Rassistenaufmarsch: Liveticker 12.10.: Für Legida-Teilnehmer gehts wieder nach Hause – denn sie haben eins

Erstveröffentlicht: 
12.10.2015

Die Temperaturen fallen so langsam wieder ins Bodenlose. Aber emotional betrachtet, konnten die Montagabende in Leipzig sowieso kaum noch kälter werden. Was Legida an blankem Hass auf einige Bevölkerungsgruppen von sich gibt, ist allerhöchstens noch von Lutz Bachmann und Tatjana Festerling in Dresden zu unterbieten. Weil jene Oberbesorgten nächste Woche mit Pegida Geburtstag feiern und der Leipziger Ableger nicht fehlen möchte, findet heute der letzte montägliche Rassistenaufmarsch vor der einwöchigen Pause statt.

 

13.10., 12 Uhr: Nachtrag zum gestrigen Abend +++


Als am gestrigen Abend in Dresden bei der „Mutterorganisation“ von Legida, dem muslimenfeindlichen Pegida-Bündnis zwei symbolische Galgen für Sigmar Gabriel und Angela Merkel errichtet worden waren, kam es in Leipzig mal wieder zu einer Attacke auf einen Journalisten. Während sich heute die gesamte Debatte in den großen Tageszeitungen um die beiden Galgen und die mittlerweile eingesetzten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden „gegen Unbekannt“ dreht, wird sich das Augenmerk in Leipzig wohl weiterhin darauf richten müssen, wie Legida und vor allem der gewachsene rechtsradikale Anteil der Montagsmarschierer glaubt, mit Pressevertretern umgehen zu dürfen.

Der Bericht dazu findet sich hier auf L-IZ.de

 

+++ 21:28 Uhr: Fazit: Legida hat heute wohl gewonnen +++


Nach Schätzungen des Soziologenteams der Uni Leipzig beteiligten sich zwischen 800 und 950 Menschen an dem Legida-Aufmarsch. Damit waren die Gegendemonstranten heute wohl in der Unterzahl – womöglich zum ersten Mal überhaupt (Wie wird Legida seinen Anhängern eigentlich erklären, dass die „Lügenpresse“ so etwas „zugibt“?). Entscheidende Frage: Woran lag’s? Stellt Legida keine ernst zu nehmende Gefahr mehr dar? Ist es zu kalt draußen? Die Häme über den geringen Widerstand in Dresden scheint jedenfalls zunehmend unangebracht. Ob nun 500 von 550.000 oder 700 von 550.000 gegen Rasssismus demonstrieren, macht schließlich keinen ganz so großen Unterschied.

 

Schon in fünf Tagen geht es weiter: in Grünau gegen die „Offensive für Deutschland“. Für den kommenden Montag mobilisiert „Leipzig nimmt Platz“ nach Dresden. Danach gibt es dann zwei rechte Demos in Leipzig pro Woche. Man kann nur hoffen, dass die Beteiligung an antirassistischem Protest heute ein einsamer Ausrutscher nach unten war.

 

+++ 21:04 Uhr: Abgang bei Legida und in Dresden hängen die Politiker +++


Unser Reporter vor Ort wurde von einem Legida-Demonstranten mit Limonade bespritzt. Auch das überrascht uns leider nicht.

Kevin berichtet derweil von seinem Urlaub in Wien, wo er Flüchtlinge antraf, die nach Deutschland weiterreisen wollten. Die Durchsagen fanden dort auf Deutsch, Englisch und Arabisch statt. „Mitten in Europa, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.“ … Nein, muss man nicht.

Themawechsel: „Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Angela Merkel für den Friedensnobelpreis zu nominieren? Diese Frau hat eine Zelle im Gefängnis verdient.“

 

Abschließend noch eine Gratulation an die FPÖ in Österreich und dann war’s das auch schon. Toll gemacht, Kevin. Hymne. Einladung nach Dresden, wo Sigmar Gabriel und Angela Merkel heute symbolisch am Galgen aufgehängt wurden. Abgang. Am Willy-Brandt-Platz freuen sich die Gegendemonstranten schon auf den Besuch.

Haben wir schon erwähnt, dass wir uns vor allem über die Pause in der nächsten Woche freuen?

 

+++ 20:48 Uhr: Wir haben ja nichts gegen Flüchtlinge, aber wir haben was gegen Flüchtlinge +++


Legida bekommt also gerade wieder seinen wöchentlichen Auslauf und brüllt Parolen wie „Refugees verpisst euch, keiner vermisst euch“. Das ist nur teilweise deutsch, oder? Wie schon in der Vorwoche richten sich die Aggressionen einzelner Teilnehmer ansonsten gegen die „Lügenpresse“.

Auf dem Refugees-Welcome-Platz soll in der Zwischenzeit ein Rettungswagen vorgefahren sein. Wir bezweifeln, dass bei Legida noch irgendetwas zu retten ist. Gleich wird Kevin die finale Rede halten.

 

+++ 20:12 Uhr: Es spazieren: Hools, Nazis und der ganze Rest +++


Thomas Festerling dankt den heute anwesenden „Berliner Patrioten“. Diese antworten mit einem lautstarken „Ahu! Ahu! Ahu!“ Alles klar… Anschließend ruft er dazu auf, nicht vor Geflüchtetenheimen zu demonstrieren, sondern bei den verantwortlichen Politikern.

Im Publikum gibt es während seiner Rede ein bisschen Tumult. Ein offenbar betrunkener Teilnehmer wird von seinen eigenen Leuten herausgezogen und der Polizei übergeben. Wären wir verschwörungstheoretisch unterwegs, würden wir jetzt behaupten, dass diese Szene inszeniert wurde, um die „Selbstreinigungskräfte“ von Legida zu demonstrieren. Allerdings soll laut „No Legida“ auch NPD-Stadtrat Enrico Böhm wieder am Start sein. Von Reinigung kann also keine Rede sein.

 

Festerling erzählt nun, wie die Liebesgeschichte zwischen ihm und Legida ihren Anfang nahm. Wie er zunächst auf den Demos am Rande stand und sich später stärker einbrachte. Natürlich weder „rechts“ noch „links“. Dann prangert er die „einzigartige Situation“ in Leipzig an. Seine Familie sei wegen seiner Auftritte bedroht worden. Legida werde als „menschenfeindlich“ diffamiert. Das kann er überhaupt nicht nachvollziehen.

 

Ein bisschen DDR-Nostalgie gehört auch dazu: „Der Funke von 1989 kann die Glut von 2015 entfachen“. Jetzt glüht erstmal der Asphalt, denn Legida hat sich wieder auf den Weg gemacht. Zuvor hat Johnke noch darauf hingewiesen, dass heute weniger Polizei zur Absicherung zur Verfügung steht als in den Vorwochen. Laut Soziologen-Team der Uni Leipzig sind übrigens 600 bis 700 Gegendemonstranten unterwegs. Das wäre ziemlich schwach, zumal wenn man bedenkt, dass die Vorlesungszeit wieder begonnen hat und auch im Rahmen der „Kritischen Einführungswochen“ für die Teilnahme am No-Legida-Protest geworben wurde.

 

Ein erstes Schmankerl vom Spaziergang haben wir auch schon zu bieten: Ein Journalist wurde von einem Legidaanhänger zu Fall gebracht. Wer hätte gedacht, dass es nicht mehr bei verbalen Attacken bleibt…

 

Und da es immer noch Leute geben soll, welche sich über das Wort „Rassisten“ wundern, hier ein paar klärende Worte auf L-IZ.de dazu zum Nachlesen.

 

+++ 19:46 Uhr: Hetze gegen Schweden +++


Na klar, die Klassiker dürfen nicht fehlen. Nun muss Schweden mal wieder herhalten, wo die Vergewaltigungsrate angeblich exorbitant hoch sei und dies natürlich mit dem Zuzug von Muslimen zu tun habe. Dass in Schweden der Vergewaltigungsbegriff viel weiter gefasst ist als zum Beispiel in Deutschland, wo laut Gesetz ein „Nein“ bekanntlich nicht zwangsläufig „Nein“ heißt, erwähnt Johnke natürlich nicht. Vermutlich weiß er es auch nicht, denn die rechten Hetzblogs, die mit solchen Statistiken aufmachen, halten sich mit Erklärungen meist zurück.

 

Zum Abschluss ruft Johnke seine Anhänger wieder dazu auf, Angela Merkel persönlich die Meinung zu sagen, wenn sie am Mittwoch auf der „Zukunftskonferenz“ der CDU in Schkeuditz spricht. Wird sicher wieder so eine grandiose Nummer wie neulich bei der Neuen Messe… Ist das eigentlich eine Art „Mutti“-Komplex, ständig ein Auge darauf zu werfen, welche Termine sie wahrnimmt?

Übrigens hatte Johnke immer mal wieder ein paar Probleme mit dem Mikro. Es besteht noch Hoffnung, dass es im Laufe des Abends komplett den Geist aufgibt. Es wäre dann auf einem Niveau mit den Menschen vor der Bühne.

 

+++ 19:31 Uhr: Hetze gegen Geflüchtete +++


Markus Johnke bedankt sich für das hohe Engagement seiner Anhänger und angeblich steigende Teilnehmerzahlen. Dann geht’s direkt ins aktuelle Zeitgeschehen hinein. Am Brühl sollen demnächst etwa 500 geflüchtete Menschen untergebracht werden. Schon jetzt ist für Johnke klar, dass diese die Händler in der Innenstadt beklauen werden. Die meisten Flüchtlinge seien auch gar keine Flüchtlinge und viele Syrer keine Syrer. Offenbar hat Johnke den wichtigen „Panorama“-Beitrag über die Märchenstunde von Bundesinnenminister de Maizière noch nicht gesehen.

 

Auch zur Anti-TTIP-Demo verliert Johnke noch ein paar Worte. Die findet er gut. Dass ein Teil der Demonstranten als „rechts“ dargestellt wurde, hingegen nicht. Offenbar bezieht er sich dabei auf einen quasi durchweg von der gesamten Leserschaft des Magazins Der Spiegel als schwach und falsch empfundenen Kommentar, welche am Wochenende erschien. Klar, für ihn sind die „Identitären“ ja auch nur besorgte Bürger. Ein bissl Reichsbürgerwichtelei ist auch noch drin, wenn er Bundeskanzlerin Merkel als „Geschäftsführerin unserer Ami-Kolonie“ bezeichnet.

 

+++ 19:17 Uhr: Der OBM als „Fürst“ +++


Markus Johnke scheint einiges zu verpassen, wenn es um parlamentarische Demokratie geht. So sieht er in der Eilentscheidung des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung, den „Brühlpelz“ kurzfristig als Asylunterbringung für 500 Flüchtlinge zu benennen einen undemokratischen Akt. Man sei hier „nicht in einem Fürstentum“, so Johnke.

 

Dumm jetzt, dass der Leipziger Stadtrat zweimal beschlossen hat, eben diese Rechte dem OBM einzuräumen, da es aufgrund der Vielzahl der benötigten Unterbringungen vor allem darum geht, rasch mit den Immobilienbesitzern in Leipzig verhandeln und anschließend handeln zu können. Irgendwie ist es egal, wenn es um Johnkes Sichten geht: Es ist immer falsch, solange man nicht ihn fragt. Und bei dieser Entscheidung sei dies eben nicht geschehen.

So sehr man für direkte Demokratie sein kann, aber demnächst über jede Flüchtlingswohnung per Bürgerentscheid abzustimmen, dürfte das Stadtsäckel reißen lassen.

 

+++ 19:11 Uhr: Warm-Up +++


Eine Gruppe von etwa 50 Legida-Anhängern ist vorhin über den Willy-Brandt-Platz spaziert. Gefährliche Situation, schließlich findet dort auch eine der Gegenveranstaltungen statt. An der Hainspitze kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen beiden Lagern. Der Flüchtlingsrat in Person von Sonja Brogiato freut sich derweil über eine Spende in Höhe von 2.000 Euro. Das Geld war Mitte September auf dem „Brückenfest“ gesammelt worden. Ach ja… Und die Polizei twittert: „Ein ganz normaler Montag“ und verlinkt den Liveticker. Leider den falschen…

 

+++ Keine Hetze ohne uns – Mal wieder Legida-Livestream kommentieren +++

 

+++ 18:49 Uhr: Ein kleiner Einschub zum Wort „Asylgegner“ in den Medien +++


Bevor in Leipzig Legida mal wieder ab 19 Uhr von der Bühne den Nährboden für Gewalt bereitet (Livestream auch bei uns zu sehen), ist vielleicht eine Begriffsklärung vonnöten. Im Umfeld der rechtsradikalen Ausschreitungen in Prohlis bei Dresden berichtet der MDR (und andere) konsequent von „Asylgegnern“, welche da Steine warfen und zündelten.

 

Lieber MDR: Es ist ein offenbar bewusst begangener „Irrtum“, hier von „Asylgegnern“ in Prohlis und anderswo zu sprechen. Es sind schlicht gewaltbereite Neonazis, wie es sie schon sehr lange und durchaus staatlicherseits verharmlost in Sachsen gibt und die sich nun in einer Stellvertreterrolle glauben. Gegen das Recht auf Asyl zu sein, bedeutet darüber hinaus, gegen deutsches Verfassungsrecht zu sein. Damit müsste notwendig folgen, dass diese randalierenden Rechtsextremisten eine strafrechtliche Verfolgung über die der „einfachen“ Straftatbestände wie Steine werfen, Häuser anzünden, Menschen attackieren usw. hinaus erfahren müssten.

 

Nur, weil man es nicht ausspricht, ist es nicht verschwunden. Zum Video vom MDR Sachsenspiegel geht’s hier lang.

 

+++ 18:47 Uhr: Johnke, Festerling (m) und Kevin wollen heute reden +++


Sowohl Legida als auch der Gegenprotest scheinen auf den ersten Blick weniger Menschen mobilisiert zu haben als in der Vorwoche. Diese Einschätzungen können sich im Laufe des Abends aber für gewöhnlich noch deutlich ändern. Die Polizei ist auch heute wieder mit Wasserwerfern im Einsatz. Bei den Gegendemonstranten hat sich heute Sonja Brogiato vom Flüchtlingsrat für eine Rede angekündigt. Legida hat drei Bühnengäste im Angebot: Neben Orgachef Markus Johnke soll das Thomas Festerling sein, der zuletzt eigentlich bei der „Offensive für Deutschland“ mitmischte, sowie „Kevin“. Womöglich ist damit „Kevin ausm Publikum“ gemeint, der also nach einen Monat sein Comeback geben könnte.

 

+++ 18:00 Uhr: Der letzte Spaziergang vorm Pegida-Geburtstag +++


Wirkliche Ruhe ist allen Antirassisten und Antifaschisten in Leipzig mit der Pause natürlich nicht vergönnt, denn bereits am Samstag möchte die „Offensive für Deutschland“ in Grünau in die nächste Runde gehen. Und auch am kommenden Montag werden sich viele engagierte Menschen nicht auf dem Sofa zurücklehnen. Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ organisiert eine Busfahrt nach Dresden, wo am 19. Oktober anlässlich des unrühmlichen Geburtstages von Pegida der bis dato vielleicht massivste Gegenprotest zu erwarten ist.

 

Dass Legida bald eine kleine Pause einlegt, ändert natürlich nichts daran, dass vor allem für Migranten im derzeitigen gesellschaftlichen Klima eine permanente Bedrohungslage existiert. In Leipzig ist diese glücklicherweise etwas geringer als in der sächsischen Provinz, wo derzeit fast täglich Übergriffe zu vermelden sind, wirklich ausruhen kann sich darauf aber niemand – zumal der Trend leider negativ ist.

 

Man muss kein Genie sein, um vorhersagen zu können, dass sich die Redner von Legida heute Abend wieder alle Mühe geben werden, das Klima weiter anzuheizen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für alle No-Legida-Aktivisten könnte darin bestehen, dass den Organisatoren offenbar Menschen ausgehen, die dazu gewillt sind, sich auf die Bühne zu stellen. Mal war es zuletzt ein „Wilfried“, der da spricht, mal ein „Kevin ausm Publikum“ – allesamt keine rhetorischen Glanzlichter. Friedrich Fröbel musste zuletzt sogar zweimal in Folge ran. Höhepunkt – je nach Blickwinkel positiver oder negativer – war am vergangenen Montag der bizarre „Satire“-Auftritt des „Geistes von Frau Rosenzweig“. Das fanden weder die Legida-Anhänger sonderlich toll noch einige Leipziger, die wegen Verunglimpfung einer realen Person (eine während der NS-Zeit in Leipzig ermordete Jüdin gleichen Namens) nun über eine Anzeige nachdenken.

 

Zumindest was Routen und Gegendemos angeht, ist mittlerweile wieder Routine eingekehrt. Legida wird den Refugees-Welcome-Platz in Beschlag nehmen und während der gesamten Veranstaltung, inklusive Spaziergang, von Gegendemonstranten dazu aufgefordert werden, beim nächsten Mal doch lieber zu Hause zu bleiben.