschutz hat dem Gremium nach den Worten von Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) zunächst nicht alle nötigen Akten zum Ku Klux Klan vorgelegt. Deshalb will der Ausschuss Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube und Ex-Präsident Helmut Rannacher als Zeugen laden. Mittlerweile liegen die sieben Akten dem Ausschuss aber vor. Daraus geht nach Drexlers Angaben hervor, dass der Verfassungsschutz 1994 - früher als bislang bekannt - Hinweisen auf einen Ku Klux Klan (KKK) in Baden-Württemberg gehabt hat.

Keine sensationellen neuen Erkenntnisse gab es am Freitag bei der Befragung von Ermittlern zur Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn. Ein Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) bekräftigte, dass Kiesewetter keine direkten oder indirekten Kontakte zur rechten Szene gehabt habe. Es sei am wahrscheinlichsten, dass der NSU Kiesewetter und ihren Streifenpartner Martin A. zufällig ausgewählt habe. „Für Gegenteiliges haben wir keine Anhaltspunkte.“ In Heilbronn habe sich wohl eine ideale Gelegenheit gegeben, um wehrlose Polizisten, die sich in einer Pause befanden, anzugreifen.

 

Phantombilder 

Der Ausschuss geht auch weiter der Frage nach, warum Phantombilder zu den Tätern zum Kiesewetter-Mord nicht veröffentlicht wurden. Dabei wurden noch einmal Meinungsverschiedenheiten zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft deutlich. Der damals ermittlungsführende Staatsanwalt Christoph Meyer-Manoras hatte im Sommer erklärt, die Aussagen seien nicht glaubhaft gewesen. Dem widersprach nun der Beamte, der den Polizisten mehrfach befragte.

Erinnerungen seien nach und nach wiedergekommen - und glaubhaft gewesen. Erst nach einem Gespräch mit Meyer-Manoras habe Martin A. panische Angst vor der Veröffentlichung eines Phantombildes gehabt. Der Beamte legte damit den Verdacht nahe, dass Martin A. vom Staatsanwalt unter Druck gesetzt wurde - warum auch immer. Ein nervenärztlicher Gutachter hatte hingegen erklärt, es sei wegen der Schwere der Verletzungen extrem unwahrscheinlich, dass Martin A. sich erinnern könne.

Der Ausschuss untersucht die Bezüge des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zum Südwesten. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet - an neun Migranten und an Kiesewetter. Es gibt aber Zweifel an der Annahme der Bundesanwaltschaft, dass Kiesewetter ein Zufallsopfer der Rechtsterroristen war und der NSU keine Mittäter hatte. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts und des BKA zu dem Themenkomplex laufen noch gegen Unbekannt.

 

BKA: keine Unterstützer

Nach den bisherigen Erkenntnissen hatte das NSU-Trio im Südwesten aber keine Unterstützer, so der BKA-Beamte. Zwar hätten Mitglieder des NSU in Stuttgart mögliche Tatorte ausgespäht und bis Anfang 2001 auch Menschen in Ludwigsburg besucht. Allerdings habe es sich dabei nur um Kontaktpersonen und nicht um Helfer bei Straftaten gehandelt, sagte der Beamte. Zu dem gleichen Ergebnis war eine von Innenminister Reinhold Gall (SPD) eingesetzte Ermittlungsgruppe gekommen.

Die vom Verfassungsschutz zunächst nicht gelieferten Akten zum KKK sorgten für Empörung bei den Obleuten aller vier Fraktionen. Die CDU hält sich auch eine Ladung von Minister Gall vor das Gremium offen. Denn auch der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags hatte darüber geklagt, dass Akten aus Baden-Württemberg fehlten. Zudem soll der vom Stuttgarter Ausschuss eingesetzte Sachverständige, Bernd von Heintschel-Heinegg, nun selbst ungeschwärzte Akten im Landesamt sichten und entscheiden, ob diese relevant für das Gremium sind.

Dass insgesamt sieben Akten fehlten, sei Heintschel-Heinegg zufällig bei der Sichtung von Unterlagen im Bundesamt für Verfassungsschutz aufgefallen, sagte Drexler. Das Landesamt habe erklärt, die Akten seien nicht relevant für den Untersuchungsauftrag des Landtagsgremiums. „Das halte ich für nicht stichhaltig“, meinte Drexler. Da müsse man schon Zweifel an der Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes haben. Zwei baden-württembergische Polizisten waren 2001/2002 zeitweise Mitglieder in dem rassistischen Geheimbund.