eipzig kommt nicht zur Ruhe. Oder vielleicht doch? Zu erwarten steht, dass die Aktivitäten bei der nun immerhin vierten Demonstration innerhalb von acht Tagen von Legida und Legida-Abspaltungen geringer sein werden. Vermutlich sogar auf beiden Seiten, denn längst fragen sich immer mehr nach dem Sinn der ständigen Herumsteherei und Lauferei. Heute jedenfalls möchte, wie zuletzt Ende August, Legida wieder auf dem Richard-Wagner-Platz starten.
+++ 1:05 Uhr: Manchmal muss man improvisieren +++
Die Ansprache von Martin Sonneborn (Die Partei Die PARTEI) bei LEGIDA DAS ORIGINAL vom 28. September haben wir nach mehreren Versuchen (gegen unseren Server) nun einfach auf unsere Facebook-Seite hochgeladen. Kann man sich übrigens auch anschauen, ohne da „Mitglied“ zu sein. Oder man wird es halt. Nur wegen uns natürlich. Oder wegen der PARTEI (die immer Recht hat!) Der Pöbel traf jedenfalls endlich auf die hohe Politik. Hier gehts jedenfalls lang zur großen Erkenntnis in Videoform.
+++ 22:10 Uhr: Die Polizei zu einem weitgehend ruhigen Abend in Leipzig +++
„Am heutigen Tag versammelten sich Anhänger von LEGIDA – wie bereits mehrfach in der Vergangenheit – auf dem Richard-Wagner-Platz, welcher als Ausgangs- und Endort eines Aufzugs dienen sollte. Auf Seiten des Gegenprotests waren drei Kundgebungen und zwei Aufzüge angemeldet. Zudem fand neben dem direkten Versammlungsgeschehen um LEGIDA ein vierter Aufzug in der Innenstadt statt, dessen Teilnehmer sich gegen Sozialabbau in Deutschland und Europa positionierten.
Im Laufe der frühen Abendstunden – insbesondere mit Beginn der Auftaktkundgebung von LEGIDA – konzentrierte sich der Gegenprotest auf das direkte Umfeld des Richard-Wagner-Platzes (Hainspitze und Straßenbahnhaltestelle Goerdelerring) und die Thomaskirche.
Gegen 20:00 Uhr setzte sich der LEGIDA-Aufzug in Bewegung, wobei die Teilnehmer auf dem Innenstadtring in südlicher Richtung bis zum Neuen Rathaus (in Höhe Lotterstraße) liefen. Dort wendeten sie und erreichten bereits gegen 20:45 Uhr wieder den Richard-Wagner-Platz. Etwa 21:15 Uhr endete die LEGIDA-Versammlung und die Mehrzahl der Teilnehmer begab sich unter polizeilicher Begleitung zum Leipziger Hauptbahnhof.
Da es am heutigen Tag – nach bisherigem Kenntnisstand – bei einem ausschließlich verbalen Meinungsaustausch zwischen den konträren Lagern kam, wertet die Polizeidirektion Leipzig ihren Einsatz als Erfolg. Alle Versammlungen konnten im angemeldeten Rahmen vollzogen werden. Es bestehen jedoch aus polizeilicher Sicht leider auch keine Zweifel, dass sich beiderseits gewaltgeneigte Personen beteiligten und der friedliche Verlauf daher maßgeblich einer Vielzahl eingesetzter Beamter und technischer Sperren zu verdanken war.
Dabei erfuhr die Polizeidirektion Leipzig Unterstützung durch die Bundespolizei sowie sachsen-anhaltinische, nordrhein-westfälische und sächsische Fremdkräfte – insgesamt mehrere hundert Einsatzkräfte.“
+++ 21:35 Uhr: Eine Woche Pause? +++
Erfreuliches erstes Fazit: Keine Zwischenfälle. Kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wieder eine rechte Demo stattgefunden hat. Wie erwartet hat Johnke für kommenden Montag den nächsten Aufmarsch besorgter Rechter angekündigt. Das heißt aber auch: Wir haben nun wohl sieben Tage Ruhe vor diesen Leuten. Zumindest in geballter Form. Denn dass Neonazis, Rassisten und andere Menschenfeinde mit ihrer Hetze im Internet und Gewaltanfälligkeit im realen Leben für viele Personen eine Gefahr darstellen, ist ja weiterhin das große Problem.
Und so richtig Luft zum Durchatmen bleibt ja sowieso nicht. Viele Menschen kommen dieser Tage wegen Krieg, Hunger, Armut und politischer Verfolgung in Leipzig an. Diese Menschen benötigen akut Hilfe und Unterstützung, ganz aktuell etwa zu sehen beim Protestcamp nahe der Messehalle 4.
Es gibt viel zu tun.
+++ 21:21 Uhr: Abgang mit Kuchen +++
Und noch ein Leckerli zum Abschluss. Markus Johnke präsentiert einen Kuchen in Deutschlandfarben, den jemand aus dem Publikum gebacken hat. Vielleicht bringt ja beim nächsten Mal jeder noch einen mit. Und der Aufzug wird dann kurzfristig zum Verdauungsspaziergang umgemeldet.
Mit einem Zitat des Kommunisten Bertold Brecht (das kann man einfach mal so für sich stehen lassen) und der Nationalhymne endet auch dieser Demoabend bei Legida.
+++ 21:10 Uhr: Langsam spazieren gehen und eilig (gegen Geflüchtete) hetzen 2 +++
Während Wilfried noch redet, gehen die ersten größeren Gruppen schon wieder nach Hause. Man könnte fast Verständnis für sie aufbringen. In der Rede sind immer noch keine roten Fäden zu erkennen, Hauptsache gegen die Geflüchteten. Das Publikum ist dementsprechend ratlos und ruft einfach bei unpassender Gelegenheit die üblichen Parolen rein. Und wenn Wilfried mal lauter wird, dann gibt’s auch mal Applaus. Wir wünschen uns fast Herrn Fröbel zurück. Dessen Rede hatte zumindest ein bisschen Struktur und war in ihrer Absurdität noch unterhaltsam. Wilfried hingegen lobt „Spiegel Online“, die es in einem jüngeren Artikel angeblich auf den Punkt gebracht hätten, und schimpft gleichzeitig auf die Lügenpresse.
Nach Schätzungen des Soziologenteams der Uni Leipzig sind es heute übrigens 700 bis 800 Teilneher, also ähnlich viele wie in den vergangenen Wochen.
+++ 20:57 Uhr: Langsam spazieren gehen und eilig (gegen Geflüchtete) hetzen 1 +++
Wilfried hat in Leipzig „das Licht der Welt erblickt und die frühe Kindheit verbracht“. Applaus vom Publikum. Irgendwo geboren zu werden, ist halt eine große Leistung. Patrioten wissen das. Wilfried betont die Wichtigkeit von Menschenrechten. Aber… Es gäbe auch Menschenpflichten. Und davon hätten Einwanderer keine Ahnung.
Dann geht es weiter mit Fröschen und Flüchtlingsgegnern. Das stellt in etwa das Niveau und den Gehalt seiner Rede dar. Was genau er mitteilen möchte, erschließt sich nicht. Es geht wohl darum, dass sich Geflüchtete angeblich nicht benehmen können, alles und jeden zusammenschlagen und hier nichts zu suchen haben. Die übliche Hetze halt.
+++ 20:50 Uhr: Ein paar Impressionen am Wegesrand +++
+++ 20:35 Uhr: Das Volk schaut weg +++
Da sich nach wie vor die Geschichte hält, es würden Massen hinter Legida stehen, die sich halt nur nicht auf die Straße trauen, hier vielleicht mal eine Zahl. Rund 700 haben in der Spitze heute den Livestream von Legida laufen – und dass trotz der tatkräftigen Hilfe von der L-IZ.de. Da versorgt man nun schon den Leser mit allem und Legida gibt sich so eine Mühe mit der Technik und dann? Das Volk schaut weg. Unterdessen wird die Rückkehr von Legida nach einem weitgehend ereignislosen Lauf auf dem Wagner-Platz erwartet.
+++ 20:28: Sie spazieren immer noch +++
Die Legidafans ziehen derzeit über den Ring, scheinbar ohne besondere Vorkommnisse. Komisch, dass das funktioniert, nachdem doch vergangene Woche erst die Versammlungsfreiheit beerdigt wurde. Wie üblich dürfen sich die Teilnehmer vom Straßenrand allerlei Nettigkeiten anhören.
+++ 20:06: Böhm marschiert mit +++
Auch das noch… NPD-Stadtrat Enrico Böhm, der kürzlich noch in Untersuchungshaft saß, läuft heute wieder bei Legida mit. Es bleibt einem derzeit wirklich überhaupt nichts erspart.
+++ 20:02: Jeden zweiten Tag ein Spaziergang ist nicht gesund +++
Johnke schickt seine Anhänger nun auf die Reise. Von Blockaden ist nichts bekannt. Ein kleines Schmankerl noch: In Dresden sollen es heute laut Johnke mindestens 25.000 Menschen sein. Tatsächlich waren es wohl etwa 8.000, also wieder mehr als beim letzten Mal. Und wieder mal kein Gegenprotest. Es ist schlimm.
In Leipzig rechnen wir vorläufig mit etwa 500 Legidaverwirrten und knapp 1.000 guten Menschen.
+++ 19:48: Rassismus, Polizistenschelte und Verschwörungstheorien bei Fröbel +++
Auch Friedrich Fröbel geht kurz auf das Thema Flüchtlinge ein und ruft noch einmal das angebliche Widerstandsrecht des deutschen Volkes in Erinnerung. „Aber ich rufe nicht zu den Waffen. Wir bleiben Friedrich“. Oder „friedlich“. War nicht genau zu verstehen.
Danach widmet er sich den Polizisten, denen Legida bis vor Kurzem ja noch regelmäßig gedankt hat. Diese würden nun versagen. Es seien die „Sportfreunde“, also die Hooligans, die die Legidaanhänger schützten. Schlimmer noch: „Die Polizei macht sich wegen Beihilfe zum versuchten Mord strafbar“ und meint damit die Steinewürfe am Samstag, denen die Beamten angeblich tatenlos zuschauten. Auch die kürzlich wegen der Sitzblockaden am Brühl verkürzte Demo hängt offenbar noch nach: „Polizisten haben die Pflicht, gegen rechtswidrige Anweisungen zu protestieren. Einen Aufzug aufzuhalten, wie vor zwei Wochen geschehen, ist offensichtlich strafbar.
Zurück zu den Flüchtlingen: „Christentum bedeutet Freiheit durch Erhebung zu Gott. Diese Freiheit verteidigt Ungarn in bester abendländischer Tradition mit dem christlichen Schwert in der Hand.“ Och nee, dann lieber zurück zur Antifa. „Wir wissen, dass Antifa und NPD eine Fassade der Geheimdienste sind.“ Wird nicht besser. Dann warten wir halt mal ab, wer als Nächstes spricht.
Oh, einer noch: Ein bisschen puren Rassismus gibt’s auch. Intelligenztests würden angeblich zeigen, dass Schwarze deutlich dümmer seien als Asiaten und Weiße. Dass das u.a. etwas mit vorhandener oder fehlender Bildung zu tun haben könnte, kommt ihm nicht in den Sinn. Erste Schätzungen ergeben übrigens, dass der IQ der anwesenden Rassisten nicht messbar ist.
Unser Reporter vor Ort wird übrigens schon wieder bedroht. Auch das wäre dann das vierte Mal in dieser Woche.
+++ 19:25 Uhr: Johnke über aktuelle Ereignisse +++
Markus Johnke geht auf die Ausschreitungen am Samstag ein. Dass ausgerechnet er von halbherzigen Distanzierungen im Anschluss spricht, ist bemerkenswert. Legida hatte sich bekanntlich vor zwei Wochen überhaupt nicht distanziert, sondern die Tatsachen ganz einfach verdreht. Auch auf die Schlägerei in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Messehalle 4 geht er kurz ein und verspricht, dass er es dank eines Leaks nun Schwarz auf Weiß habe, dass es in Deutschland kaum Kriegsflüchtlinge gebe. Wir warten gespannt auf die Enthüllungen.
Ganz wichtig: Gegen Ende der Woche gibt’s eine „Menschenkette“ in Sebnitz – gegen(!) Geflüchtete wohlgemerkt, um sie aufzuhalten. Fahrgemeinschaften und hin da! Und bitte nie wieder zurückkommen…
+++ 19:10 Uhr: Partei zieht viele Menschen, der Rest eher weniger +++
Seit langer Zeit ist heute auch mal wieder „Die Partei“ mit nennenswertem Publikum am Start. Auf dem Willy-Brandt-Platz, also dort, wo sich in den vergangenen Wochen stets das islamfeindliche Bündnis Legida versammelte, sind nun die „Alkoholiker“ vom „Original“. Nach ersten Schätzungen lauschen mehr als 300 Zuhörer den Forderungen nach einer Militärbesatzung für Sachsen. Es gibt aber auch ernste Themen, etwa bei der Rede eines Mitarbeiters des Flüchtlingsrates. Mittlerweile ist auch Parteichef Martin Sonneborn eingetroffen, der den Bundesparteitag im kommenden Jahr vielleicht in Heidenau oder Freital stattfinden lassen möchte…
An allen anderen Stellen in der Innenstadt geht es derweil noch sehr überschaubar zu. Bei Legida ist mittlerweile wieder ein großer Block mit Neonazis eingetroffen. Vor der Thomaskirche sowie am Naturkundemuseum und der Hainspitze stehen insgesamt nur wenige hundert Menschen. Wie erwartet: Es herrscht wohl Demomüdigkeit.
Möchte man eine potentielle Demomüdigkeit der Legidagegner erkennen, so lohnt ein Blick auf die Social-Media-Seiten von „No Legida“, auf denen es diesmal ziemlich ruhig zugeht. Ob sich auch der Gegenprotest auf der Straße heute in Grenzen halten wird, bleibt abzuwarten. Klar ist: Die vergangenen Tage haben Spuren hinterlassen und einige Fragen aufgeworfen.
Nach den Nazihoolausschreitungen von vor zwei Wochen war es Legida vergangenen Montag erneut gestattet worden, durch die Innenstadt zu ziehen. Allerdings mussten sie mit den Konsequenzen der Taten ihres eigenen Anhangs leben. Weil die Polizei mit mehr Beamten als in der Vorwoche planen wollte, diese aber nicht zur Verfügung standen, durften die Rassisten lediglich eine kleine Route zwischen Willy-Brandt-Platz und Brühl laufen. Gegendemonstranten blockierten auch diesmal die geplante Strecke, sodass der Weg nochmals verkürzt wurde.
Zur Überraschung vieler verkündete Markus Johnke gegen Ende der Show eine weitere Veranstaltung am Mittwoch. Auf dieser sollte – im Rahmen der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit – die Versammlungsfreiheit zu Grabe getragen werden, was selbst die Polizei in ihrem abschließenden Bericht zu einer süffisanten Bemerkung veranlasste. Ihre Route bis zum Neuen Rathaus durften sie laufen. Dem Gegenprotest war es mit zahlreichen Sitzblockaden jedoch gelungen, den Aufzug immer wieder zum Stoppen zu bringen. Die Polizei ging an diesem Abend mit fragwürdiger Härte gegen No-Legida-Aktivisten und auch Journalisten vor.
Den vorläufigen Abschluss der rechten Demowoche bildete am Samstag schließlich Silvio Röslers „Offensive für Deutschland“. Dem ehemaligen Legida-Chef gelang es jedoch lediglich 300 bis 400 selbsternannte Patrioten und Wertkonservative zu mobilisieren, darunter Politiker von „Die Rechte“ und NPD sowie Hooligans und Kameradschaften. Diese dominierten unter den Teilnehmern das Bild. Die öffentliche Wahrnehmung dominierten im Anschluss jedoch andere.
Zwischen Antifa-Aktivisten und Polizisten war es zu mehreren Auseinandersetzungen gekommen, zu deren Ursachen es wie üblich verschiedene Ansichten gibt. Klar ist, dass insbesondere am Wilhelm-Leuschner-Platz aus einer Gruppe von bis zu 50 Personen zahlreiche Flaschen, Böller und Steine flogen. Die Polizei ging dagegen vor, zog aber offenbar auch Unbeteiligte stark in Mitleidenschaft. Im Anschluss sprachen sich sowohl „No Legida“ als auch das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ deutlich gegen Gewalt in Form des Werfens von Steinen aus. Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und der ehemalige Thomaspfarrer Christian Wolff positionierten sich klar dagegen. In der linken Szene folgte derweil – zumindest im Internet und befeuert durch einen Beitrag auf Indymedia – eine Diskussion über Sinn und Legitimation bestimmter Formen des Protests sowie über falsche und richtige Solidarität.
Vielleicht werden diese Diskussionen nach dem heutigen Demoabend weitergehen. Nun ist aber erst einmal wieder Alltag eingekehrt – anders lassen sich die ritualisierten Kundgebungen am Montag wohl kaum noch beschreiben. Die Leidtragenden sind wie immer die letztlich am wenigsten Beteiligten: Flüchtlinge und Muslime.