Flüchtlingszustrom: Lehrergewerkschaft rechnet mit 300000 Schülern zusätzlich

Erstveröffentlicht: 
06.10.2015

GEW Sachsen: Rund 1000 neue Lehrer notwendig / Millionen-Prognose sorgt für weitere Warnungen

 

Von Marina Kormbaki, Winfried Mahr und Jürgen Kochinke


Berlin/Dresden. Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rechnet mit enormen Herausforderungen für Schulen und Kitas angesichts des Flüchtlingszustroms. Die GEW geht für die nächsten zwölf Monate von bundesweit rund 300000 zusätzlichen Schülern aus, die allein oder mit Eltern geflüchtet sind. "Um diesen ein gutes Schulangebot zu machen, sind rund 25000 Lehrkräfte zusätzlich notwendig", sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dem auch diese Zeitung angehört.


In den Kitas erwartet die GEW bis zu 100000 zusätzliche Kinder. An Schulen würden jedoch nicht nur mehr Lehrer benötigt, sondern auch Schulpsychologen und -sozialarbeiter, sagte Tepe weiter. Zudem müssten viele Lehrer zusätzlich im Unterrichten von Deutsch als Zweitsprache geschult werden, hier gebe es bisher einen großen Mangel.


Sachsens GEW-Landeschefin Uschi Kruse rechnet zum nächsten Schuljahreswechsel mit einem doppelt so hohen Bedarf an neuen Lehrern, nachdem der Freistaat zu Beginn des laufenden Schuljahres bereits rund 500 Pädagogen zusätzlich eingestellt hatte. "Wenn die Prognosen bei der Flüchtlingszahl sich bewahrheiten, werden wir für das nächste Schuljahr in Sachsen an die 1000 Lehrerstellen zusätzlich benötigen", sagte sie. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Thüringen, das zu Beginn des Schuljahres ebenfalls 500 neue Lehrer eingestellt hatte, so viel wie noch nie seit 1991. Dennoch kritisiert die GEW Thüringen diese Zahl als zu gering. Findet die Verteilung von Flüchtlingskindern - wie derzeit geplant - nach dem Königssteiner-Schlüssel statt, erhält Thüringen einen Anteil von 2,7 Prozent der Flüchtlingskinder. Rein rechnerisch ergibt sich daraus eine Forderung nach 680 Lehrkräften zusätzlich.


Angesichts neuer Spekulationen über bis zu 1,5 Millionen Asylbewerber in diesem Jahr verschärfen unterdessen Politiker von Union und SPD ihre Warnungen vor einer Überforderung Deutschlands. Im letzten Quartal sei mit der Ankunft von bis zu 920000 Flüchtlingen zu rechnen, berichtete die "Bild"-Zeitung gestern unter Berufung auf eine interne Prognose nicht näher benannter Behörden. Das Bundesinnenministerium nannte die Zahlen zweifelhaft. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sieht bei der Aufnahme von Flüchtlingen die "Grenze des Machbaren" erreicht. Solche Zugänge über längere Zeit seien für Deutschland insgesamt und für Sachsen nicht zu bewältigen, sagte er. Laut Ulbig will Sachsen bis Ende der Woche die Plätze in der Erstaufnahme von derzeit etwa 12500 auf 14000 aufstocken. Allein am letzten Wochenende kamen knapp 2000 Flüchtlinge nach Sachsen.


Alarm schlug auch der sächsische CDU-Innenpolitiker Christian Hartmann. "Die Zahl von 1,5 Millionen Flüchtlingen, die momentan im Umlauf ist, stellt eine völlig neue Dimension dar", sagte er. Sollte sich das bewahrheiten, müsste Sachsen rund 75000 Asylbewerber aufnehmen, allein in den nächsten drei Monaten mehr als in den zurückliegenden neun Monaten zusammen.