Befragte im Freistaat reservierter gegenüber Flüchtlingen als der BundesdurchschnittSachsens Opposition kritisiert Beschlüsse der Länderchefs
Von Anita Kecke
Leipzig. Die Sachsen haben mehr Vorbehalte gegen Flüchtlinge als der
Bundesdurchschnitt. Ein großer Teil von 39 Prozent vertritt die
Ansicht: "Das Boot ist voll." Nur 32 Prozent widersprechen diesem
Standpunkt. Nahezu ein Drittel ist unentschieden. Dennoch sind die
Sachsen mehrheitlich auch für Einwanderung, würden diese allerdings mit
strengeren Regeln verbinden. Priorität sollten politisch Verfolgte
haben.
In seiner Skepsis gegenüber Flüchtlingen unterscheidet sich der
Freistaat vom Bundesdurchschnitt: So sind bundesweit nur 29 Prozent der
Meinung, das Boot sei voll. 41 Prozent widersprechen diesem Standpunkt.
Das ergab eine gemeinsame Umfrage der Leipziger Volkszeitung, der Freien
Presse und der Sächsischen Zeitung.
Wie ticken die Sachsen? Einerseits sind sie Pisa-Sieger und
Musterschüler im Osten, andererseits häufen sich im Freistaat
fremdenfeindliche Proteste und Übergriffe. Diese Frage beschäftigt daher
nicht nur den Rest der Republik, sondern auch die Sachsen selbst. Aus
diesem Grund haben die drei Zeitungen die Studie in Auftrag gegeben. Der
erste Teil, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, ergab, dass die
ausländerfeind- lichen Krawalle dem Ansehen Sachsens massiv geschadet
haben. Über 70 Prozent der Deutschen sind dieser Meinung.
Die Sachsen sind den Flüchtlingen gegenüber reservierter als der
Bundesdurchschnitt. Sagt bundesweit fast jeder Zweite (48 Prozent),
Deutschland solle sich freuen über den Zuzug vieler junger Leute aus dem
Ausland, weil Arbeitskräfte und Zuwanderung nötig seien, so stimmt dem
in Sachsen nur gut jeder Dritte zu (37 Prozent).
Zwar schätzen sich die Sachsen zu 58 Prozent als weltoffen und tolerant
ein, aber wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht, dann greift bei
vielen die Definition dieser Attribute nicht so weit. Während
bundesweit 54 Prozent sagen, Deutschland sei weltoffen, wohlhabend und
könne den Zuzug von Ausländern gut vertragen, stimmen dem in Sachsen nur
41 Prozent zu. Aber nicht alle, die in Sachsen sagen, "mehr geht
nicht", sehen diese Aussage auch in Stein gemeißelt. Sie sind offen für
Diskussionen und Vorschläge. Das zeigt eine andere Antwort: So stimmen
drei Viertel der Sachsen zu, dass Deutschland eine geregelte
Einwanderung und eine vernünftige Integration brauche. Dabei legen die
Sachsen mit 61 Prozent besonders viel Wert darauf, dass die
Neuankömmlinge sich in die deutsche Ordnung und Kultur einfügen.
Bundesweit erwarten dies 53 Prozent.
Im Ergebnis der Studie sind die Sachsen keineswegs ein Volk von
Ausländerhassern, sondern zeigen sich mehrheitlich offen und stimmen bei
der Beurteilung der Flüchtlingskrise in vielen Punkten mit der übrigen
Bevölkerung überein.
Erstellt wurde die Studie vom Leipziger Institut Uniqma. Es befragte
dafür deutschlandweit vom 9. bis 15. September 1351 repräsentativ
ausgewählte Erwachsene, darunter 514 aus Sachsen.