Beim Reizthema Asyl attackiert sächsische CDU-Abgeordnete jetzt Tillich

Erstveröffentlicht: 
06.10.2015

Ines Saborowski-Richter sorgt mit "Schande"-Vorwurf an die Adresse der eigenen Minister für Aufsehen

 

VON JüRGEN KOCHINKE


Dresden. Es gibt Parlamentarier, von denen hört man jahrelang wenig bis nichts. Zu dieser Kategorie gehört auch eine CDU-Abgeordnete aus Chemnitz, die seit 2009 im sächsischen Landtag sitzt. Ines Saborowski-Richter heißt sie, ist 48 Jahre alt - und das, was man eine typische Hinterbänklerin nennt. So hat sie es in den sechs Jahren Parlamentszugehörigkeit gerade mal auf eine einzige Anfrage an die Staatsregierung gebracht. Mitteilungen von landespolitischer Relevanz waren von ihr auch nicht zu vernehmen. Nun sorgt Saborowski-Richter für Aufsehen, und natürlich geht es ums Reizthema Asyl. Denn dabei hat die Chemnitzer Abgeordnete doch tatsächlich die eigene Ministerriege rüde angezählt.


Grund für die Attacke ist der örtliche Streit um die geplante Notunterkunft in Chemnitz-Eindiesel. Knapp 550 Asylbewerber sollen dort in einem ehemaligen Pionierlager untergebracht werden, dagegen sammelt sich Protest. Auf einer Bürgerversammlung Mitte vergangener Woche entlud sich der Ärger der Bürger, anschließend schritt Saborowski-Richter gemeinsam mit dem Chef der CDU-Stadtratsfraktion, Tino Fritzsche, zur Tat - in Form einer offiziellen Pressemitteilung.
Darin geht es eifrig zur Sache. Originalton Fritzsche: "Es ist völlig unverständlich, dass die Vertreter der Landesdirektion auf die einfachsten Fragen der Anwohner keine klaren Antworten gegeben haben." Schärfer noch ist die Tonlage von Saborowski-Richter. "Es ist eine Schande, dass kein Vertreter des Innenministeriums beziehungsweise des Finanzministeriums, vorzugsweise ein Minister, den Menschen auf der Einwohnerversammlung Rede und Antwort gestanden hat."


Ein solcher "Schande"-Vorwurf ist schon starker Tobak für eine CDU-Abgeordnete, schließlich sind die angezählten Ressortchefs, Markus Ulbig (Innen) und Georg Unland (Finanzen), selbst beide Mitglied der CDU. Damit war die Sache erstmal in der Welt, und es wurde noch schlimmer. Natürlich griff auch die örtliche Presse das Thema auf, und so sprach sich das Ganze schnell im Dresdner Landtag und in der Landesregierung herum - Kopfschütteln inklusive.


Für die sächsische CDU wachsen sich solche Äußerungen zum Streitthema Asyl zum Problem aus. Erkennbar ist, dass die Zentrifugal-Kräfte in der Union zunehmen, der Erosionsprozess macht auch vor der Landtagsfraktion nicht halt. Und fest steht: Saborowski-Richter ist nicht die erste, die querschießt, zuvor war bereits manch anderer vorgeprescht. Unvergessen sind die markigen Sprüche - Stichwort "Asylbewerber ohne Ausweis in den Knast" - des aus Schwarzenberg stammenden CDU-Abgeordneten Alexander Krauß. Natürlich hatte auch die CDU-Neuparlamentarierin Daniela Kuge aus Meißen für Furore gesorgt, als sie lauthals den "Aufstand in der CDU-Fraktion" zu proben versprach. Daraus allerdings wurde nichts. Vielmehr wurde Kuge von der eigenen Chefetage angezählt, von ihrem "Aufstand" ist nichts zu sehen. Nicht viel anders scheint auch Saborowski-Richter zu verfahren, wie ihr Verhalten in Chemnitz demonstriert. So hatte sie zwar an der Bürgerversammlung teilgenommen, nach Aussage von Teilnehmern aber den ganzen Abend lieber den Kopf eingezogen und nichts gesagt.


Das Ganze hat aber Auswirkungen bis hinauf zu Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) und sein Kabinett. Je mehr Flüchtlinge kommen, desto mehr stehen die Abgeordneten unter Druck - alle, vor allem aber die aus der CDU. Entsprechend nervös reagieren sie nun. Tillich kann Querschüsse derzeit nicht sonderlich gut gebrauchen.