Ines Saborowski-Richter sorgt mit "Schande"-Vorwurf an die Adresse der eigenen Minister für Aufsehen
VON JüRGEN KOCHINKE
Dresden. Es gibt Parlamentarier, von
denen hört man jahrelang wenig bis nichts. Zu dieser Kategorie gehört
auch eine CDU-Abgeordnete aus Chemnitz, die seit 2009 im sächsischen
Landtag sitzt. Ines Saborowski-Richter heißt sie, ist 48 Jahre alt - und
das, was man eine typische Hinterbänklerin nennt. So hat sie es in den
sechs Jahren Parlamentszugehörigkeit gerade mal auf eine einzige Anfrage
an die Staatsregierung gebracht. Mitteilungen von landespolitischer
Relevanz waren von ihr auch nicht zu vernehmen. Nun sorgt
Saborowski-Richter für Aufsehen, und natürlich geht es ums Reizthema
Asyl. Denn dabei hat die Chemnitzer Abgeordnete doch tatsächlich die
eigene Ministerriege rüde angezählt.
Grund für die Attacke ist der
örtliche Streit um die geplante Notunterkunft in Chemnitz-Eindiesel.
Knapp 550 Asylbewerber sollen dort in einem ehemaligen Pionierlager
untergebracht werden, dagegen sammelt sich Protest. Auf einer
Bürgerversammlung Mitte vergangener Woche entlud sich der Ärger der
Bürger, anschließend schritt Saborowski-Richter gemeinsam mit dem Chef
der CDU-Stadtratsfraktion, Tino Fritzsche, zur Tat - in Form einer
offiziellen Pressemitteilung.
Darin geht es eifrig zur Sache.
Originalton Fritzsche: "Es ist völlig unverständlich, dass die Vertreter
der Landesdirektion auf die einfachsten Fragen der Anwohner keine
klaren Antworten gegeben haben." Schärfer noch ist die Tonlage von
Saborowski-Richter. "Es ist eine Schande, dass kein Vertreter des
Innenministeriums beziehungsweise des Finanzministeriums, vorzugsweise
ein Minister, den Menschen auf der Einwohnerversammlung Rede und Antwort
gestanden hat."
Ein solcher "Schande"-Vorwurf ist schon starker
Tobak für eine CDU-Abgeordnete, schließlich sind die angezählten
Ressortchefs, Markus Ulbig (Innen) und Georg Unland (Finanzen), selbst
beide Mitglied der CDU. Damit war die Sache erstmal in der Welt, und es
wurde noch schlimmer. Natürlich griff auch die örtliche Presse das Thema
auf, und so sprach sich das Ganze schnell im Dresdner Landtag und in
der Landesregierung herum - Kopfschütteln inklusive.
Für die
sächsische CDU wachsen sich solche Äußerungen zum Streitthema Asyl
zum Problem aus. Erkennbar ist, dass die Zentrifugal-Kräfte in der Union
zunehmen, der Erosionsprozess macht auch vor der Landtagsfraktion nicht
halt. Und fest steht: Saborowski-Richter ist nicht die erste, die
querschießt, zuvor war bereits manch anderer vorgeprescht. Unvergessen
sind die markigen Sprüche - Stichwort "Asylbewerber ohne Ausweis in den
Knast" - des aus Schwarzenberg stammenden CDU-Abgeordneten Alexander
Krauß. Natürlich hatte auch die CDU-Neuparlamentarierin Daniela Kuge aus
Meißen für Furore gesorgt, als sie lauthals den "Aufstand in der
CDU-Fraktion" zu proben versprach. Daraus allerdings wurde nichts.
Vielmehr wurde Kuge von der eigenen Chefetage angezählt, von ihrem
"Aufstand" ist nichts zu sehen. Nicht viel anders scheint auch
Saborowski-Richter zu verfahren, wie ihr Verhalten in Chemnitz
demonstriert. So hatte sie zwar an der Bürgerversammlung teilgenommen,
nach Aussage von Teilnehmern aber den ganzen Abend lieber den Kopf
eingezogen und nichts gesagt.
Das Ganze hat aber Auswirkungen bis
hinauf zu Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) und sein Kabinett. Je
mehr Flüchtlinge kommen, desto mehr stehen die Abgeordneten unter Druck -
alle, vor allem aber die aus der CDU. Entsprechend nervös reagieren
sie nun. Tillich kann Querschüsse derzeit nicht sonderlich gut
gebrauchen.